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BGBl II 93/2007

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

93. Verordnung: Gerichtsvollzieher-Ausbildungsverordnung-v4

93. Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Grundausbildung für den Gerichtsvollzieherdienst in der Entlohnungsgruppe v4 (Gerichtsvollzieher-Ausbildungsverordnung-v4)

Auf Grund der §§ 23 bis 31 und 281 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 129/2006, und des § 67 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, BGBl. Nr. 86, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 166/2006, wird verordnet:

Anwendungsbereich und Ziele der Grundausbildung

§ 1. (1) Diese Verordnung regelt die Grundausbildung für den Gerichtsvollzieherdienst (Entlohnungsgruppe v4).

(2) Die in dieser Verordnung verwendeten personenbezogenen Ausdrücke umfassen Frauen und Männer gleichermaßen. Bei der Anwendung auf bestimmte Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.

(3) Vorrangige Ziele der Grundausbildung sind es,

  1. 1. die Kenntnisse zu vermitteln, die zu einer qualitativ hochwertigen Erfüllung der Aufgaben des Gerichtsvollzieherdienstes erforderlich sind,
  2. 2. die Bediensteten mit dem Dienst im Justizressort im Allgemeinen und im Gerichtsvollzieherdienst im Besonderen vertraut zu machen und
  3. 3. die erforderlichen Kenntnisse über die Aufbau- und Ablauforganisation der Gerichte und Staatsanwaltschaften einschließlich der Informationstechnik-Anwendungen zu vertiefen.

Gestaltung der Grundausbildung; Vortragende

§ 2. (1) Die Grundausbildung ist als (zweigeteilter) Ausbildungslehrgang in Blockform und als praktische Verwendung (Schulung am Arbeitsplatz) zu gestalten.

(2) Die Grundausbildung beginnt mit dem ersten (rund vierwöchigen) Teil des Ausbildungslehrgangs, wird fortgesetzt mit der praktischen Verwendung (§ 4) und endet mit dem zweiten (rund zweiwöchigen) Teil des Ausbildungslehrgangs, welcher auch einen kurzen (rund dreitägigen) Wiederholungskurs möglichst unmittelbar vor der kommissionellen Prüfung beinhaltet (Wiederholungsblock gemäß § 5 Abs. 6).

(3) Die Ausbildungsmodule des Ausbildungslehrgangs haben alle zeitgemäßen und zweckmäßigen Formen der Wissensvermittlung, insbesondere auch e-learning-Systeme, zu nutzen.

(4) Als Vortragende und Trainer in den einzelnen Modulen sind fachlich und pädagogisch qualifizierte Bedienstete des Justizressorts heranzuziehen, die über die erforderliche persönliche und soziale Kompetenz verfügen.

(5) Die Vortragenden haben über die Leistungen der Lehrgangsteilnehmer und ihre Mitarbeit während des Ausbildungslehrgangs schriftliche Aufzeichnungen zu führen, die auf Aufforderung dem Präsidenten des Oberlandesgerichts vorzulegen sind.

(6) Die Vortragenden haben sich in ihrem Fachgebiet gemäß den Anforderungen der modernen Erwachsenenbildung unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse der Erwachsenenpädagogik und Lernpsychologie regelmäßig weiterzubilden.

Ausbildungslehrgang

§ 3. (1) Die Ausbildungslehrgänge sind von den Präsidenten der Oberlandesgerichte nach Bedarf und jedenfalls so einzurichten, dass jeder Vertragsbedienstete eines Gerichts, der sich im Dienstvertrag zur Absolvierung der Grundausbildung nach dieser Verordnung verpflichtet hat, diese innerhalb der für den mittleren Dienst vorgesehenen einjährigen Ausbildungsphase ablegen kann.

(2) Voraussetzung für die Zulassung zum Ausbildungslehrgang ist neben den planstellen-, bedarfs- und eignungsmäßigen Voraussetzungen:

  1. 1. die erfolgreich abgeschlossene Grundausbildung nach der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Grundausbildung für den Kanzleidienst (Entlohnungsgruppe v4) in den Geschäftsstellen (Kanzleien) der Gerichte und Staatsanwaltschaften, BGBl. II Nr. 124/2005, oder
  2. 2. die erfolgreich abgeschlossene Grundausbildung nach der Verordnung des Bundesministers für Justiz über die Grundausbildung für die Verwendungsgruppe D in den Geschäftsstellen (Kanzleien) der Gerichte und Staatsanwaltschaften, BGBl. Nr. 183/1987, oder
  3. 3. die erfolgreich abgelegte ‚erste Kanzleiprüfung' nach der Kanzleipersonal-Verordnung, RGBl. Nr. 170/1897.

(3) Einem Ausbildungslehrgang sind nicht mehr Teilnehmer zuzuweisen, als in der vorgesehenen Schulungseinrichtung Bildschirmarbeitsplätze zu Ausbildungszwecken zur Verfügung stehen.

(4) Erforderlichenfalls kann mit Zustimmung der Bundesministerin für Justiz die Zulassung zu einem vom Präsidenten eines anderen Oberlandesgerichts veranstalteten Ausbildungslehrgang erfolgen.

(5) Im Ausbildungslehrgang sind folgende Gegenstände - soweit sie für den Gerichtsvollzieherdienst von Bedeutung sind - im Umfang der ausgewiesenen Stundenzahlen zu unterrichten:

 

Stunden- ausmaß

Fächergruppe

1.

Grundzüge des Zivilrechts (einschließlich des Wechsel- und Scheckrechts sowie des Grundbuch- und Firmenbuchrechts), soweit sie für das Verständnis der Exekutionsordnung und der exekutionsrechtlichen Nebengesetze erforderlich sind

24

Zivil- und

Strafrecht

2.

Grundbegriffe des Strafrechts mit schwerpunktmäßiger Behandlung der strafbaren Handlungen gegen die Staatsgewalt sowie der strafbaren Verletzungen der Amtspflichten und der verwandten strafbaren Handlungen

16

3.

Grundzüge der Exekutionsordnung und der exekutionsrechtlichen Nebengesetze und Verordnungen

40

Exekutions- und Insolvenzrecht

4.

Grundbegriffe des Schuldenregulierungsverfahrens sowie des Unternehmensinsolvenzrechts (Konkurs- und Ausgleichsordnung)

4

5.

Grundzüge der für den Gerichtsvollzieherdienst maßgeblichen Bestimmungen der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz

8

Geschäftsordnung, Gebühren und Betriebswirtschaft

6.

Vollzugsgebührengesetz

16

7.

Grundzüge des Gerichtsgebühren-, Kosten- und Einbringungswesens sowie des Zahlungs- und Verrechnungswesens; Grundbegriffe des Reisegebührenrechts

8

8.

Grundbegriffe der Betriebswirtschaftslehre unter besonderer Berücksichtigung des angewandten Inkassowesens

24

9.

Informationstechnik-Anwendungen der Justiz und Textverarbeitungen in der Justiz

40

Informationstech-nik,

Arbeitsorgani-sation und Kommunikation

10.

Techniken der Arbeits- und Zeiteinteilung (Arbeitsorganisation); Mobbingprävention; Verhalten gegenüber Parteien einschließlich Konfliktmanagement und Umgang mit schwierigen Situationen

36

Gesamtstundenausmaß des Grundausbildungslehrgangs ...

216

 

(6) Die Gestaltung des Unterrichts hat nach modernen pädagogischen und didaktischen Gesichtspunkten zu erfolgen. Soweit dies zweckmäßig ist, sind auch e-learning-Systeme einzusetzen. Der Unterricht in den jeweiligen Gegenständen ist tunlichst mit praktischen Übungen zu verbinden; die Informationstechnik-Anwendungen sind - unter besonderer Berücksichtigung der für die Verfahrensautomation Justiz bestehenden Verfahrensvorschriften - ausschließlich unter Verwendung von Bildschirmarbeitsplätzen jeweils gegen Ende des Ausbildungslehrgangsteils in Blockform zu unterrichten.

(7) Hat ein Bediensteter mehr als ein Drittel der Lehrgangsstunden versäumt, ist die Zulassung zum Lehrgang zu widerrufen.

(8) Das im Abs. 5 festgelegte Gesamtstundenausmaß beinhaltet nicht den Wiederholungskurs (Wiederholungsblock) nach § 5 Abs. 6.

(9) Die im Abs. 5 ausgewiesenen Stundenzahlen können mit Zustimmung der Bundesministerin für Justiz aus pädagogischen und didaktischen Rücksichten in jedem Ausbildungsgegenstand und in jeder Fächergruppe um jeweils ein oder zwei Stunden über- oder unterschritten werden; dabei hat jedoch die Gesamtzahl der Lehrgangsstunden unverändert zu bleiben. Ebenso kann mit Zustimmung der Bundesministerin für Justiz aus pädagogischen und didaktischen Gründen die zeitliche Abfolge der im Abs. 5 genannten Ausbildungsinhalte und Ausbildungsziele modifiziert werden; der Gesamtinhalt ist jeweils beizubehalten.

Praktische Verwendung

§ 4. (1) Die praktische Verwendung (Schulung am Arbeitsplatz) hat 150 Arbeitstage zu dauern. Sie ist in einer Exekutionsabteilung eines Bezirksgerichts (50 Arbeitstage) und im Gerichtsvollzieherdienst (100 Arbeitstage) zurückzulegen.

(2) Die Schulung am Arbeitsplatz obliegt jeweils dem unmittelbar Vorgesetzten.

(3) Abwesenheitszeiten (wie Urlaub, Krankenstand, Beschäftigungsverbot, Präsenz-, Ausbildungs- und Zivildienst) sind bei der Berechnung der Dauer der praktischen Verwendung im Sinne dieser Verordnung im Ausmaß von höchstens 15 Arbeitstagen zu berücksichtigen.

(4) Die Zeit einer Teilzeitbeschäftigung zählt für die Berechnung der Dauer der praktischen Verwendung im Umfang des jeweiligen Beschäftigungsausmaßes.

(5) Vor der Zulassung zum Ausbildungslehrgang in einer Exekutionsabteilung eines Bezirksgerichts zurückgelegte Dienstzeiten können vom Präsidenten des Oberlandesgerichts bis zum Höchstausmaß von 50 Arbeitstagen in die praktische Verwendung eingerechnet werden.

Gerichtsvollzieherprüfung

§ 5. (1) Die Absolventen des Ausbildungslehrgangs sind vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes, der den Ausbildungslehrgang veranstaltet hat, zur Gerichtsvollzieherprüfung zuzuweisen.

(2) Die Gerichtsvollzieherprüfung ist als praktische und als mündliche Prüfung abzulegen.

(3) Die praktische Prüfung (Abs. 4) ist von den Kandidaten am Ende des ersten Teils des Ausbildungslehrgangs über die Ausbildungsinhalte des ersten Teils zu absolvieren.

(4) Die praktische Prüfung besteht aus einem Onlinetest und einem schriftlichem Prüfungsteil und ist als Klausurarbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz abzulegen; sie darf nicht länger als vier Stunden dauern und hat fünf der folgenden Aufgaben zu umfassen:

  1. 1. Aufnahme eines Pfändungsprotokolls auf Grund eines mitgeteilten einfachen Sachverhalts;
  2. 2. Erstellung von Vollzugsberichten und Abfertigung über die Poststraße an die betreibende Partei;
  3. 3. Aufnahme eines Protokolls
    1. a) über Vollstreckungshandlungen betreffend die Verwertung von Fahrnissen im Rahmen einer Exekution auf bewegliche körperliche Sachen (§§ 249 ff EO) oder
    2. b) über eine pfandweise Beschreibung der eingebrachten Fahrnisse eines Mieters oder Pächters (§ 1101 ABGB);
  4. 4. Aufnahme eines Protokolls über eine vollzogene Räumung;
  5. 5. Berechnung des unpfändbaren Teils des beim Vollzug vorgefundenen Bargelds (§ 250 Abs. 1 Z 5 und § 261 EO);
  6. 6. Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses einer natürlichen Person;
  7. 7. Abfertigung einer Note über die Poststraße zu einem vorgegebenen Sachverhalt;
  8. 8. Aufnahme eines Inventarisierungsprotokolls im Insolvenzverfahren;
  9. 9. Einschaltung eines Versteigerungsedikts in die Ediktsdatei und Verständigung der Parteien vom Versteigerungstermin;
  10. 10. Berechnung einer einfachen betriebenen Forderung und Berechnung der Vergütung.

(5) Die Lehrgangsinhalte im zweiten Teil des Ausbildungslehrgangs dienen neben der Wissensvermittlung insbesondere auch der Vertiefung und Prüfungsvorbereitung.

(6) Unmittelbar vor der mündlichen Gerichtsvollzieherprüfung ist vom jeweiligen Präsidenten des Oberlandesgerichts ein dreitägiger Wiederholungskurs (Wiederholungsblock) abzuhalten, an dem alle zur mündlichen Prüfung zugewiesenen Absolventen des Ausbildungslehrgangs teilzunehmen haben.

(7) Voraussetzungen für die Zulassung zur mündlichen Gerichtsvollzieherprüfung sind

  1. 1. die Absolvierung der praktischen Prüfung (Abs. 4) und
  2. 2. die Absolvierung der praktischen Verwendung in dem im § 4 festgelegten Ausmaß und
  3. 3. die Absolvierung des Ausbildungslehrgangs nach § 3.

(8) Die mündliche Prüfung umfasst die im § 3 Abs. 5 aufgezählten Gegenstände im Umfang des Unterrichtsstoffs. Sie darf mit höchstens vier Kandidaten gleichzeitig abgehalten werden.

(9) Die Dienstprüfung gilt dann als erfolgreich abgelegt, wenn die praktische und die mündliche Prüfung bestanden wurden.

Prüfungskommission

§ 6. (1) Bei jedem Oberlandesgericht ist eine Prüfungskommission zu errichten.

(2) Vorsitzender der Prüfungskommission ist der Präsident des Oberlandesgerichtes. Die Bundesministerin für Justiz hat, nach Einholung eines Vorschlags des Präsidenten des Oberlandesgerichtes, seine Stellvertreter und die weiteren Mitglieder der Prüfungskommission unter Bedachtnahme auf fachliche und pädagogische Qualifikation auf die Dauer von fünf Jahren zu bestellen.

(3) Zu Stellvertretern des Vorsitzenden sind zum Richteramt befähigte Personen zu bestellen; zu weiteren Mitgliedern der Prüfungskommission können - neben zum Richteramt befähigten Personen - auch Rechtspfleger in Exekutionssachen, Mitarbeiter des Gehobenen Dienstes der FEX-Leitungseinheiten der Oberlandesgerichte und besonders geeignete Gerichtsvollzieher des Fachdienstes bestellt werden, die jeweils über mehrjährige Erfahrungen im Bereich des Gerichtsvollzugsdienstes verfügen.

Benotung und Zeugnis

§ 7. (1) Die Beurteilung der Prüfung erfolgt mit dem Kalkül „bestanden“ (gegebenenfalls mit Auszeichnung aus bestimmten Fächergruppen) oder mit „nicht bestanden“.

(2) Über die bestandene Dienstprüfung ist vom Vorsitzenden der Prüfungskommission ein Zeugnis auszustellen. Im Zeugnis sind sämtliche Prüfungsmodule der Dienstprüfung in Fächergruppen gegliedert zu bezeichnen; gegebenenfalls sind bei der betreffenden Fächergruppe die Worte „mit Auszeichnung bestanden“ anzufügen (§ 31 Abs. 5 zweiter Satz BDG 1979). Allfällige Anrechnungen sind festzuhalten.

(3) Das Original des Zeugnisses ist dem Ausbildungsteilnehmer auszuhändigen. Eine Zweitschrift des Zeugnisses ist gemeinsam mit den Ergebnissen der praktischen Prüfungsarbeit im Personalakt abzulegen.

Prüfungssenat

§ 8. (1) Der Prüfungssenat besteht aus dem Vorsitzenden der Prüfungskommission oder einem seiner Stellvertreter und zwei weiteren Mitgliedern.

(2) Die Auswahl der Aufgaben für die praktische Prüfung obliegt dem Vorsitzenden des Prüfungssenats oder dem von ihm beauftragten Mitglied des Prüfungssenats. Der Vorsitzende oder das von ihm beauftragte Mitglied hat auch für die Beaufsichtigung bei der praktischen Prüfung zu sorgen.

(3) Die Aufteilung des Prüfungsstoffs bei der mündlichen Prüfung obliegt dem Vorsitzenden des Prüfungssenats; der Vorsitzende kann Fragen aus dem gesamten Prüfungsstoff stellen.

Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 9. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. Mai 2007 in Kraft.

(2) Die auf Grund der Dienstanweisung des Bundesministers für Justiz über die Prüfung zur Erlangung eines Dienstpostens des Zwangsvollstreckungsdienstes, JABl. Nr. 1/1924, erfolgreich abgelegte Gerichtsvollzieherprüfung ersetzt die Grundausbildung nach der vorliegenden Verordnung.

(3) Ebenso ersetzt eine in der Zeit vom 1. Jänner 2005 bis einschließlich 30. April 2007 unter sinngemäßer Anwendung der in Abs. 2 zitierten Dienstanweisung erfolgreich abgelegte Gerichtsvollzieherprüfung die Grundausbildung nach der vorliegenden Verordnung.

(4) Vor dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung begonnene, zum Teil oder zur Gänze absolvierte Praxiszeiten auf Grund der Regelungen gemäß Abs. 2 und 3 sind auf die praktische Verwendung nach der vorliegenden Verordnung anzurechnen.

(5) Verweisungen in dieser Verordnung auf andere Rechtsvorschriften des Bundes sind als Verweisungen auf die jeweils geltende Fassung zu verstehen.

Berger

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