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Artikel 3 WTO-Abkommen - Regeln und Verfahren zur Streitbeilegung

Aktuelle FassungIn Kraft seit 01.1.2008

Artikel 3

Allgemeine Bestimmungen

  1. 1. Die Mitglieder bestätigen ihr Festhalten an den Grundsätzen für die Handhabung von Streitigkeiten, die bisher nach den Artikeln

    XXII und XXIII des GATT 1947 sowie die Regeln und Verfahren, wie sie hiezu weiter ausgearbeitet und geändert wurden.

  1. 2. Das Streitbeilegungssystem der WTO ist ein zentrales Element zur Gewährleistung von Sicherheit und Vorhersagbarkeit für das multilaterale Handelssystem. Die Mitglieder anerkennen, daß dies zur Erhaltung der Rechte und Pflichten der Mitglieder nach den erfaßten Abkommen und zur Klärung der bestehenden Bestimmungen jener Abkommen in Übereinstimmung mit den üblichen Auslegungsregeln des öffentlichen internationalen Rechts dient. Empfehlungen und Entschließungen des DSB können die in den erfaßten Abkommen vorgesehenen Rechte und Pflichten weder erweitern noch verringern.
  2. 3. Die sofortige Bereinigung von Situationen, in denen ein Mitglied vermeint, daß ihm Vorteile, die ihm unmittelbar oder mittelbar aus den erfaßten Abkommen erwachsen, durch Maßnahmen eines anderen Mitglieds beeinträchtigt werden, ist zum wirksamen Funktionieren der WTO und der Aufrechterhaltung eines richtigen Gleichgewichts zwischen den Rechten und Pflichten von Mitgliedern wesentlich.
  3. 4. Die vom DSB ausgesprochenen Empfehlungen und Entschließungen haben zum Ziele, eine zufriedenstellende Bereinigung der Angelegenheit in Übereinstimmung mit den Rechten und Pflichten gemäß dieser Vereinbarung und nach den erfaßten Abkommen herbeizuführen.
  4. 5. Alle Lösungen von Angelegenheiten, die formell nach den Bestimmungen für Konsultationen und Streitbeilegung der erfaßten Abkommen, einschließlich Schiedssprüche, geltend gemacht wurden, sind mit jenen Abkommen vereinbar und dürfen Vorteile, die einem Mitglied nach jenen Abkommen erwachsen, weder zunichtemachen noch beeinträchtigen, noch die Erreichung eines Zieles jener Abkommen behindern.
  5. 6. Einvernehmlich erzielte Lösungen in Angelegenheiten, die formell nach den Bestimmungen über Konsultationen und Streitbeilegung der erfaßten Abkommen geltend gemacht wurden, werden dem DSB und den betreffenden Räten und Komitees, wo jedes Mitglied jede sich darauf beziehende Angelegenheit vorbringen kann, notifiziert.
  6. 7. Vor Einbringung eines Falles hat das Mitglied selbst zu beurteilen, ob eine Aktion nach diesen Verfahren erfolgversprechend ist. Das Ziel der Streitbeilegungseinrichtung besteht darin, eine positive Lösung in einem Streitfall sicherzustellen. Eine für die Streitparteien beiderseits annehmbare Lösung, die auch mit den erfaßten Abkommen vereinbar ist, wird klarerweise vorgezogen. In Ermangelung einer beiderseits vereinbarten Lösung ist das erste Ziel der Streitbeilegungseinrichtung dahin gerichtet, üblicherweise die Zurücknahme der betreffenden Maßnahmen zu gewährleisten, wenn diese mit den Bestimmungen eines der erfaßten Abkommen als unvereinbar befunden wurden. Auf die Bestimmungen für einen Ausgleich soll nur dann Zuflucht genommen werden, wenn die unmittelbare Zurücknahme der Maßnahme untunlich ist und sich als vorübergehende Maßnahme bis zur Zurücknahme der Maßnahme, die mit einem erfaßten Abkommen unvereinbar ist, darstellt. Die letzte Zuflucht, die diese Vereinbarung Mitgliedern einräumt, die das Streitbeilegungsverfahren anrufen, besteht in der Möglichkeit der Aussetzung der Anwendung von Zugeständnissen oder anderer Verpflichtungen nach den erfaßten Abkommen auf diskriminierender Grundlage gegenüber dem anderen Mitglied, vorbehaltlich der Genehmigung solcher Maßnahmen durch das DSB.
  7. 8. In Fällen, in denen eine Verletzung von Verpflichtungen nach einem erfaßten Abkommen angenommen wird, wird diese Vorgangsweise zunächst als ein Fall von Zunichtemachung oder Beeinträchtigung angesehen. Das bedeutet, daß üblicherweise die Vermutung besteht, wonach eine Verletzung von Regeln eine schädliche Auswirkung auf andere Mitglieder jenes erfaßten Abkommens hat; in solchen Fällen obliegt es dem Mitglied, gegen das die Beschwerde erhoben wurde, die Beschuldigung zu entkräften.
  8. 9. Die Bestimmungen dieser Vereinbarung gelten unbeschadet der Rechte der Mitglieder, eine Auslegung von Bestimmungen eines erfaßten Abkommens durch Beschlußfassung nach dem WTO-Abkommen oder eines erfaßten Plurilateralen Handelsabkommens zu suchen.
  9. 10. Ersuchen um Streitschlichtung und die Inanspruchnahme des Streitbeilegungsverfahrens sollen nicht als streitbare Handlungen bestimmt sein oder angesehen werden; wenn sich Meinungsverschiedenheiten ergeben, werden sich alle Mitglieder im guten Glauben und mit dem Willen, die Meinungsverschiedenheiten zu bereinigen, mit diesen Verfahren beschäftigen. Es wird auch davon ausgegangen, daß Beschwerden und Gegenbeschwerden in verschiedenen Angelegenheiten nicht miteinander verknüpft werden sollen.
  10. 11. Diese Vereinbarung wird nur auf neue Ersuchen um Konsultationen nach den Konsultationsbestimmungen der erfaßten Abkommen angewendet, die ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des WTO-Abkommens gestellt werden. Auf Meinungsverschiedenheiten, für die das Ersuchen um Konsultationen gemäß dem GATT 1947 oder nach einem anderen Vorgängerabkommen zu den erfaßten Abkommen vor dem Inkraftsetzungszeitpunkt des WTO-Abkommens gestellt wurde, finden die einschlägigen Streitbeilegungsregeln und Streitbeilegungsverfahren weiter Anwendung *1), die unmittelbar vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vereinbarung wirksam gewesen sind.
  11. 12. Wenn eine auf eines der erfaßten Abkommen dieser Vereinbarung gestützte Beschwerde eines Entwicklungsland-Mitglieds gegen ein entwickeltes Mitgliedsland erhoben wird, hat die beschwerdeführende Partei unbeschadet des obigen Absatzes 11 das Recht, wahlweise die in den Artikeln 4, 5, 6 und 12 dieser Vereinbarung enthaltenen Bestimmungen, die entsprechenden Bestimmungen des Beschlusses der VERTRAGSPARTEIEN des GATT 1947 vom 5. April 1966 (BISD 14S/18) anzurufen, ausgenommen wenn der Untersuchungsausschuß erwägt, daß der im Absatz 7 vorgesehene Zeitrahmen dieses Beschlusses unzureichend ist, um seinen Bericht zu erstatten und im Einvernehmen mit der beschwerdeführenden Partei, den Zeitrahmen zu verlängern. Soweit ein Unterschied zwischen den Regeln und Verfahren der Artikel 4, 5, 6 und 12 und den entsprechenden Regeln und Verfahren des Beschlusses besteht, ist dem letzteren der Vorrang zu geben.

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*1) Dieser Absatz findet auch Anwendung auf Streitigkeiten, bei denen Berichte von Untersuchungsausschüssen nicht angenommen oder nicht zur Gänze durchgeführt wurden.

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