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Anlage1 GATT - Entwicklungsländer - differenzierte Regelungen

Aktuelle FassungIn Kraft seit 28.11.1979

(Übersetzung)

ERKLÄRUNG BETREFFEND HANDELSMASSNAHMEN ZUM SCHUTZ DER ZAHLUNGSBILANZ

Beschluß vom 28. November 1979

Anlage1

Die VERTRAGSPARTEIEN —

Unter Berücksichtigung der Artikel XII und XVIII Abschnitt B des Allgemeinen Abkommens 1),

Unter Hinweis auf die vom Rat am 28. April 1970 genehmigten Verfahren für Konsultationen über Beschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz (BISD, 18. Ergänzungsband, Seiten 48 bis 53 der englischen Fassung) und die vom Rat am 19. Dezember 1972 genehmigten Verfahren für regelmäßige Konsultationen mit den Entwicklungsländern über Beschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz (BISD, 20. Ergänzungsband, Seiten 47 bis 49 der englischen Fassung),

In der Überzeugung, dass Handelsbeschränkungen im allgemeinen ein unwirksames Mittel zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Zahlungsbilanzgleichgewichts sind,

Feststellend, daß andere Einfuhrbeschränkungen als mengenmäßige Beschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz in Anspruch genommen worden sind,

Bestätigend, daß Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz nicht zum Schutz einer bestimmten Industrie oder eines bestimmten Sektors getroffen werden sollten,

In der Überzeugung, daß die Vertragsparteien nach Kräften vermeiden sollten, daß Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz einen Anreiz für neue Investitionen, die ohne diese Maßnahmen wirtschaftlich nicht existenzfähig wären, bilden,

In der Erkenntnis, daß die weniger entwickelten Vertragsparteien bei der Anwendung von Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz ihre Entwicklungs-, Finanz- und Handelssituation in Betracht ziehen müssen,

In der Erkenntnis, daß Handelsmaßnahmen der entwickelten Länder weitreichende Folgen für die Wirtschaft der Entwicklungsländer haben können,

In der Erkenntnis, daß die entwickelten Vertragsparteien in größtmöglichem Ausmaß die Anwendung von Handelsbeschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz vermeiden sollten —

kommen wie folgt überein:

1. Die in den Artikeln XII und XVIII festgelegten Prüfungsverfahren werden auf alle Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz angewendet. Für die Anwendung von Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz gilt zusätzlich zu den in den Artikeln XII, XIII, XV und XVIII enthaltenen Bedingungen und unbeschadet anderer Bestimmungen des Allgemeinen Abkommens folgendes:

  1. a) Bei der Anwendung von Einfuhrbeschränkungen beachten die Vertragsparteien die im GATT vorgesehenen Verhaltensregeln und geben den Maßnahmen den Vorzug, die den Handel am wenigsten beeinträchtigen 2);
  2. b) die gleichzeitige Anwendung von mehr als einer Art von Handelsmaßnahmen für diesen Zweck sollte vermieden werden;
  3. c) wann immer durchführbar geben die Vertragsparteien einen Zeitplan für die Beseitigung der Maßnahmen bekannt.

    Die Bestimmungen dieses Absatzes bezwecken nicht, die wesentlichen Bestimmungen des Allgemeinen Abkommens zu ändern.

2. Sieht sich eine entwickelte Vertragspartei ungeachtet der Grundsätze dieser Erklärung gezwungen, Einfuhrbeschränkungen aus Zahlungsbilanzgründen anzuwenden, so berücksichtigt sie bei der Bestimmung der Auswirkungen ihrer Maßnahmen die Ausfuhrinteressen der weniger entwickelten Vertragsparteien und kann Erzeugnisse, an deren Ausfuhr diese Vertragsparteien interessiert sind, von ihren Maßnahmen ausnehmen.

3. Die Vertragsparteien notifizieren dem GATT innerhalb kürzester Frist die Einführung oder Verschärfung von Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz. Hat eine Vertragspartei Grund zur Annahme, daß eine von einer anderen Vertragspartei angewendete Einfuhrbeschränkung zum Schutz der Zahlungsbilanz eingeführt wurde, so kann sie diese Maßnahme dem GATT notifizieren oder das GATT-Sekretariat auffordern, Informationen über die Maßnahme einzuholen und diese, soweit angezeigt, allen Vertragsparteien zugänglich zu machen.

4. Über alle Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz finden im GATT-Komitee „Beschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz“ — im folgenden „das Komitee“ genannt — Konsultationen statt.

5. Alle Vertragsparteien, die dies wünschen, können dem Komitee angehören. Es sollte sichergestellt werden, daß die Zusammensetzung des Komitees nach Möglichkeit die Merkmale der Gesamtheit der Vertragsparteien hinsichtlich ihrer geographischen Lage, ihrer finanziellen Außenposition und ihres Wirtschaftsentwicklungsstandes widerspiegelt.

6. Das Komitee befolgt vorbehaltlich der nachstehenden Bestimmungen die vom Rat am 28. April 1970 genehmigten und in BISD, 18. Ergänzungsband, Seiten 48 bis 53 der englischen Fassung niedergelegten Verfahrensregeln für Konsultationen über Beschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz (im folgenden „ausführliche Konsultationsverfahren“ genannt) oder die vom Rat am 19. Dezember 1972 genehmigten und in BISD, 20. Ergänzungsband, Seiten 47 bis 49 der englischen Fassung niedergelegten Verfahrensregeln für regelmäßige Konsultationen mit Entwicklungsländern über Beschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz (im folgenden „vereinfachte Konsultationsverfahren“ genannt).

7. Das GATT-Sekretariat erarbeitet unter Heranziehung aller geeigneten Informationsquellen einschließlich derjenigen der zur Konsultation gerufenen Vertragspartei zwecks Erleichterung der Konsultationen im Komitee eine Sachverhaltsdarstellung, die die Handelsaspekte der getroffenen Maßnahmen einschließlich der für die weniger entwickelten Vertragsparteien besonders bedeutsamen Aspekte beschreibt. In dem Dokument können auch alle anderen vom Komitee zu bestimmenden Fragen behandelt werden. Das GATT-Sekretariat gibt der zur Konsultation gerufenen Vertragspartei Gelegenheit, sich zu dem Dokument zu äußern, bevor es dieses dem Komitee unterbreitet.

8. Bei Konsultationen im Rahmen von Artikel XVIII Abs. 12 lit. b) stützt das Komitee seine Entscheidung über die Art des einzuschlagenden Verfahrens unter anderem auf folgendes:

  1. a) die Zeitspanne, die seit den letzten ausführlichen Konsultationen verstrichen ist;
  2. b) die Schritte, die seitens der zur Konsultation gerufenen Vertragspartei auf Grund der Schlussfolgerungen vorhergegangener Konsultationen unternommen worden sind;
  3. c) die Veränderungen im Gesamtumfang oder in der Art der zum Schutz der Zahlungsbilanz getroffenen Handelsmaßnahmen;
  4. d) die Veränderungen in der Zahlungsbilanzsituation oder in den Zahlungsbilanzaussichten;
  5. e) die Frage, ob die Zahlungsbilanzprobleme struktureller oder vorübergehender Art sind.

9. Eine weniger entwickelte Vertragspartei kann jederzeit ausführliche Konsultationen beantragen.

10. Eine zur Konsultation gerufene weniger entwickelte Vertragspartei wird auf Antrag von den Dienststellen des GATT-Sekretariats für technische Hilfe bei der Vorbereitung der Unterlagen für die Konsultationen unterstützt.

11. Das Komitee berichtet dem Rat über seine Konsultationen. Die Berichte über ausführliche Konsultationen enthalten folgendes:

  1. a) die Schlußfolgerungen des Komitees sowie die Sachverhalte und Gründe, auf die sie sich stützen;
  2. b) die Schritte, die seitens der zur Konsultation gerufenen Vertragspartei auf Grund der Schlussfolgerungen vorhergegangener Konsultationen unternommen worden sind;
  3. c) im Falle weniger entwickelter Vertragsparteien die Sachverhalte und Gründe, auf die das Komitee seine Entscheidung über das einzuschlagende Verfahren gestützt hat, und
  4. d) im Falle von entwickelten Vertragsparteien die Frage, ob wirtschaftspolitische Alternativmaßnahmen möglich sind.

Stellt das Komitee fest, daß die Maßnahmen der zur Konsultation gerufenen Vertragspartei

  1. a) in wesentlichen Punkten mit von einer anderen Vertragspartei angewandten Handelsbeschränkungen zusammenhängen 3) oder
  2. b) erheblich nachteilige Folgen für die Ausfuhrinteressen einer weniger entwickelten Vertragspartei haben,

so berichtet es dem Rat, der die von ihm für notwendig erachteten zusätzlichen Maßnahmen ergreift.

12. Bei ausführlichen Konsultationen mit einer weniger entwickelten Vertragspartei schenkt das Komitee auf Wunsch der zur Konsultation gerufenen Vertragspartei den Möglichkeiten einer Entschärfung und Behebung des Zahlungsbilanzproblems durch Maßnahmen, die Vertragsparteien zur Erleichterung einer Steigerung der Ausfuhrerlöse der zur Konsultation gerufenen Vertragspartei gemäß Ziffer 3 der ausführlichen Konsultationsverfahren ergreifen könnten, besondere Aufmerksamkeit.

13. Stellt das Komitee fest, daß eine Einfuhrbeschränkung, die von einer zur Konsultation gerufenen Vertragspartei zum Schutz der Zahlungsbilanz getroffen worden ist, mit Artikel XII, Artikel XVIII Abschnitt B oder dieser Erklärung unvereinbar ist, so trifft es in seinem Bericht an den Rat Feststellungen, die diesem helfen, geeignete Empfehlungen im Hinblick auf die Anwendung der Artikel XII und XVIII Abschnitt B und dieser Erklärung auszusprechen. Der Rat überwacht alle Angelegenheiten, zu denen er Empfehlungen ausgesprochen hat.

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1) Kurzbezeichnung für Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT).

2) Es besteht Einverständnis darüber, daß die weniger entwickelten Vertragsparteien bei der Wahl der anzuwendenden jeweiligen Maßnahme ihre Entwicklungs-, Finanz- und Handelssituation in Betracht zu ziehen haben.

3) Es wird angemerkt, daß eine solche Feststellung im Falle in jüngster Zeit ergriffener Maßnahmen eher getroffen werden dürfte als im Falle von Maßnahmen, die seit längerer Zeit in Kraft sind.

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