Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die abgabenrechtliche Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs 2 zweiter Satz BAO zehn Jahre. Tatbestandsvoraussetzung für die Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre ist, dass eine Abgabenhinterziehung vorliegt. Das Vorliegen einer Abgabenhinterziehung und damit die Frage, ob eine Abgabe hinterzogen ist, ist, sofern noch keine rechtskräftige Verurteilung vorliegt, eine Vorfrage, welche die Abgabenbehörde (bzw das Bundesfinanzgericht) zu beurteilen hat. Fraglich ist jedoch bei jenen Fällen, in denen eine rechtskräftige Verurteilung hinsichtlich einer Abgabenhinterziehung nicht vorliegt, welches Beweismaß für die Beurteilung der hinterzogenen Abgabe anzuwenden ist. Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist dazu divergierend. In einigen Entscheidungen hat der VwGH ausgesprochen, dass die Abgabenbehörde die „strengeren“ Beweisregeln des Strafrechts (Unschuldsvermutung und Zweifelsgrundsatz) anzuwenden hat. Aus anderen Entscheidungen kann wiederum abgeleitet werden, dass für die abgabenrechtliche Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen wurden, ein anderes Beweismaß als im (Finanz)Strafrecht gelten würde. Der nachfolgende Beitrag wird diese uneinheitliche Rechtsprechung des VwGH analysieren und soll Aufschluss darüber gegeben, ob es gegebenenfalls Gründe für die Divergenz gibt oder im Ergebnis die Frage nach dem anzuwendenden Beweismaß doch eindeutig ist.