Die Geschichte der österreichischen Staatsbildung wurde lange Zeit von der Meistererzählung dominiert, dass sich das „Staatsgebiet“, ausgehend von einem als „Ostarrichi“ benannten Nukleus, über die Jahrhunderte sukzessive ausdehnte, um dann nach dem Ersten Weltkrieg plötzlich zur heutigen Republik zusammenzuschrumpfen (14). Dieses Narrativ, mit dem eine deutliche Unterbelichtung der Bedeutung der Länder und eine starke Betonung des Faktors Dynastie für die Staatsbildung einherging, wird im zu besprechenden Buch auf die in der Spätphase der Habsburgermonarchie erschienenen Lehrbücher des Faches „Österreichische Reichsgeschichte“ zurückgeführt, im Kern findet sich diese Erzählung aber auch schon in den seit ungefähr 1800 erschienenen deutschsprachigen Kompendien zur Geschichte der Österreichischen Monarchie. Mittlerweile hat sich seit mehreren Jahrzehnten eine wesentlich differenziertere Sichtweise durchgesetzt, wozu nicht zuletzt die einschlägigen Publikationen des Autors des vorliegenden Buches beitrugen. Wilhelm Brauneder, emeritierter Professor für Rechts- und Verfassungsgeschichte an der Universität Wien, hat sich, beeinflusst durch seinen akademischen Lehrer Friedrich Geyrhofer und durch Otto Brunners Forschungen über das Wesen des mittelalterlichen Landes, bereits seit den 1960er-Jahren mit dieser Thematik beschäftigt (9), im Jahr 1976 erschien sein mittlerweile in elfter Auflage erhältliches Lehrbuch „Österreichische Verfassungsgeschichte“. Der hier zu besprechende Band, der sich mit seinem knapp gehaltenen Anmerkungsapparat und seiner pointierten Darstellung eher an ein breiteres Publikum richtet, bietet im Wesentlichen in komprimierter Form die Ergebnisse langjähriger, bereits an anderer Stelle publizierter Forschungen. Erschienen ist er im wenig bekannten Karolinger Verlag, dessen Programm neben Nachdrucken von urheberrechtlich nicht mehr geschützten Werken vor allem historische, politische und ideengeschichtliche Literatur umfasst, wobei anzumerken ist, dass sich darunter auch Publikationen finden, die am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums zu verorten sind.