AVG: § 68 Abs 4 Z 1 (Nichtigerklärung eines Bescheides; Ermessensentscheidung; ausreichende Begründung; möglichste Schonung erworbener Rechte; Interessenabwägung)
VwGH 20. 3. 2012, 2012/21/0014
Nach der Rsp des VwGH (22. 10. 2001, 2001/19/0018 = ZfVB 2003/552) stellt eine Nichtigerklärung nach § 68 Abs 4 AVG eine Ermessensentscheidung dar, die auch ausreichend zu begründen ist. Es genügt somit nicht, eine auf diese Gesetzesstelle gestützte Nichtigerklärung allein mit der - im vorliegenden Fall unstrittigen - Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen (hier: der Z 1) zu begründen. Vielmehr gilt auch für die Nichtigerklärung nach § 68 Abs 4 AVG, dass die Beh - wie für die Fälle des Abs 3 im Gesetz ausdrücklich vorgesehen - "mit möglichster Schonung erworbener Rechte" vorzugehen hat. Der Grundsatz der möglichsten Schonung erworbener Rechte statuiert ein Gebot der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes in erworbene Rechte. So sind im Zuge der Ermessensübung die nachteiligen Wirkungen des B in Bezug auf das durch die verletzte Norm geschützte öff Interesse gegen jene Nachteile abzuwägen, welche die Aufhebung des B in Bezug auf die durch das (im Institut der Rechtskraft verkörperte) Prinzip der Rechtssicherheit geschützten Interessen des Dritten nach den konkret zu beurteilenden Umständen des Einzelfalles mit sich brächte (Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 106 zu § 68, mwN).