FPG: § 61 Z 4 (Aufenthaltsverbot; "von klein auf im Inland aufgewachsen"; "Heimataufenthalt" in der Kindheit)
VwGH 7. 4. 2011, 2008/22/0920
Für die Frage, welches Lebensalter der Wendung "von klein auf" in § 61 Z 4 FPG zu subsumieren ist, kommt es maßgeblich auf die Integration in das in Österr gegebene soziale Gefüge sowie auf die Kenntnis der deutschen Sprache an. Die Einübung in soziale Verhältnisse außerhalb des engen Familienkreises, wie sie für die vom Schutzzweck der hier relevanten Bestimmung geforderte Vertrautheit mit dem sozialen Gefüge eines Staates maßgeblich ist, beginnt aus dem Blickwinkel der Sozialisation des Kindes etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres, wobei jedoch die Abgrenzung zum vorangehenden Lebensabschnitt fließend ist. Die genannte altersmäßige Abgrenzung ist auch aus entwicklungspsychologischer Sicht von Bedeutung, wird doch die "Phase der ersten Verselbständigung" - das ist das Stadium, in dem Kinder auch familienfremde Erzieher akzeptieren, mit anderen Kindern Freundschaften anbahnen, Spiele spielen, sich im Gruppenleben integrieren und somit ihren Lebensbereich über ihre unmittelbare familiäre Sphäre hinaus ausdehnen können - mit etwa drei Jahren erreicht. Vor diesem Hintergrund ist die Wendung "von klein auf" so zu deuten, dass sie jedenfalls für eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österr eingereist ist, nicht zum Tragen kommen kann. Aber auch eine Person, die zwar vor Vollendung ihres vierten Lebensjahres nach Österr eingereist bzw in Österr geboren ist, sich jedoch danach wieder für längere Zeit ins Ausland begeben hat und somit nicht bereits im Kleinkindalter sozial in Österreich integriert wurde, wird man von dieser Regelung - weil eine solche Person nicht in Österr "aufgewachsen ist" - nicht als erfasst ansehen können (VwGH 25. 2. 2010, 2006/18/0363 = ZfVB 2010/1651). Im Falle von "Heimataufenthalten" des Fremden kommt es darauf an, ob diese in ihrer Gesamtheit dazu geführt haben, dass der Fremde mit diesem Land ähnlich wie ein ständig dort Lebender vertraut ist und es somit tatsächlich als seine Heimat angesehen werden kann. Dabei kommt es jedenfalls primär auf die Dauer dieser Aufenthalte (in Relation zum Lebensalter des Fremden) an; nicht unwesentlich ist aber auch, in welchen Lebensabschnitt diese Aufenthalte fallen (zur insoweit gleichartigen Rechtslage nach § 38 Abs 1 Z 4 FrG VwGH 21. 9. 2000, 2000/18/0136 = ZfVB 2002/482).