§ 57 FrG 1997 (Abschiebung; aktuelle Bedrohungssituation; Armenien; Mafia; staatlicher Schutz)
VwGH 24.05.2002, 98/18/0215
Die bel Beh hat zu erkennen gegeben, dass ihrer Ansicht nach in Armenien Ordnungskräfte vorhanden sind, von denen nicht gesagt werden könne, dass sie sich nicht bemühten, die staatl Ordnung zu erhalten, dass aber gleichzeitig in dem besagten Staat - auch in staatl Beh hinein - „mafiöse Strukturen“ existierten, die eine Bedrohung für den Bf geworden seien. Vor diesem Hintergrund hätte sich die bel Beh näher damit auseinandersetzen müssen, ob der Staat iZm der Verteilung von Hilfsgütern und Lebensmitteln tatsächl nicht in der Lage sei, Angriffe der besagten Art zu unterbinden. Dies vor dem Hintergrund, dass sich einem vom Bf im VerwVerf (auszugsweise) vorgelegten Bericht des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland über die asyl- und abschieberelevante Lage in Armenien („Stand 23. 08. 95“) entnehmen lässt, dass „gegebenenfalls ... Handlungen der ,Mafia‘ Verfolgungshandlungen gegen Privatpersonen darstellen“, „gegen die der Staat nichts unternimmt (unternehmen kann)“, und sich aus einem weiteren vom Bf vorgelegten Bericht einer Person, die bei der Prüfung der Versorgung eines Krankenhauses mit Nahrungsmitteln in dem besagten Staat anwesend war, ergibt, dass es dabei offenbar zu erhebl Unregelmäßigkeiten bei der Verteilung von Spenden aus dem Ausland komme, und die zuständige Gesundheitsdirektion dazu erklärt habe, dass „alles in bester Ordnung“ wäre, und diese Person ihre „Nase“ nicht in die Angelegenheiten der Gesundheitsdirektion „stecken“ solle. Für die Beurteilung, ob der in Rede stehende Staat zur Abwehr von Verfolgungshandlungen nicht in der Lage ist, kommt es nicht darauf an, dass in diesem Staat eine Staatsgewalt völlig fehlt, sondern darauf, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort für den Bf von dritter Seite trotz der von der bel Beh angenommenen Bemühungen der staatl Ordnungsmacht eine Gefährdung iSd § 57 Abs 1 FrG zu erwarten ist (VwGH 30.01.2001, 98/18/0372, mwH). Dass - wie die Beh annimmt - bei dem gegen den Sohn des Bf gerichteten Entführungsversuch vor einem Geschäft diesem dort anwesende Milizorgane zu Hilfe kamen, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, zumal ein solches Einschreiten schon am Tatort befindl Sicherheitsorgane nicht bedeutet, dass staatl Organe in der Lage waren, (von vornherein) Angriffe wie den Brandanschlag auf den Bf und seinen anderen Sohn (möglichst) zu unterbinden, bzw dass andere staatl Organe in die Tat nicht involviert gewesen seien, und im Übrigen dem Bf bei dem gegen ihn gerichteten Brandanschlag Milizorgane nicht zu Hilfe kamen.