Die Bedeutung des ordre public im Strafrecht wird zum einen in der Abgrenzung der staatlichen Tätigkeit nach außen hin insofern sichtbar, als insbesondere auch bei einer Zusammenarbeit mit Staaten, in denen von der österreichischen Rechtsordnung verschiedene Wertvorstellungen und Gepflogenheiten herrschen, die Grundprinzipien der eigenen Rechtsordnung zu beachten sind. Der so genannte "Allgemeine Vorbehalt" des § 2 ARHG bringt dies für das Auslieferungs- und Rechtshilferecht zum Ausdruck. Danach darf einem ausländischen Ersuchen nur entsprochen werden, wenn die öffentliche Ordnung oder andere wesentlichen Interessen der Republik Österreich nicht verletzt werden. Im Begriff der öffentlichen Ordnung werden somit die zentralen Prinzipien des österreichischen Rechtsstaats auf einen scheinbar einfachen Nenner gebracht.43) Eine Konkretisierung des ordre public erfolgt im ARHG selbst durch die in § 19 geregelten Tatbestände der Unzulässigkeit einer Auslieferung. Es handelt sich dabei um menschenrechtliche, rechtsstaatliche und asylrechtliche Aspekte. So ist eine Auslieferung an einen Staat ausgeschlossen, in dem Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Rahmen der Strafverfolgung eingesetzt wird oder zu besorgen ist, dass ein faires, den Anforderungen des Art 6 EMRK entsprechendes Strafverfahren nicht durchgeführt werden wird oder wurde.44) Die ordre public-Prüfung erschöpft sich nach herrschender Ansicht aber nicht in diesen ausdrücklich in § 19 ARHG genannten Gründen, sondern umfasst auch alle sonstigen Auslieferungshindernisse, die sich aus der EMRK und deren Zusatzprotokollen ergebenen können.45) Der rechtliche Maßstab ist bei der ordre public-Prüfung im Auslieferungs- und Rechtshilferecht freilich nicht das eigentliche Problem; im Vordergrund steht vielmehr die tatsächliche Frage, wie in einem anderen Land mit den Grundrechten umgegangen wird.46)