Einleitende Bemerkungen
Die bedeutende Rolle, die dem Grundrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht heute zukommt, ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass im EG-Vertrag bis auf einige Ausnahmen wie das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder das Recht auf gleiches Entgelt für Männer und Frauen keine Grundrechte ausdrücklich niedergelegt sind. Der gemeinschaftliche Grundrechtsacquis ist bis dato - jedenfalls so lange die im Jahre 2000 proklamierte Charta der Grundrechte nicht formell in Kraft getreten ist, die derzeit - neutral ausgedrückt - das Schicksal des Entwurfs für eine Europäische Verfassung teilt - , praktisch ausschließlich eine richterrechtliche Schöpfung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH). Dieser stellte erstmals im Jahre 1969 im Urteil Stauder1) fest, dass die Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze zum Bestand des Gemeinschaftsrechts gehören, zu dessen Wahrung der Gerichtshof gemäß Artikel 220 EG-Vertrag bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages berufen ist. Diese Entwicklung - welche mehr als zehn Jahre nach Inkrafttreten des EWG-Vertrages einsetzte - erfolgte weder ohne Anlass noch sozusagen im "luftleeren Raum".