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Möglichkeiten der Prozessleitung in Massenverfahren

WissenschaftGeorg E. Kodek*)*)Univ.-Doz. Dr. Georg E. Kodek, LL.M., Richter des OLG WienRZ 2005, 34 Heft 2 v. 1.2.2005

1. Einführung

In den letzten Jahren lässt sich auch in Österreich eine deutliche Zunahme von Großverfahren1)1)Auf eine Definition des Großverfahrens soll hier bewusst verzichtet werden. Für das Strafverfahren stellt Sittenthaler, in BJM, Global Business und Justiz, Richterwoche 2000, 109, darauf ab, ob das Verfahren besondere Maßnahmen der Justizverwaltung, insb die Freistellung von Richtern, erfordert. Auf das vom EGMR im Zusammenhang mit der Verfahrensdauer entwickelte Kriterium der "complexity of the case" abstellend Gitschthaler, Arbeitsgruppe "Zivilgerichtliches Verfahren", in BMJ, Global Business und Justiz 131, der eine "checklist" von Indizien entwickelt, die von der Anzahl der Beteiligten, dem Umfang des Beweisverfahrens, der Anhängigkeit mehrerer Parallelverfahren, Auslandsbezug und der Komplexität der Rechtslage reichen. beobachten2)2)Die Behandlung von Massenschäden im Zivilprozess wird von der Lehre erst in jüngerer Zeit diskutiert. Vgl etwa Rechberger, aaO; ders, Neue Herausforderungen an das Prozessrecht: Die Bewältigung von Kumul- und Großschäden, FS Beys (2003) II 1309; ders, Verbandsklagen, Musterprozesse und "Sammelklagen" - Möglichkeiten kollektiven Rechtsschutzes im österreichischen Zivilprozess, FS Welser (2004) 781; Kodek, Zivilprozessuale Probleme bei Großverfahren, ecolex 2005, 31; zu den Anforderungen an die Prozessleitung und Justizverwaltung vgl den von Gitschthaler auf der Richterwoche 2000 gehaltenen Vortrag zur Bewältigung von Großverfahren im Zivilprozess (Gitschthaler, Arbeitsgruppe "Zivilgerichtliches Verfahren", in BMJ, Global Business und Justiz [2000] 131).. Dies steht in Einklang mit einer auch in anderen Ländern zu beobachtenden Entwicklung. Es ist kein Zufall, dass die Problematik der Großverfahren zuerst im Bereich des Strafverfahrens thematisiert wurde3)3)Dazu Sittenthaler, Zur Abwicklung von Großverfahren, in BMJ, Global Business und Justiz, Richterwoche 2000, 109.. Während dort als Kriterien die hohe Qualität der Tatausführung, der zumeist überregionale Tatzusammenhang und die Verwandtschaft mit den zur Bestimmung der organisierten Kriminalität angelegten Kriterien betont wurden4)4)Sittenthaler in BMJ, Global Business und Justiz 109., wirft im zivilprozessualen Bereich vor allem die hohe Zahl von Anspruchsberechtigten5)5)Sittenthaler aaO. Auch Gitschthaler aaO 131 bezeichnet die Anzahl der Beteiligten als "naheliegendstes" - wenn auch nicht ausschließliches Kriterium. Probleme auf. Als mögliche Anwendungsfälle wurden in der Literatur schon frühzeitig Bauverfahren oder riesige Schadensereignisse hervorgehoben6)6)Sittenthaler, aaO.. Durch die Katastrophe von Kaprun gewannen diese Überlegungen traurige Realität. Hinzukommen in neuerer Zeit auch Schadenersatzprozesse geschädigter Anleger. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung bildet die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit dem WEB-Skandal durch über 3.000 Kläger vor dem LG Salzburg7)7)Dabei handelt es sich nicht um ein einzelnes Verfahren, sondern mehrere Klagen mit jeweils mehreren Streitgenossen und sieben "Sammelklagen" des VKI, die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden..

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