VfGH, 06.06.2005, B 76/04
BVergG 2002 § 100 Abs 4
Bei sonstiger Nichtigkeit ist es dem Auftraggeber binnen einer „Stillhaltefrist“ (im vorliegenden Fall des nicht offenen Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung: eine Woche) nach Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung untersagt, den Zuschlag zu erteilen. Der Zweck der Bestimmung liegt ganz offenkundig darin, dass dem Bieter die Möglichkeit eröffnet sein soll, die Zuschlagsentscheidung rechtzeitig, also vor Zuschlagserteilung, einer Überprüfung und allfälligen Nichtigerklärung durch den UVS zuzuführen. Um beurteilen zu können, ob der Auftraggeber die Zuschlagsentscheidung rechtens getroffen hat und ihre Bekämpfung aussichtsreich erscheint, kann ein übergangener Bieter auf entsprechende Auskunft durch den Auftraggeber angewiesen sein. Der VfGH erachtet deshalb auch vor dem Hintergrund der in diesem Punkt klaren Gemeinschaftsrechtslage (vgl EuGH 28.10.1999, Rs. C-81/98 , Alcatel Austria AG, Slg 1999, I-07671) eine Auslegung des § 100 BVergG als zwingend, wonach dem Bieter nach Auskunftserteilung (über rechtzeitiges Begehren) jedenfalls noch drei Tage Stillhaltefrist offen stehen müssen. Eine verspätete Auskunftserteilung durch den Auftraggeber muss also zu einer entsprechenden Verlängerung der Stillhaltefrist führen. Ein Verständnis, wonach eine Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Erteilung der Auskunft für die Wirksamkeit der Zuschlagserteilung „unbeachtlich“ sein soll, verkennt den offenkundigen Sinn und Zweck der Bestimmung, weil es diesfalls der Auftraggeber in der Hand hätte, ein Nachprüfungsverfahren zu vereiteln oder ins Leere laufen zu lassen.