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Zertifikate statt Aktien: Das Aliud als Ausweg?

WirtschaftsrechtUniv.-Prof. Dr. Martin SchauerRdW 2011/8RdW 2011, 3 Heft 1 v. 21.1.2011

Die österreichischen Gerichte sind mit einer großen Zahl von Verfahren als Folge der verschiedenen "Affären" der letzten Jahre im Zusammenhang mit Kapitalanlagen befasst. Die dabei auftretenden Rechtsprobleme haben freilich in aller Regel mit Kapitalmarktrecht wenig zu tun. Sie führen unmittelbar in Grundfragen des Vertragsrechts und der Rechtsgeschäftslehre hinein. Im Vordergrund stand bisher die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anleger den Vertrag über den Erwerb der Kapitalanlage wegen eines Willensmangels anfechten kann;11Vgl jüngst 8 Ob 25/10z, ecolex 2010/380 (Wilhelm) = JusGuide 2010/45/8092 = Zak 2010/646 und 4 Ob 65/10b, ecolex 2010/350 (Wilhelm) = JusGuide 2010/42/8021; vgl auch etwa P. Bydlinski, Die Irrtumsanfechtung von Spekulations- und Vermögensanlagefragen, ÖBA 2010, 646; Graf, Zur Schadenersatzhaftung des schuldhaft Irrenden, ecolex 2010, 1131; Riedler, Geschäftsirrtum, Irrtumsveranlassung und Gehilfenzurechnung beim Wertpapierkauf, ÖJZ 2010/89, 841; Vonkilch, Rechtsfragen der Irrtumsanfechtung von Wertpapierkäufen, ÖJZ 2010/64, 579; Vonkilch, Irrtumsrechtliche Gehilfenzurechnung beim arbeitsteiligen Vertrieb von Wertpapieren, RdW 2010/350, 324; Leupold/Ramharter, Zum Verhältnis von irrtumsrechtlicher und schadenersatzrechtlicher Rückabwicklung bei Aufklärungspflichtverletzung, ÖJZ 2010/85, 807; Krejci, Zur Anfechtung von Wertpapierkäufen wegen irreführender Werbung und Beratung, ÖJZ 2010, 58; Wilhelm, Ein schwarzer Tag für den Kapitalmarkt (Anmerkungen zu 4 Ob 65/10b), ecolex 2010, 921; ders, Irreführende Werbung und ihre rechtsgeschäftlichen und Haftungsfolgen, ecolex 2009, 929 (929 ff). ferner die schadenersatzrechtliche Haftung22Allgemein zu den Haftungsvoraussetzungen und zum Umfang des Schadens etwa Kalss, Anlagestimmung - ein Instrument des österreichischen Kapitalmarktrechts? GesRZ 2010, 245; Schobel, Anlagestimmung und Kausalitätsbeweis, FS Koziol (2010) 1111; Gruber/Zahradnik, Zum Kausalitätsbeweis bei der Prospekthaftung, RdW 2010/640, 619; Schobel/Parzmayr, Anlegerschaden und Schadensberechnung, ÖBA 2010, 165; Leupold/Ramharter, Anlegerschaden und Kausalitätsgegenbeweis bei risikoträchtiger hypothetischer Alternativanlage, ÖBA 2010, 718; Wilhelm, Zur Haftungsbegründung und Haftungsausfüllung beim Anlegerschaden, ecolex 2010, 232; Ramharter, Aktuelle Fragen der Anlageberatungshaftung, Zak 2009/654, 403; Schmidt, Reine Kreditgeberrolle? Typische Risiken der Kreditinstitute bei der Finanzierung von "steueroptimierten" Vermögensveranlagungen, ÖBA 2009, 716 (718 ff); Gruber, Rechtsfolgen der Verletzung von Wohlverhaltenspflichten im WAG 2007, ecolex 2008, 7; Heindl, Kapitalmarkt, Anlegerschutz und Haftungsfragen, ecolex 2007, 427; zur Verjährung Graf, Schadenersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung: Zum Beginn der subjektiven Verjährungsfrist, ZFR 2010/32; Kletecka/Holzinger, Die Verjährung von Schadenersatzansprüchen aus fehlerhafter Anlageberatung, ÖJZ 2009/69, 629; Bydlinski, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung: Schaden und Schadenersatz, ÖBA 2008, 159 (171 ff). des Veräußerers33 Baum, Pflichten und Haftung im arbeitsteiligen Vertrieb von Finanzprodukten, ÖBA 2010, 278; Eckert, Emittentenhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation und aktienrechtliche Kapitalerhaltung, GesRZ 2010, 88; Heindl, ecolex 2007, 427 (429); Knobl/Grafenhofer, Haftung einer Bank für allfälliges Fehlverhalten von externen Anlageberatern oder Vermittlern, GesRZ 2010, 27; Wilhelm, ecolex 2010, 232 (234); ders, ecolex 2009, 932 ff. und des Anlageberaters44Vgl etwa Wendehorst, Anlageberatung, Risikoaufklärung und Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖBA 2010, 562; Baum, ÖBA 2010, 278 ff; Wilhelm, ecolex 2010, 232 (232 f); P. Bydlinski, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung: Schaden und Schadenersatz, ÖBA 2008, 159; Walzel, Ausgewählte Aspekte der Haftung des Anlageberaters, SWK 2008 W 179; Heindl, ecolex 2007, 427 (428). sowie die Gewährleistung55Dazu Welser, Zur Gewährleistung beim Erwerb von Wertpapieren, FS Reischauer (2010) 443.. In einer Fallgruppe, in der eine Bank eine bestimmte Kapitalanlage als Aktien beworben, tatsächlich aber die Aktien vertretende Zertifikate geliefert hatte, wurde kürzlich ein neuer Topos in die Diskussion eingeführt. Wilhelm erwähnte jüngst im ecolex-Editorial, er "getrau[e] sich im Moment nicht endgültig zu entscheiden, ob Z. [sc: das Zertifikat, Anm] nicht überhaupt ein aliud sei".66 Wilhelm, M.-Bank und kein Ende, ecolex 2010, 1017 (1017). Als weniger zurückhaltend zeigte sich das HG Wien in einer aktuellen Entscheidung77HG Wien, 18. 10. 2010, 48 CG 107/10k. Ausdrücklich gegen die Annahme eines Aliud jedoch das LGZRS Graz, 22. 11. 2010, sowie - bei etwas abweichendem Sachverhalt - auch OLG Wien, 18. 10. 2010, 5 R 106/10k., in der es dezidiert aussprach, dass die Zertifikate ein Aliud zur Aktie darstellen. Die Folgen dieser Ansicht sind weitreichend: Handelt es sich bei den Zertifikaten tatsächlich um eine Andersleistung, so könnte die sich hieraus ergebende Leistungsstörung - Verzug oder Unmöglichkeit - von den Käufern der Papiere womöglich ohne besondere (Verjährungs-)Frist geltend gemacht werden.88Hierauf weist auch Wilhelm hin (ecolex 2010, 1017). Im vorliegenden Beitrag99Der vorliegende Beitrag beruht auf einem für die beklagte Bank erstatteten Rechtsgutachten. Das Urteil des HG Wien (FN 6) wurde dem Verfasser zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt. soll untersucht werden, ob der Ansicht des HG Wien zu folgen ist.

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