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Der Anwendungsbereich des Bundesvergabegesetzes im Wandel1)1)Mein Dank gilt Univ.-Prof. Dr. Michael Holoubek, Dr. Claudia Fuchs, LL.M. sowie Mag. Lukas Diem für wertvolle Diskussionen und hilfreiche Anregungen.

BeiträgeThomas ZinielÖZW 2020, 165 Heft 4 v. 15.9.2020

I. Einleitung

Für einen Großteil "vergabenaher" Fälle lässt sich heutzutage recht leicht ermitteln, ob der Anwendungsbereich des BVergG2)2)Sofern im Folgenden keine bestimmte Fassung des BVergG angegeben ist, wird als solches allgemein auf das Bundesvergabegesetz als gesetzliche Regelung der Vergabe von Aufträgen in Österreich Bezug genommen. eröffnet ist, also ob ein einzelner Rechtsträger als öffentlicher Auftraggeber und ein bestimmtes Vorhaben als öffentlicher Auftrag zu qualifizieren sind. In den Randbereichen bleiben die Abgrenzungen, wie die stetig an die Vergabekontrolleinrichtungen herangetragenen Vorgänge zeigen, jedoch überraschend unscharf.3)3)IdS auch Beyeler, Der Geltungsanspruch des Vergaberechts (2012) 1 f. Dies betrifft insbesondere die Ausnahmen vom Anwendungsbereich des BVergG 2018, wobei Fragen in Zusammenhang mit der öffentlichenöffentlichen Zusammenarbeit im Vordergrund stehen (siehe noch Pkt III.B.2.). Unterschiedliche Fragestellungen aus jüngerer Zeit zum persönlichen (zB: Sind Kammern öffentliche Auftraggeber?4)4)Die Diskussion neu anstoßend EuGH 12. 09. 2013, C-526/11 , IVD; dazu Helmreich, Die vergaberechtliche Relevanz gesellschaftsrechtlicher Veränderungen auf Bieter- und Auftragnehmerseite, RPA 2013, 319 (Teil 1; 325 ff). Ist es der ORF?5)5)Siehe (schließlich) VwGH 23. 11. 2016, Ra 2016/04/0021; zuvor Casati, ORF kein öffentlicher Auftraggeber, RPA 2014, 119 (119 ff); Korinek, Rechtsfragen der Anwendungsbereiche der Vergabegesetze, in: Rill/Griller (Hrsg), Grundfragen der öffentlichen Auftragsvergabe (2000) 7 (26).) und zum sachlichen (zB: Wie umfassend ist die öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit ausgenommen?6)6)MwN Pkt III.B.2. Wann sind nachträgliche Vertragsänderungen ohne neues Verfahren zulässig?7)7)Nunmehr § 365 BVergG 2018; aus jüngerer Zeit EuGH 07. 09. 2016, C-549/14 , Finn Frogne; anschließend VwGH 15. 03. 2017, Ra 2016/04/0064; grundlegend EuGH 19. 06. 2008, C-454/06 , pressetext Nachrichtenagentur; weiters EuGH 29. 04. 2010, C-160/2008 , Kommission/Deutschland; 13. 04. 2010, C-91/08 , Wall. Siehe auch Helmreich (FN 4) 319 ff; Schramm/Feuchtmüller, Vertragsänderungen und Vergaberecht, in: Schramm/Aicher (Hrsg), Vergaberecht und PPP VI (2010) 337 (337 ff); Fett, Die Verlängerung und Veränderung bestehender Verträge – immer ausschreibungsrelevant?, in: FS Marx (2013) 103 (103 ff). Welche Bestimmungen gelten für Konzessionsvergaben?8)8)Vgl nur EuGH 07. 12. 2000, C-324/98 , Telaustria und Telefonadress; 10. 09. 2009, C-206/08 , Eurawasser. Zum Konzessionsbegriff in der Rechtsordnung, Zirm, Der selbständige Apotheker und seine Konzession (2018) 3 ff, 16; Pöschl, Die Konzession, in: Fuchs ea (Hrsg), Staatliche Aufgaben, Private Akteure, Bd 2: Konzepte zur Ordnung der Vielfalt (2017) 1 (1 ff, 21 f).) Anwendungsbereich belegen eindrucksvoll die Komplexität der mit ihnen aufgeworfenen Rechtsfragen. Der Titel des Generalthemas – "25 Jahre Bundesvergabegesetz" – mag dabei zunächst auf den zwar rechtlich, aber nicht spezifisch vergaberechtlich versierten Leser trügerisch wirken. Wer einen Rückblick auf eine stetige Entwicklung des Anwendungsbereiches eines Bundesvergabegesetzes nach einem Vierteljahrhundert erwartet, wird enttäuscht. Denn ein erster Blick in die vergangenen 25 Jahre erlaubt es nicht, von Kontinuität oder gar "dem" BVergG zu sprechen. Das am 20. August 2018 kundgemachte BVergG 20189)9)Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018, BGBl I 65/2018. stellt nach den Fassungen 1993,10)10)Bundesvergabegesetz – BVergG, BGBl 462/1993. 1997,11)11)Bundesvergabegesetz 1997 – BVergG, BGBl I 56/1997 (WV). 200212)12)Bundesvergabegesetz 2002 – BVergG, BGBl I 99/2002. und 200613)13)Bundesvergabegesetz 2006 – BVergG 2006, BGBl I 17/2006. die fünfte Generation außenverbindlicher vergabegesetzlicher Reglungen dar. Zu ihm hinzu treten mit dem BVergGVS 201214)14)Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 – BVergGVS 2012, BGBl I 10/2012. ein Gesetz zur Auftragsvergabe im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich sowie mit dem BVergGKonz 201815)15)Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 – BVergGKonz 2018, BGBl I 65/2018. eines zur Regelung der Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionen. Bedenkt man weiters, dass neben dem offensichtlich novellierungsfreudigen Gesetzgeber des BVergG viele weitere Akteure, einschließlich des europäischen Gesetzgebers, des Verfassungsgesetzgebers sowie der nationalen Höchstgerichte und des EuGH,16)16)Siehe allein die Nachweise in diesem Beitrag. kontinuierlich für größere Verwerfungen im Anwendungsbereich vergaberechtlicher Regelungen sorgen, verblüfft es eigentlich, dass dennoch relative Klarheit herrscht.

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