Der österreichische Gesetzgeber hat im Rahmen der Umsetzung der ECN+ Richtlinie in § 2 Abs 1 KartG eine – über den Umfang der von der Richtlinie geforderten Maßnahmen hinausgehende – explizite Ausnahme für „nachhaltige“ Vereinbarungen vom Kartellverbot verankert. Die Gesetzesänderung ist insoweit nicht unumstritten, als die ausdrückliche Klarstellung der Einbeziehung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten im Rahmen der Freistellungsprüfung (gemäß § 2 Abs 1 KartG) vom Kartellverbot (gemäß § 1 KartG als Pendant zum unionsrechtlichen Art 101 Abs 1 AEUV) und insbesondere deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht Fragen aufwirft. Dies zum einen im Lichte der VO (EG) Nr 1/2003 sowie insbesondere deren Konvergenzregel (vgl Art 3 Abs 2), welche das parallele Bestehen und damit auch Regelungen über die parallele Anwendbarkeit von nationalem und unionsrechtlichem Kartellrecht enthält. Außerdem ist die Vereinbarkeit der neuen nationalen Regelung mit ihrem unionsrechtlichen Gegenstück, i.e. Art 101 Abs 3 AEUV, aufgrund der Harmonisierungsbestrebungen vorgenannter Verordnung nicht eindeutig. Der österreichische Gesetzgeber ist mit seinem Versuch und dem Streben nach einer Lösung für nationale Nachhaltigkeitsvereinbarungen innerhalb des durch die Union vorgegebenen wettbewerbsrechtlichen Rahmens im Kreis der Mitgliedstaaten keineswegs allein. Die österreichische Bestimmung könnte insgesamt daher eine Vorreiterregelung zum und im nachhaltigen, europäischen Wettbewerbsrecht darstellen. Gegenständlicher Artikel widmet sich dieser Thematik und beleuchtet die Frage, ob die Nachhaltigkeitsausnahme des § 2 Abs 1 KartG mit den kartellrechtlichen Bestimmungen des EU Primär- und Sekundärrechts vereinbar ist. Nur dann kommt die österreichische Regelung nämlich als Vorreiter in der Entwicklung eines europäischen, nachhaltigen Wettbewerbsrechts überhaupt in Frage.