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Grundsätze und Meinungsstand nach der Europäischen Rechtsprechung zum Leveraging

AbhandlungenIsabelle PellechÖZK 2011, 105 Heft 3 v. 15.6.2011

I. Allgemeines

Unter Leveraging versteht man den Einsatz einer Hebelwirkung durch ein marktbeherrschendes Unternehmen, mit dem dieses seine bestehende marktbeherrschende Stellung auf einem Markt ausnützt, um selbige auf einen anderen Markt auszudehnen.1)1)Vgl § 35 Abs 5 TKG 2005. Zur Entfaltung einer Hebelwirkung kommen unterschiedliche Verhaltensweisen in Frage wie insb Koppelungen, Lieferverweigerungen und Preisunterbietungen.2)2)Vgl Lestari, Die Leverage-Theorie zu Koppelungsgeschäften im Rahmen des Art 82 EG-Vertrag, Dissertation an der Eberhards-Karl-Universität Tübigen, Einleitung. In der europäischen Rechtsprechung kommt dem Leverage-Effekt vor allem in Zusammenhang mit der Koppelung von Produkten und der Frage des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach Art 102 AEUV (ex-Art 82 EG) Bedeutung zu. Die Europäische Rechtsprechung bejaht, dass ein Marktmachtmissbrauch auch im Wege des Einsatzes einer Hebelwirkungen erfolgen kann.3)3)EuG 6.10.1994, T-83/91 , Slg 1994, II-755, Tetra Pak II; EuGH 14.11.1996, C-333/94P , Slg 1996, - Tetra Pak II. Aus den Leitsätzen der Tetra Pak II-Entscheidung ergibt sich: "Daher kann das Verhalten eines solchen Unternehmens selbst dann unter Artikel 86 fallen und nach dieser Vorschrift geahndet werden, wenn es auf einem von dem beherrschten Markt verschiedenen Markt stattfindet, sofern die engen Verbindungen zwischen diesem Markt und dem beherrschten Markt und die führende Stellung dieses Unternehmens auf ersterem ihm dort eine Unabhängigkeit des Verhaltens gegenüber den dort präsenten anderen Wirtschaftsteilnehmern gestatten, aufgrund deren es auch dort, ohne daß es eine beherrschende Stellung innehaben müsste, eine besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs hat." Die bisherige Rechtsprechung zur Koppelung von Produkten und dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung erlaubte es marktbeherrschenden Unternehmen kaum, den Vorwurf einer wettbewerbswidrigen Koppelung aus ökonomischen Gründen zu entkräften.4)4)EK 22.12.1987, ABl 1988 Nr L 65/19; EuG 12.12.1991, Rs T-30/89 , Slg 1991, II-1439 - Hilti; EK 24.7.1991, ABl 1992 Nr L 72/1; EuG 6.10.1994, Rs T-83/91 - Tetra Pak II; EuGH 14.11. 1996, Rs C-333/94P - Tetra Pak II. Siehe hierzu auch die unter Punkt III dargelegte Rechtsprechung in Sachen Microsoft. Siehe hierzu auch Lestari, Die Leverage-Theorie zu Koppelungsgeschäften im Rahmen des Art 82 EG-Vertrag, Dissertation an der Eberhards-Karl-Universität Tübigen, S 66 und 80 ff sowie zur US-amerikanischen Entwicklung der Leveragetheorie, S 30 ff.,5)5)Der dt BGH hatte ausgesprochen, dass eine Koppelung verboten sei, wenn von Koppelungsangeboten eine Sogwirkung ausgeht und Kunden für Wettbewerber auf dem gekoppelten Markt verloren gehen. Der BGH ging auf Vorteile für Verbraucher nicht ein. BGH 30.3.2004, KRZ 1/03 - Der Oberhammer; vgl auch dt Bundeskartellamt, Wettbewerbsschutz und Verbraucherinteressen im Lichte neuerer ökonomischer Methoden, 27.9.2004, S 23 f. Koppelungen führen aber nicht zwangsläufig zu Wettbewerbsbeschränkungen, sondern können den Wettbewerb auch fördern, so etwa durch Effizienzvorteile. Darüber hinaus ist die Frage des Leveraging auch bei der Zusammenschlusskontrolle von Bedeutung.

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