Muttergesellschaften haften nach den vom Europäischen Gerichtshof im Akzo-Urteil (C-97/08 P) aus dem Jahr 2009 bestätigten strengen Grundsätzen regelmäßig für die von ihren 100%igen Tochtergesellschaften begangenen Kartellverstöße, und zwar unabhängig davon, ob sie an den Kartellverstößen selbst mitgewirkt haben, Kenntnis davon hatten oder diese hätten erkennen und/oder verhindern können. Begründet wird dies damit, dass Mutter und Tochter eine wirtschaftliche Einheit und damit ein einheitliches Unternehmen iSd Art 101 AEUV bilden. Die Ausdehnung der Haftung auf die Muttergesellschaften über den unbestimmten Rechtsbegriff des Unternehmens begegnet durchaus rechtsstaatlichen Bedenken. Das Gericht der Europäischen Union hat nun in einem Urteil vom 27.10.2010 in der Rechtssache T-24/05 Alliance One International ua / Kommission das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen bei einer Muttergesellschaft einmal verneint und die zugrunde liegende Bußgeldentscheidung der Kommission teilweise für nichtig erklärt. Der vorliegende Beitrag untersucht die Prüfungsmaßstäbe des Gerichts, erörtert die Auswirkungen des Urteils auf die zukünftige Kommissionspraxis und geht auch auf die Rechtslage in Österreich ein.