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Aussetzung der Einhebung auch im Rahmen des vorrangigen Gemeinschaftsrechtes

Aktuelle VwGH-JudikaturÖStZ 1996, 570 Heft 23 v. 1.12.1996

BAO: § 212a

Die Einhebung der Überschussbestandsabgabe auf Reis stellt einen Fall des innerstaatlichen Vollzugs des EG-Abgabenrechts dar. Die Modalitäten der Einhebung richten sich dabei nach nationalem Recht, soweit keine gemeinschaftsrechtliche Regelung besteht. Nach der Judikatur des EuGH ist es nicht ausgeschlossen, dass auch innerstaatliche Vorschriften über die Nachsicht und Erstattung von Abgaben aus Billigkeitsgründen zur Anwendung kommen. Dies gilt auch für die vorläufige Aussetzung der Vollziehung eines auf einer EG-Verordnung beruhenden Abgabenbescheides. Dabei ist nicht entscheidend, dass der EuGH die genannten Grundsätze bisher nur im Zusammenhang mit Vorlageanträgen von Gerichten gemäß Art 177 EGV entwickelt hat: Zum einen ist damit nicht zwingend ein Umkehrschluss dahingehend verbunden, dass nicht vorlageberechtigte Behörden keinen provisorischen Rechtsschutz gewähren dürften - was immerhin einen gravierenden Wertungswiderspruch und eine bedeutende Einbuße an Effizienz des Rechtsschutzes bedeuten würde - , wenn sie der nachprüfenden, ihrerseits vorlagepflichtigen gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Zum anderen dient der Hinweis auf die Judikatur zum provisorischen Rechtsschutz nur als unterstützendes Argument dafür, dass bei der Anwendung des Grundsatzes, dass bei der Einhebung gemeinschaftsrechtlich geregelter Abgaben nach dem nationalen Recht vorzugehen ist, kein Grund besteht, Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes, die in diesem nationalen Recht vorgesehen sind, anzunehmen. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH seine Judikatur zum provisorischen Rechtsschutz gerade in Fortentwicklung des Gedankens zum Vorrang des Gemeinschaftsrechtes entwickelt hat und die Verpflichtung der nationalen Gerichte zu seiner Gewährung auch dort annimmt, wo dafür gar keine innerstaatliche ausdrückliche Rechtsgrundlage vorhanden ist. Der Gerichtshof verkennt nicht, dass die Gewährung provisorischen Rechtsschutzes mit Gemeinschaftsrecht in Konflikt geraten kann, wenn durch die Einräumung etwa der aufschiebenden Wirkung der Effekt einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung unterlaufen würde, oder Interessen der Gemeinschaft nicht angemessen berücksichtigt würden. (Eine derartige Konstellation vermochte der VwGH jedoch im Beschwerdefall, nämlich der Einhebung einer auf einer EU-Verordnung basierenden Abgabe, hinsichtlich der ein Aussetzungsantrag gestellt wurde, nicht zu erblicken.)

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