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Drohende Folter als Auslieferungshindernis

Evidenzblatt-LeitsätzeJudikaturEckart RatzÖJZ 2022/182ÖJZ 2022, 1233 - 1234 Heft 23 und 24 v. 2.12.2022

Eine Auslieferung kann für den Aufenthaltsstaat eine Konventionsverletzung bedeuten, wenn ein konkretes Risiko besteht, dass der Betroffene im Empfangsstaat einer Strafe oder Behandlung ausgesetzt wird, welche die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung erreicht und demnach mit Art 3 MRK unvereinbar ist. Dabei hat der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, ernsthaften (gewichtigen) Gefahr einer Art 3 MRK nicht entsprechenden Behandlung schlüssig nachzuweisen, wobei der Nachweis hinreichend konkret sein muss. Die bloße Möglichkeit drohender Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung reicht nicht aus. Vielmehr muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein reales, anhand stichhaltiger Gründe belegbares Risiko bestehen, der Betroffene werde im Empfangsstaat der tatsächlichen Gefahr einer Art 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt. Bei der Prüfung des den Betroffenen konkret treffenden Risikos einer Art 3 MRK widersprechenden Behandlung im ersuchenden Staat ist dessen Zugehörigkeit zu einer besonders vulnerablen Gruppe beachtlich, soweit sich aus dieser Zugehörigkeit (vor allem durch objektive Quellen zu dokumentierende) hinreichend bestimmte Anhaltspunkte für eine zu erwartende Konventionsverletzung ergeben. Im Übrigen ist der Nachweis stichhaltiger Gründe für die Annahme einer individuellen Gefahr aber bloß in extremen Ausnahmefällen (ständige Praxis umfassender und systematischer Menschenrechtsverletzungen im Zielstaat) verzichtbar. Geht die behauptete Gefahr nicht von staatlicher Seite aus, so muss neben der Unmittelbarkeit der Bedrohung auch nachgewiesen werden, dass die staatlichen Autoritäten nicht in der Lage sind, vor einer von Seiten Privater ausgehenden konkreten Gefahr zu schützen, oder dass sie ihre diesbzgl bestehende Schutzpflicht nicht ausreichend wahrnehmen.

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