1. Einleitende Überlegungen
1988 wurde der Verein Österreichischer Juristinnen (VÖJ) mit dem Ziel gegründet, „in einer männerdominierten Berufswelt Möglichkeiten zu schaffen, sich als Juristin beruflich zu positionieren, sowie das Recht durch die „Gender-Brille“ kritisch zu beleuchten“, so das Leitbild. Der VÖJ will dadurch ein Gegengewicht zur nach wie vor von patriarchalen Werten und Bedürfnissen geprägten Rechtswissenschaft, Rechtssetzung und Rechtsanwendung sowie zu den existierenden starken männlichen Netzwerken bilden.2 Als derzeitiges Vorstandsmitglied des VÖJ möchte ich mich im Rahmen dieses Beitrags mit diesen Postulaten auseinandersetzen und diese auf ihre Aktualität hin überprüfen. Mein Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien absolvierte ich in einer Zeit, in der bereits knapp mehr als die Hälfte aller Jus-Studierenden weiblich waren und es die – meinen Interessen entsprechende – Möglichkeit gab, zahlreiche spannende, progressive und herrschaftskritische Lehrveranstaltungen, unter anderem aus den „Legal Gender Studies“, zu besuchen. Zumindest in der Ausbildung scheinen daher jene Themen, die zur Gründung des Vereins geführt haben, nun auch Raum zu haben. Handelt es sich daher bei der eingangs zitierten Einschätzung, das Recht als berufliches Terrain sei eine Männerdomäne, um eine überholte, nicht mehr zeitgemäße Diagnose? Wie „männlich“ ist das Recht? Und schließlich: braucht es heutzutage überhaupt noch einen eigenen Verein für Juristinnen?