In der Rechtssache Pishchalnikov v Russland1) hat sich der EGMR einmal mehr mit der Beiziehung der Verteidigung zur ersten polizeilichen Vernehmung im Falle der Festnahme auseinandergesetzt. Das Urteil reiht sich in eine Serie von Entscheidungen, die die Bedeutung des Rechts auf Beiziehung der Verteidigung bei der ersten Einvernahme für ein faires Verfahren hervorheben.2) In der Rechtssache Salduz v Türkei3) hat der EGMR die Bedeutung des Ermittlungsverfahrens für das Strafverfahren betont: "Ein Beschuldigter befindet sich hier oft in einer extrem verwundbaren Position, was durch die Tatsache besonders augenscheinlich wird, dass die gesetzlichen Regelungen betreffend das Vorverfahren - insbesondere was die Verwendung und die Zulassung von Beweisen anlangt - deutlich an Komplexität zugenommen haben. In den meisten Fällen kann dieser Verwundbarkeit nur im Wege der Beistellung eines Anwaltes begegnet werden, der für die Gewährleistung des Rechts des Beschuldigten, sich nicht selbst zu bezichtigen, Sorge trägt." Obwohl der Beschuldigte die Möglichkeit hatte, die gegen ihn vorgebrachten Beweise in der Hauptverhandlung unter Beiziehung einer Verteidigung in Frage zu stellen und zu entkräften, stellte der EGMR (einstimmig) eine Verletzung von Art 6 Abs 1 iVm Ab 3 lit c EMRK fest, da die Verteidigungsrechte "wegen Fehlens eines Rechtsbeistandes während des Polizeigewahrsams irreversibel beeinträchtigt" (wurden), nachdem die ohne Anwesenheit der Verteidigung getätigten Aussagen vor der Polizei für die Verurteilung verwertet worden sind. Festgestellt wurde überdies, dass "der Bf. im vorliegenden Fall auch nicht freiwillig auf sein Recht auf ein faires Verfahren verzichtet hat." Er war zwar über die ihm zur Last gelegten Straftaten sowie über sein Recht zu schweigen, nicht aber über das Recht der Beiziehung der Verteidigung belehrt worden.4)