1. Einleitung
Seit 1. Jänner 2006 sind Verbände - im Wesentlichen juristische Personen und Personengesellschaften (§ 1 Abs 2 VbVG) - für Straftaten ihrer Mitglieder verantwortlich.1 Die Zurechnungskriterien, durch die der Verband für die Tat seiner Entscheidungsträger (§ 3 Abs 2 VbVG) und seiner Mitarbeiter (§ 3 Abs 3 VbVG) haftbar gemacht wird, erfordern jedoch nicht, dass die handelnden Personen selbst strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.2 Der Text des VbVG lässt dabei insbesondere offen, inwieweit Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe auch dem Verband zugute kommen sollen. Gerade im FinStrG ist der Strafausschließungsgrund der mangelnden Strafwürdigkeit der Tat von großer praktischer Bedeutung, weshalb seine Anwendung auch auf Verbandstaten zu untersuchen ist.3 Dabei ist ein offensichtliches Paradoxon zu lösen, denn Voraussetzung der mangelnden Strafwürdigkeit ist primär das Kriterium der geringen Schuld bzw des geringfügigen Verschuldens. Wie kann aber ein solches Kriterium im Verbandsstrafrecht zu verstehen sein, das sich von den herkömmlichen Kategorien des Schuldstrafrechts gelöst hat?4