Abstract: Der Gedanke, dass Nationalstaaten, ähnlich wie Familien oder Freundschaften, besondere Beziehungsformen sind, deren Mitglieder einander mehr an Unterstützung und Anteilnahme schulden als Außenstehenden, ist sowohl in der politischen Diskussion als auch in der grundlegenden Reflexion über Migration äußerst wirkmächtig. Der Beitrag prüft die Anwendung dieses Gedankens im Kontext von Migration kritisch und zeigt dessen Ambivalenzen auf. Es wird gefragt, was aus dem Argument der Nation und der Identifizierung mit ihr überhaupt für das Denken über Migration abgeleitet werden kann. Für die Abwehr der Einwanderung kann die Argumentation mit der eigenen «nationalen Identität» nicht überzeugen, vielmehr überwiegen hier die Untugenden des Konzepts der Nation. Für die Frage nach dem Umgang mit Zugewanderten im Innern der Staaten verweisen überraschenderweise gerade Denker*innen, die sich der postkolonialen Theorie verpflichtet sehen, auf konstruktive Perspektiven der Identifizierung mit der Nation.

