Das von der Kommission im September 2020 vorgelegte neue Paket für Migration und Asyl baut auf den bereits im Juli 2016 unterbreiteten Vorschlägen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auf und soll diese in einen umfassenderen Ansatz integrieren. Auf diese Weise sollen die bestehenden Konfliktlinien zwischen den Mitgliedstaaten überwunden und eine Einigung über das Gesamtpaket ermöglicht werden. Die südlichen Mitgliedstaaten wollen nämlich als Erstankunftsstaaten für Schutzsuchende eine rasche Verteilung der irregulär ankommenden Personen, die primären Zielstaaten der Zuwanderung eine Reduktion des Zustroms von Schutzsuchenden (unter Verweis auf die überproportionalen Anteile an allen Anträgen auf internationalen Schutz seit 2015) und manche Mitgliedstaaten lehnen eine verpflichtende Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb der Union kategorisch ab. Das neue Paket beinhaltet daher zahlreiche Vorschläge zur Änderung und Ergänzung des geltenden Systems, bringt aber keinen Paradigmenwechsel. Ob dies ausreichen wird, um die divergierenden Interessen zu überwinden und die im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erforderliche Mehrheit im Rat zu erreichen, werden die kommenden Monate zeigen. Fest steht jedenfalls, dass eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems angesichts der nach wie vor anhaltenden Migrationsbewegungen Richtung Europa unbedingt erforderlich ist. Die Reform wird daher zu einer Bewährungsprobe für die Union.