Die Diskussion um die Reichweite der Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten nach Art 47 Abs 1 B-VG wurde in den letzten Jahren durch die Verfassungswirklichkeit neu belebt, ein Konsens konnte dabei jedoch nicht gefunden werden. Dieser Beitrag versucht, die Grundlagen der Bestimmung offenzulegen und systematisch einzuordnen. Er kommt dabei zum Ergebnis, dass das „verfassungsmäßige Zustandekommen der Bundesgesetze“ von der Frage nach der inhaltlichen Verfassungsmäßigkeit im Regelfall getrennt werden kann, was sich allerdings erst aus dem verfassungsrechtlichen Kontext ergibt. Diese Trennbarkeitsprämisse ist untrennbar mit der Bezeichnungspflicht von Verfassungsgesetzen in Verbindung mit der repressiven Normenkontrolle durch den VfGH verbunden, was eine Verfassungsdurchbrechung durch einfache Gesetze ausschließt. Dies wird insbesondere aus dem Vergleich zu jener Verfassung deutlich, auf deren Vorbild die Bestimmung zurückführbar ist: der Weimarer Reichsverfassung. Folglich ergeben sich schwere Bedenken hinsichtlich der These, die Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten erstrecke sich auch auf die Verfassungsmäßigkeit des Inhalts eines durch ihn zu beurkundenden, einfachen (Bundes-) Gesetzesbeschlusses. Diese Bedenken können auch durch eine Einschränkung der inhaltlichen Prüfung auf offenkundige Verfassungswidrigkeiten nicht ausgeräumt werden.