(Fortsetzung aus JBl 2012, Heft 8)
D. Eigene Auffassung und Abgrenzung gegenüber § 75 AktG
Schon die obenstehenden (und in der Folge noch zu vertiefenden) Überlegungen erweisen uE klar, dass die hA richtig ist, wonach § 97 Abs 1 AktG dem Aufsichtsrat kein Vertretungsmonopol, sondern nur eine konkurrierende Vertretungsbefugnis neben der des Vorstands verschafft. Bereits der Wortlaut der Bestimmung und die historische Interpretation führen zu einem eindeutigen Ergebnis, das auch durch teleologische Argumente nicht erschüttert werden kann. Das von den Vertretern der Gegenmeinung angeführte mögliche "Ausnutzen des Wissensvorsprungs"109) des Vorstands wird durch den Einsatz der soeben beschriebenen Kontrollmittel des Aufsichtsrates - insb von Zustimmungsvorbehalten - wirkungsvoll verhindert. Die für die Annahme einer teleologischen Reduktion von § 71 Abs 1 AktG unverzichtbaren, zwingenden teleologischen Gründe sind daher eine Fiktion110). Dass "gelindere Mittel" (gemeint: als ein Vertretungsmonopol des Aufsichtsrates) nicht ausreichen würden, um die Interessen der Gesellschaft zu schützen111), kann auf keinen Fall darauf gestützt werden, dass bei einer Bindung des Vorstandes an Zustimmungsvorbehalte dieser dennoch wirksam (wenn auch pflichtwidrig) ohne Zustimmung handeln kann, was beim Entzug der Vertretungsmacht nicht möglich ist. Denn den Maßstab kann ja nicht die Vermutung bilden, der Vorstand würde sich von vornherein (grob) pflichtwidrig verhalten.