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Der Schutz der Grundrechte vor Verletzungen durch Private

AufsätzeUniv.-Prof. Dr. Stefan GrillerJBl 1992, 289 Heft 5 v. 1.5.1992

V. Grundrechtsschutz und Privatautonomie

Der am häufigsten gegen die hier vertretene Konzeption vorgebrachte Einwand lautet, sie berücksichtige die Besonderheiten privatautonomer Rechtsetzung zu wenig. Es bestehe ein grundlegender Unterschied zwischen Rechtsgeschäft und Gesetz: „Autonome Selbsteinschränkung von Grundrechten durch Rechtsgeschäft und heteronomer Eingriff durch den Staat sind zu weit voneinander entfernt, als daß die Gleichstellung sachlich überzeugen könnte“90)90) Canaris (FN 2) 219, der denn auch die Auffassung vertritt, es müsse eine „unmittelbare Grundrechtsgeltung folgerichtig zur generellen Anwendung der Prinzipien der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit auf das Rechtsgeschäft führen und dadurch eine Aushöhlung der Privatautonomie durch eine umfassende Inhaltskontrolle bewirken“. S ferner die Kritik bei Novak (FN 2) 137; Stern–Sachs (FN 2) 1551; Pietzker (FN 56) 349.. Es erscheint daher nicht überflüssig, neuerlich zu betonen, daß von einer Gleichstellung in jeder Hinsicht überhaupt keine Rede sein kann91)91)S bereits Griller (FN 1) 114 ff. Es mag allerdings zutreffen, daß sich Schwabe, gegen den sich die vorgebrachten Einwände vorwiegend richten, mit den Besonderheiten privatautonomer Rechtsetzung nicht in aller wünschenswerten Breite auseinandergesetzt hat. S aber Jürgen Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte (1971) 107 ff, insb 116 f.. Die Gleichstellung besteht nur darin, daß nach der hier vertretenen Auffassung auch eine privatautonom zustande gekommene Verpflichtung letztlich auf eine staatliche Erlaubnis gestützt ist und etwaige Grundrechtsverstöße entweder gesetzwidrig und entsprechend bekämpfbar oder auf eine verfassungswidrige Ermächtigung gestützt sind, die daher – in Österreich vom VfGH – aufhebbar ist. Keineswegs wird zugleich behauptet, die inhaltlichen Schranken für privatautonom zustande gekommene Normen seien dieselben wie jene für heteronome staatliche Akte oder für einseitige Eingriffe Privater. Der Ansatz zwingt aber dazu, genauer zu überlegen, inwieweit die Privatautonomie92)92)Die sowohl in der BRD wie auch in Österreich grundsätzlich als verfassungsgesetzlich verbürgt gilt. Für Österreich s Griller (FN 1) 114 f mwN; der VfGH hat in seinem Erk v 30.11.1989 G 139/88 (ua) die verfassungsrechtliche Verankerung der Privatautonomie im Eigentumsgrundrecht angesiedelt: Der Staat dürfe „– gleichgültig, ob er den Abschluß bestimmter Verträge verhindert oder umgekehrt dazu zwingt – in die Privatautonomie lediglich unter den Voraussetzungen eingreifen, die die Verfassungsordnung ganz allgemein für die Zulässigkeit von Eigentumseingriffen vorsieht“. Für die BRD s den Überblick bei Peter Krause, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Privatrecht II, JZ 1984, 711 (716 ff). gegenläufige Freiheits- und Gleichheitsrechte zurückdrängen

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