VII. Saldotheorie und österreichisches Recht
Bei ungültigem bzw aufgehobenem Vertrag gehen all jene Risikoüberlegungen ins Leere, die bei Gefahrtragungsregeln ansetzen, die einen gültigen Vertrag voraussetzen. Wegen Rechtsgrundlosigkeit der ausgetauschten Leistungen kann nur ein bereicherungsrechtlicher bzw schadenersatzrechtlicher Ansatz die maßgeblichen Wertungen aufzeigen. Es geht in bereicherungsrechtlicher Hinsicht um die Frage, ob und inwieweit der Erwerber einer Sache, die untergegangen oder verschlechtert ist, bereichert ist. Befreit der nachträgliche Wegfall der Bereicherung von der Haftung93c)? In der BRD ist man dabei mit § 818 Abs 3 BGB konfrontiert, der dem Redlichen den Einwand der weggefallenen Bereicherung erlaubt. Alle Saldotheorien bemühen sich letztlich um eine teleologische Einschränkung dieser ihrer Ansicht nach zu weit geratenen Norm94). Aber nur vordergründig bleibt ihre Argumentation auf der rein bereicherungsrechtlichen Ebene. Mit der Behauptung, die Regeln über die Leistungskondiktion seien vom Gesetzgeber an der einseitigen Rückforderung (Zahlung einer Nichtschuld!) orientiert95), versucht man, bei Abwicklung beiderseits erfüllter nichtiger Verträge das beim Vertragsschluß angestrebte Synallagma auf das Rückabwicklungsverhältnis zu übertragen. Die neuere Saldotheorie baut daher auch auf dem faktischen Synallagma der ausgetauschten Leistungen auf96). Auch die Lehre Flumes vom Risiko der „vermögensmäßigen Entscheidung“97) hat mE nur scheinbar einen rein bereicherungsrechtlichen Ansatz. Flume lastet die Zufallsgefahr dem Leistungsempfänger jedenfalls in Höhe der Gegenleistung deshalb auf, weil er „sich ja nun, wenn auch der entgeltliche Vertrag nichtig ist, in Höhe des Werts der Gegenleistung dafür entschieden hat, statt seines sonstigen für die Gegenleistung eingesetzten oder einzusetzenden Vermögens den erworbenen Gegenstand zu besitzen und somit dessen Schicksal anstatt des Schicksals des Gegenstandes der Gegenleistung als sein Vermögensrisiko auf sich zu nehmen“98). Das Gegenargument von Diesselhorst 99), die vermögensmäßige Entscheidung sei bei Nichtigkeit des Geschäfts doch nicht rechtsverbindlich, mag vielleicht nicht ganz glücklich formuliert sein, trifft aber in der Sache zu. Flume kann dem zwar zu Recht entgegenhalten, daß es sich dabei um keine rechtsverbindliche Entscheidung, sondern um eine solche „in eigener Sache“ handle100). Doch ändert das nichts daran, daß die Vermögensentscheidung aufgrund eines vermeintlich (end-)gültigen Vertrages erfolgt, der aber eben nichtig, anfechtbar oder aufhebbar ist. Letztlich läßt damit auch Flume das im Vertrag angestrebte Synallagma auf das Bereicherungsrecht durchschlagen. Das zeigt sich auch in manchen Fällen, in denen Flume dem Leistungsempfänger die Vermögensentscheidung nicht zurechnen will. Nach Flume sei nicht der mit der Zufallsgefahr zu belasten, der wegen Willensmangels den Vertrag anfechten kann101).