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Der OGH auf dem Weg zur Saldotheorie?

AufsätzeUniv.-Doz. Dr. Ferdinand KerschnerJBl 1988, 624 Heft 10 v. 1.10.1988

VII. Saldotheorie und österreichisches Recht

Bei ungültigem bzw aufgehobenem Vertrag gehen all jene Risikoüberlegungen ins Leere, die bei Gefahrtragungsregeln ansetzen, die einen gültigen Vertrag voraussetzen. Wegen Rechtsgrundlosigkeit der ausgetauschten Leistungen kann nur ein bereicherungsrechtlicher bzw schadenersatzrechtlicher Ansatz die maßgeblichen Wertungen aufzeigen. Es geht in bereicherungsrechtlicher Hinsicht um die Frage, ob und inwieweit der Erwerber einer Sache, die untergegangen oder verschlechtert ist, bereichert ist. Befreit der nachträgliche Wegfall der Bereicherung von der Haftung93c)93c)Dazu nun ausführlich P. Huber, Wegfall der Bereicherung, passim.? In der BRD ist man dabei mit § 818 Abs 3 BGB konfrontiert, der dem Redlichen den Einwand der weggefallenen Bereicherung erlaubt. Alle Saldotheorien bemühen sich letztlich um eine teleologische Einschränkung dieser ihrer Ansicht nach zu weit geratenen Norm94)94)Vgl insb Lieb in MünchKomm2 III/2 (1986) Rdz 87 und 94 f zu § 818.. Aber nur vordergründig bleibt ihre Argumentation auf der rein bereicherungsrechtlichen Ebene. Mit der Behauptung, die Regeln über die Leistungskondiktion seien vom Gesetzgeber an der einseitigen Rückforderung (Zahlung einer Nichtschuld!) orientiert95)95)So vor allem König, Ungerechtfertigte Bereicherung (1985) 81; ähnlich für Österreich Harrer, JBl 1983, 246., versucht man, bei Abwicklung beiderseits erfüllter nichtiger Verträge das beim Vertragsschluß angestrebte Synallagma auf das Rückabwicklungsverhältnis zu übertragen. Die neuere Saldotheorie baut daher auch auf dem faktischen Synallagma der ausgetauschten Leistungen auf96)96)Vgl vor allem Leser, Von der Saldotheorie zum faktischen Synallagma (1956); dens, Der Rücktritt vom Vertrag (1975) 110 ff; Reuter–Martinek, Bereicherung 597 ff. Auch Koppensteiner–Kramer, Bereicherung 145, 184 ff, gehen in Wahrheit von einer faktischen Verbindung der beiden Leistungen aus, ohne diese selbst aber zu begründen. Deren Konstruktion versagt denn auch wieder in Vorleistungsfällen; zutreffend Lieb in MünchKomm2 III/2 Rdz 5 zu § 818.. Auch die Lehre Flumes vom Risiko der „vermögensmäßigen Entscheidung“97)97) Flume, Der Wegfall der Bereicherung in der Entwicklung vom römischen zum geltenden Recht, FS Niedermeyer (1953) 103 ff; ders, Die Entreicherungsgefahr und die Gefahrtragung bei Rücktritt und Wandlung, NJW 1970, 1161 ff (1161). hat mE nur scheinbar einen rein bereicherungsrechtlichen Ansatz. Flume lastet die Zufallsgefahr dem Leistungsempfänger jedenfalls in Höhe der Gegenleistung deshalb auf, weil er „sich ja nun, wenn auch der entgeltliche Vertrag nichtig ist, in Höhe des Werts der Gegenleistung dafür entschieden hat, statt seines sonstigen für die Gegenleistung eingesetzten oder einzusetzenden Vermögens den erworbenen Gegenstand zu besitzen und somit dessen Schicksal anstatt des Schicksals des Gegenstandes der Gegenleistung als sein Vermögensrisiko auf sich zu nehmen“98)98)Eigene Hervorhebungen.. Das Gegenargument von Diesselhorst 99)99)Die Natur der Sache als außergesetzliche Rechtsquelle, verfolgt an der Rechtsprechung zur Saldotheorie (1968) 58, 163., die vermögensmäßige Entscheidung sei bei Nichtigkeit des Geschäfts doch nicht rechtsverbindlich, mag vielleicht nicht ganz glücklich formuliert sein, trifft aber in der Sache zu. Flume kann dem zwar zu Recht entgegenhalten, daß es sich dabei um keine rechtsverbindliche Entscheidung, sondern um eine solche „in eigener Sache“ handle100)100) Flume, NJW 1970, 1163 f FN 22.. Doch ändert das nichts daran, daß die Vermögensentscheidung aufgrund eines vermeintlich (end-)gültigen Vertrages erfolgt, der aber eben nichtig, anfechtbar oder aufhebbar ist. Letztlich läßt damit auch Flume das im Vertrag angestrebte Synallagma auf das Bereicherungsrecht durchschlagen. Das zeigt sich auch in manchen Fällen, in denen Flume dem Leistungsempfänger die Vermögensentscheidung nicht zurechnen will. Nach Flume sei nicht der mit der Zufallsgefahr zu belasten, der wegen Willensmangels den Vertrag anfechten kann101)101)Zum wirklich rein bereicherungsrechtlichen Ansatz Flumes, nämlich der Verwendung der Sache, die zum Untergang führt, als „Verbrauch“ unten IX..

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