vorheriges Dokument
nächstes Dokument

Einschränkung der Vertragsfreiheit durch soziale Schutzgedanken

AufsätzeUniv.-Prof. Dr. Rona SerozanJBl 1983, 561 Heft 21 und 22 v. 5.11.1983

I. Wesen und Funktion der Vertragsfreiheit

Privatautonomie stellt gemeinsam mit dem Privateigentum die beiden Pfeiler des bürgerlichen Rechts dar. Sie ist die Befugnis, selbstbestimmend rechtsverbindliche Regeln zu setzen. Die Zivilrechtsdogmatik spricht von Privatautonomie als einem für den Aufbau des Zivilrechts charakteristischen Prinzip, wonach dem Einzelnen für eine selbstbestimmende und selbstverantwortliche Gestaltung seiner gesellschaftlichen Verhältnisse freier Spielraum gelassen werden soll. Vertragsfreiheit ist die wichtigste Erscheinungsform dieser Autonomie bei der Ausgestaltung der Beziehungen zu anderen im Wege der Vereinbarung. Ob, wann und mit wem man ein Vertragsverhältnis beliebiger Art schließe und welchen Inhalt man diesem Verhältnis gebe, soll nach diesem tragenden Prinzip dem freien Entschluß und (da die Privatautonomie jedem gleicherweise zusteht) der „Einigung“ mit dem ebenfalls die Gunst der Privatautonomie genießenden Partner überlassen bleiben. (Vertragsprinzip bzw Abschluß- und Gestaltungsfreiheit sind die diesbezüglichen Stichworte.) Juristisch ist daran zweierlei bedeutsam: Die Rechtsordnung verzichtet in der Regel darauf, durch eigene Gebote und Verbote in den Raum privater Beziehungen der Einzelnen einzudringen, und sie ist bereit, die von den Parteien in diesem Raum privatautonom getroffenen Abreden als rechtsverbindlich anzuerkennen und mit gerichtlichem Rechtsschutz zu versehen. Sehr anschaulich kommt diese zweite Dimension der Vertragsfreiheit in der Fassung des Art 1134 Code Civil zum Ausdruck: „Les conventions légalement formées tiennent lieu de la loi à ceux qui les ont faites.“

Sie möchten den gesamten Inhalt lesen?

Melden Sie sich bei Lexis 360® an.
Anmelden

Sie haben noch keinen Zugang?
Testen Sie Lexis 360® zwei Wochen kostenlos!
Jetzt testen!