Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | DBA RUS (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Russische Föderation (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 10/2003 |
Schlagworte: | DBA-Russland, Suspendierung, unilaterale Entlastung, unilaterale Beseitigung Doppelbesteuerung |
Verweise: | Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, BGBl. III Nr. 193/2014 |
Im Wege einer Verbalnote vom 8. August 2023 wurden durch Russland zahlreiche Bestimmungen des zwischen Österreich und Russland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens (Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen , BGBl. III Nr. 10/2003 idF BGBl. III Nr. 89/2019) mit sofortiger Wirkung suspendiert. Die suspendierten Bestimmungen sind somit auch auf österreichischer it Kundmachung im Bundesgesetzblatt (BGBl. III Nr. 200/2023) ausgesetzt. Der gegenständliche Erlass soll eine einheitliche Vorgehensweise der Finanzverwaltung sicherstellen. Die Info des BMF vom 06.12.2023, 2023-0.867.389, wird aufgehoben.
1. Auswirkung der Suspendierung
Von der Suspendierung sind folgende Bestimmungen betroffen:
- Betriebstätte samt dazugehöriger Protokollbestimmung (Art. 5)
- Sämtliche Verteilungsnormen samt dazugehöriger Protokollbestimmungen (Art. 6 bis Art. 22)
- Gleichbehandlung (Art. 24)
- Amtshilfe bei der Vollstreckung von Steuern (Art. 26.1)
- Beschränkung von Vergünstigungen (Art. 26.2)
- Protokollbestimmung zu Art. 25
Nicht betroffen von der Suspendierung sind folgende Bestimmungen:
- Persönlicher Geltungsbereich samt dazugehöriger Protokollbestimmung (Art. 1)
- Unter das Abkommen fallende Steuern (Art. 2)
- Allgemeine Begriffsbestimmungen samt dazugehöriger Protokollbestimmung (Art. 3)
- Ansässige Person samt dazugehöriger Protokollbestimmung (Art. 4)
- Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23)
- Verständigungsverfahren (Art. 25)
- Informationsaustausch samt dazugehöriger Protokollbestimmung (Art. 26)
Da die Kernbestimmungen des DBA suspendiert sind, ist Österreich nicht daran gehindert, im Verhältnis zu Russland uneingeschränkt nach den Regelungen des österreichischen nationalen Rechts zu besteuern. Im Einzelnen bedeutet das:
- Die Bestimmungen über die Anwendbarkeit des DBA auf Steuern ( Art. 2 ) und auf Personen ( Art. 1 iVm Art. 4 ) wurden nicht ausgesetzt. Die Ansässigkeit einer Person iSd DBA kann daher weiterhin einem Vertragsstaat zugeordnet werden.
- Die Verteilungsnormen des DBA ( Art. 6 bis 22 ) sind von der Aussetzung betroffen. Da sämtliche Verteilungsnormen suspendiert wurden, erfolgt keine Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Staaten. Ohne eine Einigung über die Aufteilung sind die Vertragsstaaten nicht daran gehindert, nach den Regelungen ihres nationalen Rechts uneingeschränkt zu besteuern.
- Der Methodenartikel ( Art. 23 ), der die Vermeidung der Doppelbesteuerung regelt, ist nicht von der Suspendierung betroffen. Die Bestimmung richtet sich an den Ansässigkeitsstaat und sieht eine Verpflichtung vor, entweder die Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat im Ansässigkeitsstaat freizustellen oder die im anderen Vertragsstaat angefallenen Steuern im Ansässigkeitsstaat anzurechnen. Die Bestimmungen des Art. 23 Abs. 1 lit. a) und lit. d) regeln auf österreichischer Seite die Befreiungsmethode unter Progressionsvorbehalt und gelangen nur insoweit zur Anwendung, als die Einkünfte "nach diesem Abkommen" im anderen Vertragsstaat (Russland) besteuert werden dürfen. Werden die Verteilungsnormen aufgrund der Suspendierung nicht mehr angewandt, dürfen die Einkünfte nicht "nach diesem Abkommen", sondern Kraft des innerstaatlichen Rechts im Quellenstaat besteuert werden. Folglich gelangen Art. 23 Abs. 1 lit a) und lit. d) nicht zur Anwendung und der Ansässigkeitsstaat ist nicht verpflichtet, Einkünfte aufgrund des Abkommens zu befreien. Gleichfalls gelangt Art. 23 Abs. 1 lit. b) nicht zur Anwendung, da diese Bestimmung nur auf Einkünfte abstellt, "… die nach Artikel 10 oder Artikel 13 Absatz 4…" in Russland besteuert werden dürfen. Auch Art. 23 Abs. 1 lit. c) läuft ins Leere. Schließlich läuft auch Art. 23 Abs. 1 lit e) ins Leere, da Einkünfte nicht "auf Grund dieses Abkommens" in Russland zu besteuern sind.
- Art. 25 beinhaltet eine Regelung zur Führung von Verständigungsverfahren und wurde nicht suspendiert. Da das DBA die Besteuerungsansprüche der Vertragsstaaten nicht mehr einschränkt, kann ein solches Verfahren jedoch nicht mehr eingeleitet und geführt werden.
- Der Informationsaustausch ( Art. 26 ) wurde nicht suspendiert. Allerdings hat Österreich im März 2022 den Informationsaustausch sowohl auf Grundlage des DBA (Art. 26) als auch auf Grundlage des multilateralen Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (BGBl. III Nr. 193/2014 ) unter Berufung auf die Anwendung des Grundsatzes des Ordre Public, der sowohl in Art. 26 Abs. 3 als auch in Art. 21 Abs. 2 lit. b des Übereinkommens ausdrücklich als Informationsaustauschverweigerungsgrund vorgesehenen ist, ausgesetzt.
2. Wirksamwerden
Die Aussetzung der suspendierten Bestimmungen ist ab dem Tag nach der Verlautbarung im Bundesgesetzblatt, dh. ab dem 7. Dezember 2023, wirksam. Somit besteht für Einkünfte, die ab diesem Tag erzielt werden, keine Abkommensberechtigung mehr.
Beispiel: Ein in Russland ansässiger (beschränkt steuerpflichtiger) Investor bezieht am 5. August 2023 eine Dividende von einer in Österreich ansässigen AG. Zum Zeitpunkt, an dem die Dividendeneinkünfte dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden, sind die Bestimmungen des DBA-Russland noch nicht ausgesetzt. Eine allfällige KESt-Rückerstattung auf Basis von Art. 10 kann daher auch nach dem 6. Dezember 2023 unter den Voraussetzungen des § 240 Abs. 4 iVm § 240a BAO beantragt werden. Wird hingegen die Dividende erst nach dem 6. Dezember 2023 bezogen, ist eine KESt-Rückerstattung nicht mehr möglich.
Wenn Einkünfte nicht genau auf den Tag des Wirksamwerdens abgegrenzt werden können (beispielsweise bei Bilanzierung), ist es aus Vereinfachungsgründen zulässig, eine formelhafte Aufteilung pro rata temporis (monatlich) vorzunehmen.
3. Unilaterale Beseitigung der Doppelbesteuerung
Die Verordnung BGBl. II Nr. 474/2002, die bei Nichtanwendbarkeit eines DBA für in Österreich unbeschränkt Steuerpflichtige eine unilaterale Beseitigung der Doppelbesteuerung ermöglicht, ist nicht anwendbar, weil dies voraussetzt, dass kein DBA besteht. Da das DBA mit Russland dem Grunde nach noch anwendbar ist, ist diese Tatbestandsvoraussetzung nicht erfüllt.
Bei Abgabepflichtigen, die der Abgabenhoheit der Republik Österreich und der Russischen Föderation unterliegen, kann bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 48 Abs. 5 BAO antragsbezogen eine unilaterale Entlastungsmaßnahme im Wege der Anrechnung der in Russland erhobenen Steuern unter Beachtung des Anrechnungshöchstbetrags gewährt werden. Die Anordnung einer solchen Entlastungsmaßnahme setzt die Erforderlichkeit des Ausgleichs einer in- und ausländischen Besteuerung im Sinne einer bereits eingetretenen, echten internationalen Doppelbesteuerung voraus und steht im Ermessen der zuständigen Behörde.
Die Ermessensentscheidung ist nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Die zu berücksichtigenden Billigkeitsgesichtspunkte umfassen ua. die Art und Schwere der Steuerbelastung des betroffenen Abgabepflichtigen mit in- und ausländischen Steuern. Eine maßgebliche Unbilligkeit wird dann nicht vorliegen, wenn die in Russland erhobene Steuer im Verhältnis zur Gesamtsteuerlast des Steuerpflichtigen lediglich gering ausfällt. Im Rahmen der Zweckmäßigkeit ist das öffentliche Interesse an der Einbringung einer Abgabe zu prüfen. Dieses Interesse kann nicht nur in der Erlangung finanzieller Mittel bestehen, sondern auch dann zu bejahen sein, wenn öffentliche Rücksichten einen Verzicht auf diese Erlangung nicht rechtfertigen lassen (VwGH 14.3.1990, 89/13/0115). Vor diesem Hintergrund ist es nicht zweckmäßig, von EU-Sanktionen betroffene oder nicht in Österreich ansässige Einzelpersonen und Unternehmen im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 48 Abs. 5 BAO unilateral zu entlasten (siehe https://sanctionsmap.eu/#/main sowie VO 833/2014, VO 692/2014 und VO 2022/263).
Um die Voraussetzungen des § 48 Abs. 5 BAO zügig prüfen zu können, hat der Antrag zumindest folgende Bestandteile zu beinhalten:
- Name und Steuernummer des Abgabepflichtigen
- Sachverhaltsdarstellung inklusive eigener rechtlicher Würdigung,
- Angaben inklusive geeigneter Dokumentation (zB übersetzte Steuerbescheide, Nachweis der Steuerzahlung) über die bereits eingetretene, juristische Doppelbesteuerung,
- Darlegung der Erforderlichkeit einer unilateralen Entlastungsmaßnahme,
- Erklärung des Abgabepflichtigen, dass er nicht von EU-Sanktionen betroffen ist (sowie ggf. eine solche Erklärung des Unternehmens, das die der unilateralen Entlastung zugrundeliegenden Vergütungen auszahlt).
- Ordnungsgemäß geführtes Verzeichnis betreffend die russische(n) Einkunftsquelle(n), das unter geordnetem Hinweis auf die den Eintragungen zugrundeliegenden Belege folgende Angaben zu enthalten hat:
- Art der Einkünfte (Einkunftsart und geschäftsübliche Bezeichnung)
- Höhe der Einkünfte unter Hinweis auf eine Berechnungsunterlage, in der die Ermittlung der Höhe der Einnahmen (Betriebseinnahmen) sowie der Werbungskosten (Betriebsausgaben) nach österreichischem Recht dargestellt ist
- Höhe der anrechenbaren ausländischen Steuer und Darstellung der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages
- Angabe über die zeitliche Zuordnung (Zeitpunkt oder Zeitraum des Zuflusses oder der gewinnerhöhenden Erfassung in der Buchhaltung)
Der Behörde bleibt es vorbehalten, weitere Informationen zur Erledigung des Antrages anzufordern. Bei Wahrnehmung von Begünstigungstatbeständen tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Darlegungs- und Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Im Verfahren unterliegt der Abgabepflichtige außerdem der erhöhten Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten (§ 115 Abs. 1 BAO). Eine Änderung der für die Erlassung des Begünstigungsbescheides maßgeblichen Gegebenheiten ist umgehend der Behörde zu melden.
Um den Vollzug aufgrund zu erwartender hoher Antragszahlen zu vereinfachen, erfolgt für aus Russland bezogene Einkünfte eine Delegierung der Erledigung von Anträgen nach § 48 Abs. 5 BAO vom Bundesminister für Finanzen an das jeweils zuständige Finanzamt als dessen bevollmächtigter Vertreter iSd § 48 Abs. 5 BAO.
Bundesministerium für Finanzen, 30. Mai 2024
Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | DBA RUS (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Russische Föderation (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 10/2003 |
Schlagworte: | DBA-Russland, Suspendierung, unilaterale Entlastung, unilaterale Beseitigung Doppelbesteuerung |
Verweise: | Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, BGBl. III Nr. 193/2014 |