29.3.1 Allgemeines - Grundtatbestand
Bei der aufgrund des Eintritts von Umständen, die zur Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes im Sinne des § 27 Abs. 3 EStG 1988, eines Derivats iSd § 27 Abs. 4 EStG 1988 oder einer Kryptowährung iSd § 27 Abs. 4a EStG 1988 führen (Entstrickung), entstehenden Steuerpflicht (§ 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988; siehe dazu ausführlich Abschnitt 20.2.2.4) hängt die Art der Erhebung der Steuer - im Veranlagungsweg oder durch Kapitalertragsteuerabzug - von verschiedenen Kriterien ab.29.3.2 Erhebung durch Steuerabzug
Wenn von der Entstrickung verbriefte (depotfähige) und auf einem Wertpapierdepot iSd BWG tatsächlich verwahrte Wirtschaftsgüter und Derivate iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 betroffen sind - insoweit also durch die Entstrickung "inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen" iSd § 93 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 erzielt werden - findet die steuerliche Erfassung grundsätzlich im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs statt. Dies gilt sinngemäß für Kryptowährungen iSd § 27 Abs. 4a EStG 1988, die bei einem inländischen Dienstleister verwahrt werden. Eine Ausnahme besteht dabei für Wirtschaftsgüter, Derivate und Kryptowährungen, auf die kein Sondersteuersatz anwendbar ist (gemäß § 27a Abs. 2 EStG 1988). Diese können ebenso wie die sonstigen nicht verbrieften Wirtschaftsgüter und Derivate nur im Rahmen der Veranlagung erfasst werden (siehe dazu Abschnitt 20.5.1).29.3.2.1 Abzugspflicht nur bei Meldung des Wegzugs
Da die abzugsverpflichteten depotführenden Stellen oder inländischen Dienstleister in der Regel keine Kenntnis über das Vorliegen von die Entstrickungsbesteuerung auslösenden Umständen haben, sieht § 94 Z 7 EStG 1988 als Ausnahme vom Grundsatz der Steuererhebung im Wege des Kapitalertragsteuerabzugs vor, dass bei Einkünften gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 - bei Entstrickung - grundsätzlich keine Kapitalertragsteuer abzuziehen ist.Diese Ausnahme gilt jedoch dann nicht, wenn der Abzugsverpflichtete vom Steuerpflichtigen über die Entstrickung informiert wird. Meldet der Steuerpflichtige somit seinen Wegzug, hat die abzugsverpflichtete depotführende Stelle oder der abzugsverpflichtete inländische Dienstleister - im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge - den Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen (§ 94 Z 7 erster Satz EStG 1988). Sind Geldeinlagen bei Kreditinstituten und sonstige Geldforderungen gegenüber Kreditinstituten vorhanden, gilt dabei der Schuldner der Kapitalerträge (§ 93 Abs. 2 Z 1 zweiter Satz EStG 1988) als depotführende Stelle im Sinne des § 95 Abs. 2 Z 2 lit. a EStG 1988.Als Entstrickung gelten entsprechend § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 sämtliche Umstände, die zur Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes, Derivates oder einer Kryptowährung iSd § 27 Abs. 3 bis 4a EStG 1988 führen (siehe dazu ausführlich Abschnitt 20.2.2.4.1). Die Verlagerung der Entstrickungsbesteuerung in die Sphäre der - als Abzugsverpflichtete - den Kapitalertragsteuerabzug abwickelnden depotführenden Stellen bzw. inländischen Dienstleister findet somit beispielweise auch dann statt, wenn - trotz des unveränderten Wohnsitzes und eines unveränderten Depotbestandes - eine unentgeltliche Übertragung der sich auf dem Depot befindlichen Wirtschaftsgüter, Derivate und Kryptowährungen auf eine im Ausland ansässige Person gemeldet wird. Bei Übertragungen auf eine ausländische depotführende Stelle hat die übertragende depotführende Stelle im Zweifel davon auszugehen, dass auf einen beschränkt Steuerpflichtigen übertragen wird.29.3.2.2 Keine Abzugspflicht bei Vorlage eines Bescheides
Besteht aufgrund der gemeldeten Entstrickung eine Pflicht zum Kapitalertragsteuerabzug, ist vom Abzug hingegen abzusehen, wenn der Steuerpflichtige einen Abgabenbescheid vorlegt, in dem gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. a oder lit. d EStG 1988 über die durch die Entstrickung entstandene Steuerschuld abgesprochen wurde; dies gilt sowohl für Fälle der Nichtfestsetzung als auch für Fälle der Ratenzahlung. Ein solcher Bescheid kann bis zum Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge gemäß § 95 Abs. 3 Z 3 EStG 1988 vorgelegt werden. Zu beachten ist allerdings, dass sowohl der Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld als auch der Antrag auf Ratenzahlung nur in der das Entstrickungsjahr betreffenden Steuererklärung gestellt werden kann (siehe dazu Abschnitt 20.2.2.4.9 und 20.2.2.4.10).Da sowohl das Nichtfestsetzungskonzept als auch das Ratenzahlungskonzept nur bei Einschränkungen des Besteuerungsrechts gegenüber einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes zum Tragen kommt, kann bei Einschränkungen gegenüber Drittstaaten ein solcher Bescheid nicht vorgelegt werden. Wird daher dem Abzugsverpflichteten die Einschränkung des Besteuerungsrechts gegenüber einem solchen Drittstaat gemeldet, ist im Zuflusszeitpunkt stets der Kapitalertragsteuerabzug durchzuführen.Erklärt der Steuerpflichtige die entstrickungsbedingten Einkünfte - allenfalls mit Beantragung der Nichtfestsetzung oder Ratenzahlung der entstandenen Steuerschuld - trotz Meldung an die depotführende Stelle im Rahmen der Veranlagung des Entstrickungsjahres und legt er der depotführenden Stelle den ESt-Bescheid nicht bis zum Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge vor, wird die abgezogene KESt im Rahmen der Festsetzung der Steuerschuld (allenfalls auch nachträglich) entsprechend angerechnet.29.3.2.3 Zuflusszeitpunkt
Wie generell bei allen Arten von Einkünften aus Kapitalvermögen darf der Abzugsverpflichtete auch beim Wegzug den Kapitalertragsteuerabzug nur im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge vornehmen (§ 95 Abs. 3 EStG 1988).Um die für den Abzug und die Abfuhr der Kapitalertragsteuer notwendige Liquidität zu gewährleisten, wird der Zufluss nicht im Zeitpunkt der Entstrickung oder der Meldung der Entstrickung angeordnet, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen. Die Kapitalerträge gelten dabei erst im Zeitpunkt einer tatsächlichen Veräußerung oder einer Entnahme bzw. eines sonstigen Ausscheidens aus dem Depot als zugeflossen (§ 95 Abs. 3 Z 3 dritter Teilstrich EStG 1988). Sind Geldeinlagen bei Kreditinstituten und sonstige Geldforderungen gegenüber Kreditinstituten vorhanden, gelten die Erträge nach Maßgabe des § 19 EStG 1988 als zugeflossen. Im Falle des Zuflusses aufgrund eines - liquiditätslos erfolgenden - Depotentnahmetatbestands steht dem Abzugsverpflichteten das Zurückbehaltungsrecht des § 95 Abs. 3 Z 3 letzter Satz EStG 1988 zu. Durch den nach hinten verschobenen Zuflusszeitpunkt kommt somit das Nichtfestsetzungskonzept faktisch auch für Drittstaaten iSd § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 zum Tragen.
Die im Entstrickungsfall relevante steuerliche Bemessungsgrundlage ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Entstrickung und den Anschaffungskosten; für diesen Betrag ist pro Position ein Merkposten zu bilden, wobei eingetretene Wertminderungen höchstens im Umfang dieser des Veräußerungserlöses zu berücksichtigen sind, wenn sie nicht in einem anderen Staat berücksichtigt werden (§ 27a Abs. 3 Z 2 lit. b EStG 1988), zur Berücksichtigung siehe Rz 6156d. Für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs ist dabei davon auszugehen, dass der Zeitpunkt der Entstrickung dem Zeitpunkt der Meldung des Wegzugs entspricht (§ 93 Abs. 5 dritter Teilstrich EStG 1988; bei unentgeltlichen Übertragungen von Todes wegen entspricht der Tag der Vorlage des Einantwortungsbeschlusses dem Tag der Meldung). Bei anteiliger Veräußerung bzw. Entnahme ist der Merkposten anteilig aufzulösen.Um die Vornahme des Kapitalsteuerabzugs zu vereinfachen und das Vorhandensein der Liquidität zu sichern, ist die Höhe der Steuer jedoch mit dem erzielten Erlös oder dem gemeinen Wert im Zeitpunkt einer Entnahme oder eines sonstigen Ausscheidens aus dem Depot begrenzt (§ 95 Abs. 3 Z 3 dritter Teilstrich EStG 1988). Eine bestehende, über diesen Betrag hinausgehende Steuerschuld ist im Wege der Veranlagung zu erklären.