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29.2.3 Zeitpunkt des Kapitalertragsteuerabzuges

BMF2023-0.871.81913.3.2024

Rz 7710
Die KESt ist gemäß § 95 Abs. 3 EStG 1988 grundsätzlich im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge vom Abzugsverpflichteten iSd § 95 Abs. 2 EStG 1988, demnach entweder vom Schuldner der Kapitalerträge, der auszahlenden Stelle oder der depotführenden Stelle abzuziehen und einzubehalten. Die Zuflussbestimmungen des § 95 Abs. 3 EStG 1988 gehen als spezielle Bestimmung sowohl dem § 19 EStG 1988 als auch den Realisationsbestimmungen des BV-Vergleichs vor.

Der Zufluss von Zinsen aus Spar- und Sichteinlagen tritt grundsätzlich im Zeitpunkt des Abschlusses der Einlagen ein. Der Abschluss wird regelmäßig am Ende eines Kalenderjahres bzw. bei unterjähriger voller Auszahlung der Einlage im Auszahlungszeitpunkt vorgenommen (§ 32 Abs. 5 BWG). Bei Sparbriefen, Kapitalsparbüchern, Termineinlagen und Festgeldern unterliegen der Abschluss und damit der Zuflusszeitpunkt der Zinsen der zivilrechtlichen Vereinbarung. Im Regelfall erlangt der Anleger jedoch im Zeitpunkt des Endes der Laufzeit bzw. im Zeitpunkt der vorzeitigen Auszahlung der Einlage die Verfügungsmacht über den Kapitalertrag. Ein Zufluss der Kapitalerträge und damit die Abzugspflicht sind daher in einem dieser Zeitpunkte gegeben, auch wenn die Einlage über die vereinbarte Laufzeit bestehen bleibt.

Beispiel:

Ein Sparbrief weist eine Laufzeit von 18 Monaten auf. Er wird am 10. Jänner 2005 ausgegeben und Ende der vorgesehenen Laufzeit, das ist der 10. Juli 2012, eingelöst. Die Abzugspflicht für den Kapitalertrag entsteht am 10. Juli 2012. Wäre der Sparbrief vorzeitig am 25. Mai 2011 eingelöst worden, wäre in diesem Zeitpunkt die Abzugspflicht entstanden. Hätte der Anleger das Kapital aus dem Sparbrief über dessen Laufzeit hinaus als Einlage bei der Bank bis 31. Dezember 2012 "stehen gelassen", so wäre die Abzugspflicht für den Kapitalertrag aus dem Sparbrief dennoch am 10. Juli 2012 entstanden.

Die Abzugspflicht für Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren entsteht im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalerträge. Trifft die Abzugspflicht den Emittenten, so richtet sich die Fälligkeit nach den jeweiligen Anleihebedingungen. Ist nicht der Emittent zum Steuerabzug verpflichtet, sondern eine auszahlende Stelle iSd § 95 Abs. 2 EStG 1988 (kuponauszahlende Bank), so ist für den Zeitpunkt des Steuerabzugs die Fälligkeit der Kuponauszahlung gegenüber dem Kuponinhaber maßgeblich.

Die Fälligkeit von Kapitalerträgen aus Wertpapierpensionsgeschäften sowie aus Wertpapierleihegeschäften richtet sich nach den bei Abschluss festgelegten Bedingungen, bei Wertpapierpensionsgeschäften ohne unterdrücktem Kupon nach der Kuponfälligkeit.

Inländische Beteiligungserträge, deren Ausschüttung von einer Körperschaft beschlossen wird, fließen an jenem Tag zu, der im Ausschüttungsbeschluss als Tag der Auszahlung bestimmt ist. Wird im Beschluss kein Tag der Auszahlung bestimmt, gilt der Tag nach der Beschlussfassung als Zeitpunkt des Zufließens gemäß § 95 Abs. 3 Z 1 EStG 1988.

Bei ausländischen Beteiligungserträgen, die über eine inländische auszahlende Stelle zufließen, ist für Zwecke des KESt-Abzuges auf den tatsächlichen Zufluss abzustellen (Gutschrift auf dem Konto des Anlegers).

Bei sonstigen Bezügen aus Aktien oder Anteilen aus Gesellschaften mit beschränkter Haftung (zB verdeckte Ausschüttungen) gilt gemäß § 95 Abs. 3 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 als Zuflusszeitpunkt für Zwecke des KESt-Abzuges der Zufluss iSd § 19 EStG 1988. Auch der Vorteil des Gesellschafters, die Kapitalertragsteuer nicht zu tragen, ist durch die Auszahlung des Betrages ohne Abzug der Kapitalertragsteuer gleichzeitig eingetreten, wenn auch die Zahlung erst mangels rechtzeitiger Einforderung der Kapitalertragsteuer als Nettobetrag (Betrag nach Abzug der Kapitalertragsteuer) zu beurteilen ist (vgl. VwGH 5.9.2012, 2010/15/0018; VwGH 25.11.2010, 2007/15/0104).

Zuwendungen von Privatstiftungen fließen beim Begünstigten gemäß § 95 Abs. 3 Z 1 EStG 1988, sofern sie vom Stiftungsvorstand beschlossen wurden, an jenem Tag zu, der im Beschluss als Tag der Zuwendung bestimmt ist. Sofern im Beschluss kein Tag der Zuwendung bestimmt ist, gilt der Tag nach der Beschlussfassung als Zeitpunkt des Zufließens. Bei Zuwendungen ohne Vorliegen eines Beschlusses ist der Zufluss gemäß § 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 mit der Zuwendung an den Begünstigten anzunehmen. Analog zur verdeckten Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften wird bei verdeckten Zuwendungen einer Privatstiftung der Vorteil des Empfängers, die Kapitalertragsteuer nicht tragen zu müssen, durch Zufluss der Zuwendung ohne Abzug der Kapitalertragsteuer gleichzeitig eintreten.

Bei Erträgen aus Wertsteigerungen, Derivaten und Kryptowährungen ist der KESt-Abzug gemäß § 95 Abs. 3 Z 3 EStG 1988 im Zeitpunkt des Zufließens gemäß § 19 EStG 1988 vorzunehmen. Maßgeblich für den KESt-Abzug ist daher der Zeitpunkt des Zufließens des Veräußerungserlöses.

Zum Zeitpunkt des KESt-Abzuges bei Depotentnahmen siehe Rz 7718, zum Zeitpunkt des KESt-Abzuges bei Entstrickung iSd § 27 Abs. 6 Z 1 iVm § 95 Abs. 3 Z 3 dritter Teilstrich EStG 1988 siehe Rz 7715.

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