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20.3.4 Regelbesteuerungsoption

BMF2023-0.871.81913.3.2024

20.3.4.1 Verhältnis von Regelbesteuerungsoption und Verlustausgleichsoption

Rz 6226
§ 27a Abs. 5 EStG 1988 enthält die bis zum BBG 2011 in § 97 Abs. 4 EStG 1988 verankerte Möglichkeit des Steuerpflichtigen, seine KESt-pflichtigen bzw. den besonderen Steuersätzen unterliegenden Einkünfte im Wege der Veranlagung zum Tarif besteuern zu lassen. Da nach dem BBG 2011 jedoch die Veranlagung von Kapitaleinkünften nicht mehr automatisch mit der Anwendung des progressiven Tarifs einhergeht, wird jene in § 27a Abs. 5 EStG 1988 nicht mehr "Veranlagungsoption", sondern "Regelbesteuerungsoption" genannt. Zur Geltendmachung eines Verlustausgleichs bloß innerhalb der Kapitaleinkünfte, die einem besonderen Steuersatz unterliegen, ist die Ausübung der Regelbesteuerungsoption daher nicht nötig; wünscht der Steuerpflichtige nur einen Verlustausgleich innerhalb der mit Einkünfte aus Kapitalvermögen, die einem besonderen Steuersatz unterliegen, kann er - isoliert von der in § 27a Abs. 5 EStG 1988 enthaltenen Regelbesteuerungsoption - die Verlustausgleichsoption gemäß § 97 Abs. 2 EStG 1988 ausüben (siehe Abschnitt 20.5.2). Dasselbe gilt in Fällen, in denen Entlastungsverpflichtungen aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen wahrzunehmen sind; auch diese können im Wege der Verlustausgleichsoption gemäß § 97 Abs. 2 EStG 1988 geltend gemacht werden (siehe Abschnitt 20.5.2).

20.3.4.2 Voraussetzungen zur Ausübung der Regelbesteuerungsoption

Rz 6227
Wie schon vor dem BBG 2011 kann die Regelbesteuerungsoption nur für sämtliche Kapitaleinkünfte des Steuerpflichtigen, dh. alle in- und ausländischen Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen, Derivaten und Kryptowährungen ausgeübt werden; sie umfasst auch die aufgrund des Subsidiaritätsprinzips unter den Haupteinkunftsarten zu erfassenden Kapitaleinkünfte.

Im Gegensatz zur Rechtslage vor dem BBG 2011 kann die Regelbesteuerungsoption unabhängig davon ausgeübt werden, ob die Anwendung des allgemeinen Steuertarifes zu einer geringeren Steuerbelastung führt als die besonderen Steuersätze. Zu beachten ist, dass mit dem BBG 2011 § 37 Abs. 4 EStG 1988 entfallen ist, sodass ab 1.4.2012 sämtliche Kapitaleinkünfte (einschließlich Gewinnanteile und Einkünfte aus Beteiligungsveräußerungen außerhalb der Jahresfrist) im Falle der Regelbesteuerung dem Normalsteuersatz unterliegen. Ergibt sich aus der Veranlagung zum allgemeinen Steuertarif eine höhere Besteuerung als bei Beibehaltung der besonderen Steuersätze (allenfalls auch bei Ausübung der Verlustausgleichsoption gemäß § 97 Abs. 2 EStG 1988, siehe Abschnitt 20.5.2), kann der Steuerpflichtige die Ausübung der Regelbesteuerungsoption auch noch im Rechtsmittelverfahren zurückziehen. Zudem kann der Antrag auf Regelbesteuerung auch noch rechtswirksam im Beschwerdeverfahren bzw. bei Rechtskraftdurchbrechung (zB Wiederaufnahme) gestellt werden (vgl. BFG 23.4.2018, RV/7101270/2016).

20.3.4.3 Rechtsfolgen der Ausübung der Regelbesteuerungsoption

Rz 6228
Die Ausübung der Regelbesteuerungsoption führt zu einer Veranlagung nach den allgemeinen Veranlagungstiteln der §§ 39 und 41 EStG 1988 unter Anrechnung der entrichteten Kapitalertragsteuer, wobei sämtliche in- und ausländischen Einkünfte aus Kapitalvermögen, auch wenn sie den Haupteinkunftsarten zugerechnet werden, dem Normalsteuersatz unterliegen. Es handelt sich daher um eine - durch die Bestimmungen des § 27a Abs. 5 EStG 1988 ergänzte - Veranlagung nach den §§ 39 oder 41 EStG 1988. Der Veranlagungsfreibetrag von 730 Euro gilt nicht für Einkünfte aus Kapitalvermögen, auf die die besonderen Steuersätze anwendbar sind (§ 41 Abs. 3 EStG 1988). Zu beachten ist weiters, dass die in § 27 Abs. 8 EStG 1988 enthaltenen Einschränkungen des Verlustausgleichs (siehe Abschnitt 20.4) sowie das Abzugsverbot des § 20 Abs. 2 EStG 1988 auch bei Ausübung der Regelbesteuerungsoption gelten (zur Ausnahme für Kryptowährungen siehe Rz 6105).

Rz 6228a
Die Anrechnung bzw. Erstattung der Kapitalertragsteuer unterbleibt insoweit, als der Steuerpflichtige einem Dritten den Anspruch auf einen Alleinverdienerabsetzbetrag (zur betraglichen Höhe siehe die Tabelle in LStR 2002 Rz 771a; zur Einkunftsgrenze siehe die Tabelle in LStR 2002 Rz 773) oder einen Kinderabsetzbetrag (zur betraglichen Höhe siehe die Tabelle in LStR 2002 Rz 790a) vermittelt. Übersteigen die vermittelten Absetzbeträge die anzurechnende Kapitalertragsteuer, kommt es daher zu keiner Erstattung.

Beispiele:

  1. 1. Ein Kind, für das ganzjährig Familienbeihilfe bezogen worden ist, hat im Jahr 2024 Sparbuchzinsen von 4.000 Euro. Die Kapitalertragsteuer beträgt daher 1.000 Euro; der Kinderabsetzbetrag im Jahr 2024 beträgt 67,80 Euro (Betrag für das Veranlagungsjahr 2024). Weitere Einkünfte liegen nicht vor. Es kommt 2024 zu einer Erstattung von 186 Euro (1.000-12*67,80 = 186,40; Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG 1988).
  2. 2. Ein Kind, für das ganzjährig Familienbeihilfe bezogen worden ist, hat im Jahr 2024 Sparbuchzinsen von 2.000 Euro. Die Kapitalertragsteuer beträgt daher 500 Euro; der Kinderabsetzbetrag im Jahr 2024 beträgt monatlich 67,80 Euro (813,6 Euro). Weitere Einkünfte liegen nicht vor. Es kommt 2024 zu keiner Erstattung der KESt, weil diese niedriger ist, als der für das Kind ganzjährig bezogene Kinderabsetzbetrag.
  3. 3. Der Ehepartner eines Alleinverdieners mit zwei Kindern bezog im Jahr 2024 Sparbuchzinsen von 2.000 Euro. Die KESt beträgt daher 500 Euro. Weitere Einkünfte liegen nicht vor. Eine KESt-Erstattung für 2024 unterbleibt, weil die KESt niedriger ist, als der dem Ehepartner zustehende Alleinverdienerabsetzbetrag in Höhe von 774 Euro (Betrag für das Veranlagungsjahr 2024).

Für das Unterbleiben der Anrechnung ist ohne Belang, ob der Dritte den jeweiligen Absetzbetrag tatsächlich beantragt hat bzw. in Anspruch nimmt.

Beispiel:

Der Ehepartner A eines (potenziellen) Alleinverdieners B mit zwei Kindern erzielte im Jahr 2024 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 5.000 Euro und bezog überdies Sparbuchzinsen von 2.000 Euro. Die KESt beträgt daher 500 Euro. Weitere Einkünfte liegen nicht vor.
Da auch Einkünfte aus Kapitalvermögen, die unter § 27a Abs. 1 EStG 1988 fallen, für die Einkunftsgrenze des Alleinverdienerabsetzbetrages von 6.937 Euro (Betrag für das Veranlagungsjahr 2024) unabhängig davon relevant sind, ob eine Regelbesteuerung beantragt wird oder nicht, steht B hier jedenfalls kein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. A erhält daher im Fall der Regelbesteuerungsoption die gesamte KESt von 500 Euro erstattet.

20.3.4.4 Mindestbesteuerung bei ausländischen Kapitaleinkünften bei Kinderabsetzbetrag oder Alleinverdienerabsetzbetrag

Rz 6229
Zu beachten ist, dass es im Interesse der Herstellung eines gleichen Besteuerungsergebnisses wie bei KESt-pflichtigen Inlandserträgen bei Vorliegen von KESt-freien (insbesondere ausländischen) Kapitaleinkünften bei Kindern oder (Ehe)Partnern von Alleinverdienern zu einer Mindestbesteuerung kommt. § 42 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 sieht hier eine Steuererklärungspflicht und § 41 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 einen Pflichtveranlagungstitel bei gleichzeitigem Bezug von (idR geringfügigen) lohnsteuerpflichtigen Einkünften vor.

Beispiel (Variante des Beispiels 1 in Abschnitt 20.3.4.3):

Ein Kind, für das ganzjährig Familienbeihilfe bezogen worden ist, hat im Jahr 2024 ausländische Sparbuchzinsen von 4.000 Euro. Ein Kapitalertragsteuerabzug erfolgte daher nicht. Es besteht Erklärungspflicht nach § 42 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, bei der Veranlagung wird eine Mindeststeuer iHv 12*67,80 Euro = 813,60 Euro festgesetzt, weil in dieser Höhe auch bei inländischen Kapitalerträgen die KESt eine endgültige Besteuerung darstellen würde.

Beispiel 2 (Variante des Beispiels 2 in Abschnitt 20.3.4.3):

Ein Kind, für das ganzjährig Familienbeihilfe bezogen worden ist, hat im Jahr 2024 ausländische Sparbuchzinsen von 2.000 Euro. Es besteht Erklärungspflicht nach § 42 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, bei der Veranlagung wird eine Mindeststeuer iHv 500 Euro

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