18.3.3.1 Allgemeines
Nach § 24 Abs. 6 EStG 1988 unterbleibt in bestimmten Fällen der Betriebsaufgabe auf Antrag die Erfassung der stillen Reserven des zum Betriebsvermögen gehörenden Teiles des dem Betriebsinhaber bis zur Betriebsaufgabe als Hauptwohnsitz dienenden Gebäudes. Dadurch soll verhindert werden, dass stille Reserven des Gebäudes versteuert werden müssen, die nicht realisiert werden können, ohne dass gleichzeitig der bisherige Hauptwohnsitz aufgegeben werden müsste.Ausgenommen von der Besteuerung sind die auf das gesamte Gebäude entfallenden stillen Reserven, unabhängig davon, ob die als Wohnung des Betriebsinhabers dienenden Gebäudeteile auf Grund ihres Anteils an der gesamten Nutzfläche zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen gehört haben. Von der Begünstigung sind auch stille Reserven erfasst, die auf den dem Gebäude zugehörigen Grund und Boden entfallen (vgl. VwGH 14.12.2006, 2005/14/0038; VwGH 28.10.2009, 2009/15/0168). Bei Betriebsaufgaben nach dem 31.3.2012 sind von der Begünstigung nur die stillen Reserven des Gebäudes erfasst. Grund und Boden ist bei Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen mit dem Buchwert zu bewerten (§ 24 Abs. 3 EStG 1988), wodurch es zu keiner Aufdeckung stiller Reserven kommt."Gebäude" im Sinn des § 24 Abs. 6 EStG 1988 ist eine bautechnische Einheit. Mehrere bautechnische Einheiten sind daher als mehrere Gebäude anzusehen. Sollte sich der Hauptwohnsitz auf mehr als ein Gebäude (bautechnische Einheit) erstrecken, ist nur jenes von der Begünstigung umfasst, das im Verhältnis zum anderen überwiegend für die Wohnbedürfnisse des Steuerpflichtigen Verwendung findet. Befinden sich in einem Gebäude jene Räume, die sich nach der Verkehrsauffassung als für das Wohnen erforderlich erweisen, ist nur dieses und nicht auch ein weiteres Gebäude von der Begünstigung erfasst (VwGH 14.12.2006, 2005/14/0038).Die Begünstigung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 ist steuersubjektbezogen auszulegen. Sie ist anzuwenden auf- Alleineigentum,
- Miteigentum,
- gemeinschaftliches Eigentum von Mitunternehmern,
- Wohnungseigentum.
18.3.3.2 Anwendungsfälle
Die Besteuerung der stillen Reserven unterbleibt nur dann, wenn eine Betriebsaufgabe erfolgt und einer der folgenden Fälle vorliegt:- Der Steuerpflichtige ist gestorben und es wird dadurch eine Betriebsaufgabe veranlasst (zum Zeitraum, innerhalb dessen eine begünstigte Betriebsaufgabe erfolgen kann, siehe Rz 7313).
- Der Steuerpflichtige ist wegen körperlicher und geistiger Behinderung in einem Ausmaß erwerbsunfähig, dass er nicht in der Lage ist, seinen Betrieb fortzuführen oder die mit seiner Stellung als Mitunternehmer verbundenen Aufgaben oder Verpflichtungen zu erfüllen (siehe Rz 7314 ff).
- Der Steuerpflichtige hat das 60. Lebensjahr vollendet und stellt seine Erwerbstätigkeit ein. Eine Erwerbstätigkeit liegt nicht vor, wenn der Gesamtumsatz aus den ausgeübten Tätigkeiten 22.000 Euro und die gesamten Einkünfte aus den ausgeübten Tätigkeiten 730 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen (siehe Rz 7316 ff).
18.3.3.3 Voraussetzungen
18.3.3.3.1 Gebäude, Hauptwohnsitz
Die Begünstigung des § 24 Abs. 6 EStG 1988 erstreckt sich nur auf Gebäude, die bis zur Aufgabe des Betriebes Hauptwohnsitz des Steuerpflichtigen gewesen sind.Der Begriff des Gebäudes (siehe auch Rz 3139 ff) iSd § 24 Abs. 6 EStG 1988 wird nicht durch Gesichtspunkte wirtschaftlicher Zusammengehörigkeit bestimmt, sondern durch bautechnische Kriterien. Die Steuerfreiheit der stillen Reserven für das Wohngebäude kann bei Aufgabe eines Betriebes daher nicht für ein Betriebsgebäude beansprucht werden, das bautechnisch (wenn auch nur wenige Meter) vom Wohngebäude getrennt ist (VwGH 19.2.1991, 91/14/0031).
Der Begriff des Wohnsitzes richtet sich nach § 26 Abs. 1 BAO. Liegt nur ein Wohnsitz vor, ist dieser in der Regel der Hauptwohnsitz. Bei mehreren Wohnsitzen gilt als Hauptwohnsitz derjenige, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen; siehe auch Rz 6638).Die nur kurzfristige Begründung des Hauptwohnsitzes in einem zum Betriebsvermögen gehörenden Gebäudeteil ist bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze nicht ausreichend. Von einer kurzfristigen Begründung ist jedenfalls auszugehen, wenn die Wohnung nur wenige Monate als Hauptwohnsitz gedient hat. Für Betriebsaufgaben ab der Veranlagung 2005 muss das Gebäude in Anlehnung an § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 in den beiden vor der Erfassung des Aufgabegewinnes liegenden Kalenderjahren durchgehend der Hauptwohnsitz des Steuerpflichtigen gewesen sein.