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16.2.11 Zusammentreffen verschiedener Tätigkeiten

BMF2023-0.871.81913.3.2024

Rz 5284
Tätigkeiten, die teils gewerbliche, teils selbständige Arbeit betreffen und zwischen denen kein enger sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, sind getrennt zu beurteilen (VwGH 5.5.1970, 1894/68; VwGH 15.9.1993, 91/13/0237).

Beispiel 1:

Mangels eines Zusammenhanges mit der freiberuflichen Tätigkeit ist die nicht nur gelegentliche Kreditvermittlung durch einen Rechtsanwalt eine gewerbliche und von der freiberuflichen Betätigung gesondert zu beurteilende Tätigkeit, wenn sie ausschließlich im Zusammenbringen der Geschäftspartner besteht und mit einer von der Kreditsumme abhängigen Provision entlohnt wird (VwGH 21.10.1966, 0489/66).

Beispiel 2:

Die Tätigkeiten eines akademischen Malers und Ausstellungsgestalters sind in eine freiberufliche und eine gewerbliche Tätigkeit zu trennen (VwGH 5.5.1970, 1894/68).

Beispiel 3:

Die Beteiligung eines Rechtsanwaltes an einem Hotel- und Kurbetrieb über eine Personengesellschaft gehört nicht zu dessen freiberuflicher Tätigkeit (VwGH 17.9.1990, 89/14/0130).

Beispiel 4:

Nutzt ein Gewerbetreibender seine beruflichen Erfahrungen auch als Fachschriftsteller, dann ist die schriftstellerische Tätigkeit von der gewerblichen zu trennen.

Rz 5285
Besteht ein enger sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit, dann ist grundsätzlich eine einheitliche Tätigkeit anzunehmen. Die Einkunftsart bestimmt sich danach, welche Elemente im Einzelfall überwiegen. Steht die gewerbliche Tätigkeit im Vordergrund, dann ist die gesamte Tätigkeit als gewerbliche Tätigkeit einzustufen (vgl. VwGH 11.11.1970, 0521/69; VwGH 25.11.1980, 2737/79; VwGH 23.10.1990, 89/14/0020; VwGH 11.8.1993, 91/13/0201), steht dagegen die gewerbliche Tätigkeit untergeordnet im Hintergrund (Nebentätigkeit), so liegt insgesamt eine freiberufliche Tätigkeit vor (vgl. VwGH 29.6.1982, 1424/78; VwGH 13.3.1997, 95/15/0124).

Rz 5286
Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Unternehmer verschiedene Tätigkeiten in mehreren Betrieben oder im Rahmen eines einheitlichen Betriebes entfaltet, sind objektive Grundsätze heranzuziehen. Danach liegt bloß ein Betrieb vor, wenn die mehreren Betriebszweige nach der Verkehrsauffassung und nach den Betriebsverhältnissen als Teil des Gewerbebetriebs anzusehen sind; das trifft bei engem wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Zusammenhang zu (VwGH 22.11.1995, 94/15/0154). Es kommt dabei auf das Ausmaß der objektiven organisatorischen, wirtschaftlichen und finanziellen Verflechtung zwischen den einzelnen Betrieben im Einzelfall an (VwGH 22.11.1995, 94/15/0154); das Vorliegen eines bloß persönlichen Zusammenhanges genügt dagegen nicht (VwGH 20.4.1982, 81/14/0180).

Rz 5287
Als Merkmal für den einheitlichen Betrieb sind etwa anzusehen: Ein Verhältnis zwischen wirtschaftlicher Über- und Unterordnung zwischen den Betrieben, Hilfsfunktionen eines Betriebes gegenüber dem anderen, Verwendung gleicher Rohstoffe, gleicher Anlagen und desselben Personals (VwGH 22.11.1995, 94/15/0154).

Rz 5288
Nicht gleichartige Tätigkeiten bilden einen einheitlichen Betrieb, wenn sie geeignet sind, einander zu ergänzen (VwGH 22.11.1995, 94/15/0154).

Beispiel 1:

Eine Kuranstalt bildet mit den ärztlichen und nichtärztlichen Leistungen einen einheitlichen Betrieb [siehe VwGH 6.5.1980, 0442/79, betreffend Sanatorium (Kurheim) als notwendige Ergänzung der ärztlichen Tätigkeit].

Beispiel 2:

Die (tier)ärztliche Hausapotheke wird unabhängig von der Höhe des Gewinnes oder Umsatzes als sachlich unselbständiger Teil der ärztlichen Tätigkeit angesehen (VwGH 22.5.1953, 3026/52).

Beispiel 3:

Die Veräußerung von Kontaktlinsen durch den Augenarzt ausschließlich an seine Patienten gehört zur freiberuflichen Tätigkeit (VwGH 13.3.1997, 95/15/0124).

Beispiel 4:

Das zahntechnische Labor eines Zahnarztes ist unselbständiger Teil der zahnärztlichen Tätigkeit, wenn die zahntechnischen Arbeiten für die eigenen Patienten erfolgen. Arbeiten für andere Zahnärzte sind noch freiberuflich, wenn sie ein geringfügiges Ausmaß nicht übersteigen. Bei Übersteigen dieser Grenze ist das Labor ein vom zahnärztlichen Betrieb gesondert zu beurteilender Gewerbebetrieb. Die Grenze zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn die zahntechnischen Arbeiten für andere Ärzte 5% der Einnahmen aus der Tätigkeit als Zahnarzt einschließlich der zahntechnischen Arbeiten für eigene Patienten übersteigen.

Beispiel 5:

Die Vermittlung rezeptpflichtiger Futtermittelzusätze durch einen Tierarzt, der die betreffenden Tiere auch behandelt, gehört zu der freiberuflichen Tätigkeit. Die Provisionseinnahmen zählen zu den Einkünfte aus selbständiger Arbeit (VwGH 13.5.1975, 2213/74).

Beispiel 6:

Steht eine Tätigkeit, die an sich als Ausübung eines freien Berufes (Erfindertätigkeit) anzusehen wäre, mit einem Gewerbebetrieb in einem solchen sachlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, dass sie ihre Selbständigkeit verliert und gewerblichen Zwecken dienstbar gemacht wird, so ist sie dem Gewerbebetrieb zuzurechnen. Gehören Patente somit zu einem Betriebsvermögen, dann zählen die daraus fließenden Lizenzgebühren zu den gewerblichen Einkünften (VwGH 8.6.1994, 91/13/0244; VwGH 10.1.1958, 2114/56).

Beispiel 7:

Erhält ein Künstler Vermittlungsentgelte dafür, dass er die Vervielfältigung des Kunstwerkes seitens seines Auftraggebers durch einen bestimmten Gewerbebetrieb vermittelt, dann sind diese Entgelte (Provisionen) noch der künstlerischen Tätigkeit zuzurechnen und nicht Ausfluss einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit, wenn sie mit der Vermittlung der Vervielfältigung der eigenen Kunstwerke zusammenhängen (VwGH 27.9.1972, 1905/70).

Beispiel 8:

Ein Künstler, der seine Werke im Selbstverlag vervielfältigt und den Verkauf seiner Verlagserzeugnisse selbst durchführt, ist insgesamt gewerblich tätig (VwGH 30.10.1968, 0609/68). Die Vervielfältigung auf Grund des Urheberrechtes bedeutet nicht, dass die Herstellung der Vervielfältigung selbst eine künstlerische Tätigkeit bildet (VwGH 20.11.1989, 89/14/0142).

Beispiel 9:

Aus der Durchführung kaufmännischer und organisatorischer Arbeiten für Veranstaltungen medizinischer Kongresse erzielte Einkünfte sind solche aus Gewerbebetrieb. Die im Rahmen dieser Haupttätigkeit geleisteten Arbeiten als Grafiker(in) sind als Nebentätigkeit und damit als Teil des Gewerbebetriebes zu beurteilen (VwGH 24.1.1996, 93/13/0115).

Beispiel 10:

Der Selbstverlag eines Schriftstellers stellt mit der schriftstellerischen Tätigkeit eine Einheit dar. Überschreitet die Tätigkeit des Selbstverlages ein ganz untergeordnetes Ausmaß, liegt eine einheitliche gewerbliche Tätigkeit vor (VwGH 2.10.1959, 1573/56; VwGH 30.10.1968, 0609/68; VwGH 5.11.1986, 85/13/0082). Ein untergeordnetes Ausmaß der Selbstverlagstätigkeit ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn das Werk des Schriftstellers in Form eines Skriptums veröffentlicht wird, zumal ein Skriptum die unterste Stufe eines schriftlichen Mediums darstellt.

Beispiel 11:

Eine Werbeagentur und eine Unternehmensberatung sind nicht als zwei selbständige Betriebe, sondern als ein Gewerbebetrieb anzusehen, wenn sie in engstem Zusammenhang betrieben werden (VwGH 22.11.1995, 94/15/0154).

Beispiel 12:

Die an sich freiberufliche Tätigkeit eines Ziviltechnikers wird zur gewerblichen Tätigkeit, wenn er sich nicht mehr bloß auf Planungsarbeiten beschränkt, sondern auch die Ausführung auf eigenes Risiko übernimmt (VwGH 26.11.1975, 1401/74; VwGH 11.11.1970, 0521/69; VwGH 21.5.1969, 0538/68).

Beispiel 13:

Für die einkommensteuerliche Qualifikation eines Ziviltechnikers ist es nicht schädlich, wenn am selben Standort und ohne organisatorische Trennung auch gewerbliche Tätigkeiten (Warenverkauf und Vermittlungen) in nur geringfügigem Ausmaß ausgeübt werden (VwGH 29.6.1982, 1424/78).

Rz 5288a
Bei Zusammentreffen einer freiberuflichen (§ 22 Z 1 EStG 1988) und einer vermögensverwaltenden Tätigkeit (§ 22 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988) liegen grundsätzlich zwei Betriebe vor; dies gilt dann nicht, wenn zwischen den Tätigkeiten ein enger Zusammenhang besteht.

Beispiele für das Vorliegen eines engen Zusammenhanges:

1. Ein Rechtsanwalt übernimmt für einen langjährigen Klienten auch die Tätigkeit als Vorstand in dessen Privatstiftung. Die Einkünfte als Stiftungsvorstand sind als Einkünfte aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt zu erfassen.

2. Ein Notar verwaltet treuhändig Klientengelder; es liegt insgesamt eine freiberufliche Tätigkeit vor.

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