EAS 3445
Übt eine in Österreich ansässige, im Rechnungswesen beschäftigte Mitarbeiterin einer in Deutschland ansässigen geschäftsleitenden Holding-AG ihre Tätigkeit dauerhaft drei Tage die Woche in den Räumlichkeiten der AG in Deutschland und zwei Tage die Woche in ihrer Privatwohnung (Homeoffice) in Österreich aus, so stellt sich die Frage, ob die Holding-AG in dieser Konstellation in Österreich eine Betriebsstätte gemäß Art. 5 Abs. 1 DBA-Deutschland begründet.
Gegen das Vorliegen einer Betriebsstätte würde jedenfalls sprechen, wenn die Tätigkeit lediglich sporadisch oder gelegentlich im Homeoffice ausgeübt oder sie eine Hilfstätigkeit darstellen würde (OECD-MK Art. 5 Z 18). Bei einer Nutzung des Homeoffice an zwei Tagen pro Woche kann nicht von einer bloß gelegentlichen Nutzung ausgegangen werden (VPR 2021 Rz 262). Darüber hinaus kann eine Tätigkeit nur dann als bloße Hilfstätigkeit im Sinne des Art. 5 Abs. 4 DBA-Deutschland angesehen werden, wenn sie nicht das Kerngeschäft der Gesellschaft bildet. Im Falle einer Tätigkeit im Rechnungswesen bei einer geschäftsleitenden Holding, die selbst keine Tätigkeiten im operativen Kerngeschäft des Konzerns (insb. keine Forschung und Entwicklung, keine Produktion, keinen Vertrieb etc.), wohl aber die für geschäftsleitende Holdinggesellschaften übliche Vielzahl typischer Zentraldienstleistungen (zB Rechnungswesen, Legal, IT, Personal etc.) gegenüber verbundenen Unternehmen erbringt, wäre eine Hilfstätigkeit zu verneinen (EAS 3432 mit Verweis auf OECD-MK Art. 5 Z 61).
Durch die Tätigkeit im Homeoffice kann nach der geltenden österreichischen Verwaltungspraxis grundsätzlich eine faktische Verfügungsmacht über eine inländische feste örtliche Einrichtung begründet werden (zuletzt EAS 3415). Auf Grundlage des OECD-MK in der geltenden Fassung 2017 wäre aber eine solche Verfügungsmacht grundsätzlich zu verneinen, wenn der Arbeitgeber vom Mitarbeiter die Tätigkeit im Homeoffice nicht verlangt, indem er dem Mitarbeiter einen Arbeitsplatz zur ständigen Benutzung zur Verfügung stellt und dieser auch tatsächlich genutzt wird (OECD-MK Art. 5 Rz 18 f). Bei einer Tätigkeit von drei Tagen pro Woche an einem ständig zur Verfügung stehenden eigenen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber wird davon auszugehen sein, dass der Arbeitgeber das Arbeiten im Homeoffice nicht verlangt und daher keine faktische Verfügungsmacht über das Homeoffice vorliegt. Somit wird keine Betriebsstätte gemäß Art. 5 Abs. 1 DBA-Deutschland begründet.
Der OECD-MK lässt indessen offen, ob das Kriterium des "Nicht-Verlangens" bei Führungspersonal oder leitenden Angestellten (wie etwa bei einer Finanzvorständin) gleichermaßen gegen die Begründung einer Betriebsstätte spricht. Daher ist diese Frage aus heutiger Sicht auf internationaler Ebene noch ungeklärt. Alleine der Umstand, dass die Homeoffice-Tätigkeit auf Wunsch der Mitarbeiterin erfolgt, ist für die Beurteilung einer Betriebsstätte in einem solchen Fall nicht maßgeblich.
Bundesministerium für Finanzen, 7. Juli 2023
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | Art. 5 Abs. 1 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 |
Schlagworte: | Betriebsstätte, Homeoffice, Hilfstätigkeiten, geschäftsleitende Holding, Verfügungsmacht |
Verweise: | VPR 2021, Verrechnungspreisrichtlinien 2021 Rz 262 |