EAS 3443
Geht eine Beteiligung an einer österreichischen GmbH, die unter Zwischenschaltung mehrerer Gesellschaften eine in Frankreich gelegenen Immobilie hält, anlässlich des Ablebens einer in Österreich ansässigen Person auf eine gemeinnützige Schweizer Stiftung über, unterliegt diese unentgeltliche Zuwendung gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Stiftungseingangssteuergesetz der österreichischen Stiftungseingangssteuer (StiftESt).
Hat der Zuwendende (Erblasser) seinen Wohnsitz im Zeitpunkt seines Todes in Österreich, findet gemäß Art. 1 lit. a das DBA(Erb)-FRA Anwendung. Die StiftESt stellt eine Steuer "gleicher oder im wesentlichen ähnlicher Art" zur abgeschafften österreichischen Erbschafts- und Schenkungssteuer dar (Art. 2 Abs. 2iVm Art. 2 Abs. 1 lit. b DBA(Erb)-FRA; vgl. EAS 3428 zu DBA(Erb)-USA; ähnlich EAS 3435 zu DBA(Erb)-CH).
Es stellt sich sodann die Frage, ob die von Todes wegen übergehende Beteiligung an einer österreichischen GmbH nach dem DBA(Erb)-FRA als unbewegliches Vermögen gemäß Art. 5 Abs. 3 DBA(Erb)-FRA zu werten ist und daher das im Wege der StiftESt bestehende Besteuerungsrecht Österreichs gemäß Art. 5 Abs. 1iVm Art. 11 Abs. 2 lit. a und c DBA(Erb)-FRA eingeschränkt wird.
Gemäß Art. 5 Abs. 3 DBA(Erb)-FRA umfasst der Ausdruck "unbewegliches Vermögen" auch Aktien, Anteile oder andere Rechte an einer Gesellschaft, deren gehaltenes Aktivvermögen - selbst unter Zwischenschaltung einer oder mehrerer Gesellschaften - hauptsächlich aus in Frankreich gelegenem unbeweglichem Vermögen besteht. Bei Anwendung dieser Bestimmung bleibt jedoch unbewegliches Vermögen einer juristischen Person außer Betracht, das der industriellen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder einer anderen betrieblichen Eigennutzung dient. Eine analoge Bestimmung findet sich auch in Art. 13 Abs. 2und Art. 22 Abs. 1 lit. b DBA-FRA für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.
Um zu beurteilen, ob das Gesamtvermögen einer österreichischen GmbH hauptsächlich aus französischem Immobilienbesitz besteht, sind die Verkehrswerte der in Frankreich gelegenen unbeweglichen Wirtschaftsgüter - unter Außerachtlassung der diese Werte schmälernden Schulden und Lasten - in Relation zum gesamten aktiven Vermögen der österreichischen GmbH (ebenfalls zu Verkehrswerten angesetzt) zu stellen. In Drittstaaten gelegene Vermögenswerte sind hierbei beim Gesamtvermögen anzusetzen. "Hauptsächlich" bedeutet aber nicht ein rechnerisches Überwiegen im Sinne von mehr als 50 %. Vielmehr ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen, ob der Immobilienbesitz die Hauptsache des Unternehmens in Hinblick auf dessen Geschäftszweck bildet (siehe EAS 3146 zur gleichen Problematik im Fall von Art. 13 Abs. 2 DBA-FRA; weiters auch EAS 3137, 3379). Dies gilt auch dann, wenn die Immobilie nicht unmittelbar im Besitz der österreichischen GmbH, sondern im Besitz einer Tochtergesellschaft steht. Diesfalls müsste das Verkehrswertverhältnis auf Basis sämtlicher unmittelbar und mittelbar gehaltener Vermögenswerte der österreichischen GmbH ermittelt sowie auf deren Geschäftszweck abgestellt werden. Liegt der Anteil des französischen Immobilienvermögens bei ca. 45% und bildet dieses nicht den hauptsächlichen Geschäftszweck der sachverhaltsgegenständlichen Gesellschaft, so ist Art. 5 Abs. 3 DBA(Erb)-FRA nicht erfüllt.
Sofern demnach Art. 5 Abs. 1 DBA(Erb)-FRA mangels "hauptsächlich" gehaltenen unbeweglichen Vermögens nicht zur Anwendung gelangt, kommt Art. 8 DBA(Erb)-FRA zum Tragen. Dieser weist, analog zu Art. 13 Abs. 6und Art. 22 Abs. 4 DBA-FRA für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, Österreich das ausschließliche Besteuerungsrecht zu. Würde es sich jedoch bei der Beteiligung an der österreichischen GmbH um französisches "unbewegliches Vermögen" iSd Art. 5 Abs. 3 DBA(Erb)-FRA handeln, so dürfte Frankreich die Zuwendung gemäß Art. 5 Abs. 1 DBA(Erb)-FRA besteuern und Österreich müsste das Vermögen gemäß Art. 11 Abs. 2 lit. a und c DBA(Erb)-FRA von der Besteuerung ausnehmen.
Sollte es aufgrund einer divergierenden Abkommensanwendung zu einer abkommenswidrigen Besteuerung kommen, kann gemäß Art. 13 DBA(Erb)-FRA zwischen den zuständigen Behörden ein Verständigungsverfahren geführt werden.
Bundesministerium für Finanzen, 6. Februar 2023
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 1 Abs. 1 und 2 StiftEG, Stiftungseingangssteuergesetz, BGBl. I Nr. 85/2008 |
Schlagworte: | DBA-Erbschafts- und Schenkungssteuer Frankreich, Stiftungseingangssteuer, Immobilienklausel, Verständigungsverfahren |
Verweise: |