20.2.4.16.1 Allgemeines
Für die ertragsteuerliche Beurteilung von ausländischen Versicherungsprodukten, bei denen der Versicherungsnehmer einen gewissen Einfluss auf die Vermögenswerte des Deckungsstocks behält, stellt sich die Frage, ob dem Versicherungsnehmer angesichts seiner Dispositionsmöglichkeiten die (Kapital)Erträge aus den dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapieren unmittelbar zuzurechnen sind.20.2.4.16.2 Vergleichbarkeit mit inländischen Versicherungsprodukten
Bei ausländischen Versicherungsprodukten, die jenen Produkten vergleichbar sind, die auch inländische Versicherungsunternehmen unter der Bezeichnung als Versicherungen anbieten dürfen, kann davon ausgegangen werden, dass das Versicherungsunternehmen wirtschaftlicher Eigentümer der dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapiere ist.Welche Produkte im Inland konzessionierte Versicherungsunternehmen unter der Bezeichnung als Versicherungen anbieten dürfen, wird durch das Versicherungsaufsichtsgesetz und die dazu ergangenen Rundschreiben der FMA geregelt. Danach dürfen folgende Vertragstypen angeboten werden:
- Die klassische Lebensversicherung (Erlebensversicherung, Ablebensversicherung, Er- und Ablebensversicherung) zeichnet sich dadurch aus, dass das Versicherungsunternehmen dem Versicherungsnehmer bestimmte Leistungen garantiert, selbst das Kapitalanlagerisiko trägt und bei der Kapitalanlage an die Kapitalanlageverordnung der FMA gebunden ist. Innerhalb der Deckungsstockabteilung (§ 20 Abs. 2 Z 1 VAG) erfolgt keine Zuordnung einzelner Vermögenswerte zu bestimmten Versicherungsverträgen. Für die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen kommt der gemäß Höchstzinssatzverordnung der FMA festgelegte Höchstzinssatz ("Garantiezins") zur Anwendung.
- Mit BGBl. I Nr. 22/2009 wurde die klassische Lebensversicherung um den Typus der kapitalanlageorientierten Lebensversicherung ergänzt. Dabei handelt es sich um eine spezifische Form der klassischen Lebensversicherung, für die es eine eigene Deckungsstockabteilung (§ 20 Abs. 2 Z 4a VAG) gibt, innerhalb der eine Zuordnung von Vermögenswerten zu Gruppen von Versicherungsverträgen (nicht aber für einzelne Versicherungsverträge) möglich ist. Hinsichtlich Garantiezins und Veranlagung nach der Kapitalanlageverordnung gelten allerdings dieselben Regelungen wie bei der klassischen Lebensversicherung.
- Bei der indexgebundenen Lebensversicherung (Deckungsstockabteilung § 20 Abs. 2 Z 4 VAG) wird die Höhe der Versicherungsleistung an die Entwicklung eines - für den Kunden jederzeit ohne außergewöhnlichen Aufwand ermittelbaren bzw. extern zugänglichen - Index bzw. Bezugswertes geknüpft. Das Versicherungsunternehmen trägt daher nicht das Kapitalanlagerisiko.
- Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung (Deckungsstockabteilung § 20 Abs. 2 Z 3 VAG) steht die Veranlagung in bestimmte Fonds im Vordergrund. Die Angabe der Kapitalanlagefonds, in die investiert wird, ist (notwendiger) Vertragsinhalt dieser Lebensversicherung. Den einzelnen Versicherungsverträgen werden konkrete und eindeutig identifizierbare Anteilsrechte zugeordnet, das Versicherungsunternehmen trägt nicht das Kapitalanlagerisiko. Zugelassen sind nur externe Fonds, dh. die Veranlagung in die verschiedenen Vermögenswerte darf nicht durch das Versicherungsunternehmen selbst erfolgen. Der Versicherungsnehmer kann typischerweise nach Vertragsabschluss zwischen den vom Versicherer angebotenen Investmentfonds wechseln und seine Fondsanteile ganz oder teilweise umschichten (Switch-Aufträge). Die Kapitalauszahlung kann auch durch Übertragung von Fondsanteilen erfolgen.
In der Praxis werden fonds- und indexgebundene Lebensversicherungen oft mit "Garantien" verkauft. Solche "Garantien" dürfen nicht vom Versicherungsunternehmen, sondern nur von Dritten abgegeben werden (das Versicherungsunternehmen darf höchstens das Ausfallsrisiko des Garantiegebers übernehmen).
Bei der index- und fondsgebundenen Lebensversicherung müssen folgende Voraussetzungen gemeinsam erfüllt sein:- Risikoübernahme: Das Versicherungsunternehmen muss ein maßgebliches Risiko übernehmen. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn im Ablebensfall ein Risikokapital von mindestens 5% der Deckungsrückstellung enthalten ist; diesfalls ist dies zB erfüllt, wenn 105% des aktuellen Werts des Deckungsstocks zur Auszahlung kommen. Bei erhöhten biometrischen Risiken (erhöhte Sterblichkeit) kann das Risikokapital grundsätzlich ein geringeres Ausmaß aufweisen, wobei die Höhe des Ausmaßes im konkreten Einzelfall zu ermitteln ist (VwGH 28.05.2013, 2008/17/0081).
- Tarif: Es muss ein Tarif gemäß § 18 Abs. 1 VAG im Sinne eines für einen größeren Personenkreis konzipierten Produkts gegeben sein und der FMA vorgelegt werden. Der Begriff "Tarif" bringt zum Ausdruck, dass es beim Versicherungsgeschäft immer um eine Vielzahl gleich(artig)er Verträge geht, das Geschäft wird nach dem Gesetz der großen Zahl betrieben. Dies gilt für alle Lebensversicherungen, sodass "private insuring" im Sinne einer für jeden Versicherungsvertrag völlig individuellen Veranlagungsstrategie (etwa bei einem Einmalerlag in Form einer Depotübertragung) daher nicht zulässig ist.
- Produkte, bei denen tatsächlich kein Versicherungsrisiko übernommen wird, insbesondere Produkte, bei denen im Ablebensfall kein Risikokapital von mindestens 5% der Deckungsrückstellung enthalten ist (sofern dieser Wert nicht aufgrund eines im konkreten Fall vorhandenen biometrischen Risikos geringer ausfallen kann; siehe dazu Rz 6210a), sowie Produkte, bei denen der Versicherungsfall erst bei Ableben mehrerer Personen eintritt (sodass kein maßgebliches versicherungstechnisches Risiko besteht). Bei Rentenversicherungsverträgen kann das maßgebliche Risiko in der zugesagten, der Höhe nach bezifferten Rente liegen (siehe aber zu einer Rentenversicherung, bei der die Wahrscheinlichkeit der Renteninanspruchnahme insbesondere auf Grund einer sehr langen Aufschubdauer sehr gering ist, VwGH 19.10.2022, Ro 2021/15/0013).
- Produkte, bei denen ein Einmalerlag in Form einer Depotübertragung möglich ist (im Sinne von "private insuring").
- Produkte, bei denen für jeden Versicherungsvertrag eine völlig individuelle Veranlagungsstrategie besteht ("private insuring").