20.3.1 Allgemeines
Die Begriffe Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen ("SEG-Zulagen") werden im Gesetz definiert und sind nur begünstigt, soweit sie auf Grund der im § 68 Abs. 5 Z 1 bis 7 EStG 1988 genannten lohngestaltenden Vorschriften gewährt werden. Liegt eine lohngestaltende Vorschrift als formelle Voraussetzung für die Begünstigung von Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen vor, ist weiter zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen einer Verschmutzung, Erschwernis oder Gefahr im Sinne der Legaldefinition des § 68 Abs. 5 EStG 1988 gegeben sind (vgl. VwGH 31.03.2011, 2008/15/0322) und das Ausmaß der Zulage angemessen ist (VwGH 17.02.1988, 85/13/0177).Von einem angemessenen Ausmaß der Zulage wird im Regelfall dann auszugehen sein, wenn die Zulage der Höhe nach einer lohngestaltenden Vorschrift - insbesondere einer lohngestaltenden Vorschrift im Sinne des § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 EStG 1988 - entspricht. Zahlt ein Arbeitgeber höhere Bezüge als die in der maßgebenden lohngestaltenden Vorschrift vorgesehenen Mindestlöhne, werden Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen grundsätzlich insoweit als angemessen anzusehen sein, als die Zulage im selben Ausmaß erhöht wird, wie der Lohn.
Beispiel 1:
Der kollektivvertragliche Bruttomonatslohn eines Transportarbeiters beträgt 1.318,70 Euro. Für die Dauer der Beschäftigung in Kühlräumen gebührt dem Arbeitnehmer eine Erschwerniszulage von 1,42 Euro pro Stunde.
Ein Arbeitgeber gewährt einem Transportarbeiter tatsächlich einen Bruttomonatslohn von 1.500 Euro. Die Überzahlung beträgt daher 13,75 % des KV-Lohnes.
Es bestehen in diesem Beispiel keine Bedenken, die Erschwerniszulage bis zu einem Betrag von 1,62 Euro pro Stunde (113,75 % von 1,42 Euro) gemäß § 68 EStG 1988 begünstigt zu behandeln.
Beispiel 2:
Der kollektivvertragliche Bruttostundenlohn eines Hilfsarbeiters im Güterbeförderungsgewerbe beträgt 6,60 Euro. Für die Dauer einer bestimmten verschmutzenden Tätigkeit gebührt dem Arbeitnehmer eine Schmutzzulage im Ausmaß von 10 % des maßgebenden KV-Stundenlohnes, das sind in diesem Fall 0,66 Euro.
Ein Arbeitgeber gewährt einem Hilfsarbeiter tatsächlich einen Stundenlohn von 7,00 Euro.
Es bestehen in diesem Beispiel keine Bedenken, die Schmutzzulage bis zu einem Betrag von 0,70 Euro pro Stunde (10 % von 7 Euro) gemäß § 68 EStG 1988 begünstigt zu behandeln.
Es obliegt der Abgabenbehörde - in jenen Fällen, bei denen die Voraussetzungen des § 68 Abs. 5 EStG 1988 dem Grunde nach erfüllt sind - grundsätzlich (auch), die Angemessenheit einer gewährten Zulage nach § 68 Abs. 1 EStG 1988 zu prüfen. Dies ist Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, wonach für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht das äußere Erscheinungsbild des Sachverhalts maßgebend ist. Die bloße Bezeichnung eines Betrages als Schmutz-, Erschwernis- oder Gefahrenzulage sichert die steuerliche Begünstigung daher nicht, soweit ein sachlich vertretbarer Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der erheblichen zwangsläufigen Verschmutzung, der außerordentlichen Erschwernis oder der besonderen zwangsläufigen Gefährdung und der gewährten Zahlung nicht besteht und sich die Zahlung ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach daher teilweise auch als Abgeltung der vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitsleistung darstellt (vgl. VwGH 30.06.2021, Ra 2020/15/0123, VwGH 20.10.2022, Ra 2021/13/0121).
Der zwischen den Kollektivvertragspartnern typischerweise bestehende Interessensgegensatz steht dieser Prüfung nicht entgegen (vgl. VwGH 30.06.2021, Ra 2020/15/0123).
Der im Rahmen des § 68 Abs. 1 und 5 EStG 1988 vorzunehmenden "Angemessenheitsprüfung" wohnt ein Element der Schätzung inne. Den einen als angemessen zu beurteilenden absoluten oder im Verhältnis zum Bruttolohn mit einem bestimmten Prozentsatz zu bemessenden Zulagenbetrag gibt es nicht.
Eine Kürzung ist dann vorzunehmen, wenn die Abweichung erheblich ist, dh. die Vereinbarung durch die Kollektivvertragspartner außerhalb jener Bandbreite liegt, die jeder Schätzung immanent ist (vgl. VwGH 30.06.2021, Ra 2020/15/0123).
Eine erhebliche Abweichung liegt jedenfalls vor, wenn die gewährte Zulage das angemessene Ausmaß um mehr als das Doppelte übersteigt (vgl. VwGH 20.12.2018, Ra 2018/13/0001). Für unterschiedliche Fixbeträge zwischen den einzelnen Arbeitnehmern (etwa Geselle oder Hilfskraft) wird dabei im Allgemeinen kein Raum bleiben (vgl. VwGH 30.06.2021, Ra 2020/15/0123). Liegt ein im Verhältnis zum Bruttolohn mit einem bestimmten Prozentsatz bemessener Zulagenbetrag noch innerhalb der Schätzungsbandbreite, kann dieser Betrag als angemessen angesehen werden.
Soweit eine den Voraussetzungen grundsätzlich entsprechende Schmutz-, Erschwernis- oder Gefahrenzulage das angemessene Ausmaß übersteigt, ist sie steuerpflichtig. Soweit derartige Zulagen gesetzlich oder kollektivvertraglich festgelegt sind, sind darüber hinausgehende Zulagen auf Grund anderer lohngestaltender Vorschriften nur in besonders gelagerten Fällen begünstigt. Die Steuerfreiheit der Zulagen setzt weiters voraus, dass der Behörde nachgewiesen wird, um welche Arbeiten es sich im Einzelnen gehandelt hat und wann sie geleistet wurden (VwGH 27.6.2000, 99/14/0342).
Siehe auch Beispiel Rz 11129.
Es ist - bezogen auf die gesamten vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeiten - zu prüfen, ob diese Arbeiten überwiegend zu einer erheblichen Verschmutzung, Erschwernis oder Gefahr führen (vgl. VwGH 30.1.1991, 90/13/0102). Die Frage einer außerordentlichen Verschmutzung, Erschwernis oder Gefahr ist nicht allein anhand der Arbeiten zu untersuchen, mit denen diese besonderen Arbeitsbedingungen verbunden sind. Vielmehr ist bezogen auf die gesamten vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeiten innerhalb des Zeitraumes, für den der Arbeitnehmer eine Zulage zu erhalten hat, zu prüfen, ob sie überwiegend (= mehr als die Hälfte der gesamten Arbeitszeit, für die eine Zulage gewährt wird) eine außerordentliche Verschmutzung, Erschwernis oder Gefahr bewirken. Wird die SEG-Zulage nur für jeweils eine Stunde gewährt, ist für das zeitliche Überwiegen auf die einzelne Stunde abzustellen. Die Möglichkeit der Verschmutzung, Erschwernis oder Gefahr kann somit nicht berücksichtigt werden, wenn die damit verbundene Tätigkeit nur einen geringen Teil der Arbeitszeit, für die eine Zulage zusteht, ausmacht (vgl. VwGH 24.6.2004, 2000/15/0066).Beispiel 1:
Die Einsatzzeit des Lenkers eines Reisebusses mit mehr als 50 Sitzplätzen, für die ihm eine Erschwerniszulage zusteht, beträgt 140 Stunden. Laut Kollektivvertrag steht ihm pro Stunde der Einsatzzeit eine Erschwerniszulage für das Lenken und Betreuen eines überlangen Fahrzeuges in Höhe von 0,73 Euro zu. Üblicherweise entfallen auf die Stehzeiten 25% der Einsatzzeit, während der restlichen Zeit liegt eine besondere Erschwernis vor. Die Erschwerniszulage ist zur Gänze steuerfrei. Betragen hingegen die Stehzeiten während der Einsatzzeit mindestens 50%, liegt im Einsatzzeitraum überwiegend keine Erschwernis vor, sodass die gesamte Zulage steuerpflichtig ist.
Beispiel 2:
Ein Arbeiter im Metallgewerbe bekommt an zwei Arbeitstagen im Monat eine Erschwerniszulage von Euro 0,386 pro Stunde (insgesamt für 16 Stunden), weil die Arbeiten unter erschwerten Bedingungen durchgeführt werden. Für den Rest des Monates liegt keine Erschwernis vor; die Zulage wird daher auch nicht gewährt. Für die Steuerfreiheit der Zulage ist nur zu prüfen, ob an diesen zwei Tagen überwiegend eine Erschwernis vorlag. Ist dies der Fall, so ist die Zulage, die für diese zwei Tage gewährt wurde, zur Gänze steuerfrei.
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer (40-Stunden-Woche) erhält im Monat Juni für 173 Stunden eine Schmutzzulage ausbezahlt. 80 Stunden davon werden unter erheblichen zwangsläufigen verschmutzenden Bedingungen iSd § 68 Abs. 5 EStG 1988 geleistet. Der Arbeitnehmer konsumiert in diesem Monat eine Woche (= 40 Stunden) Urlaub.
Die im Urlaubsentgelt enthaltene Schmutzzulage für 40 Stunden ist steuerpflichtig.
Die Beurteilung, ob die Arbeiten tatsächlich überwiegend unter erheblichen zwangsläufigen verschmutzenden Bedingungen stattgefunden haben, hat unter Ausklammerung des Urlaubes (173 Stunden - 40 Stunden = 133 Stunden) zu erfolgen.
Da im Lohnzahlungszeitraum überwiegend Arbeiten unter erheblichen zwangsläufigen verschmutzenden Bedingungen geleistet wurden (80 Stunden in Bezug auf 133 Stunden), steht die Schmutzzulage im Lohnzahlungszeitraum (= für 133 Stunden) steuerfrei zu.
§ 68 Abs. 7 EStG 1988 steuerfrei.
Werden im Rahmen der Altersteilzeitregelung (siehe § 27 Abs. 5 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977Beispiel:
Während der ersten drei Jahre, in denen die volle Arbeitsleistung erbracht wurde, stehen im Kalenderjahr 2024 SEG-Zulagen und Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge in Höhe von insgesamt 436,04 Euro monatlich zu. Der Höchstbetrag in Höhe von 400 Euro kommt zur Anwendung. Ausgezahlt werden sowohl während der Leistungsphase als auch während der Nichtleistungsphase (während der folgenden drei Jahre) Zulagen und Zuschläge in Höhe von 218,02 Euro. Die Zulagen und Zuschläge in Höhe von 218,02 Euro bleiben jeweils im Ausmaß des halben Höchstbetrages in Höhe von 200 Euro steuerfrei. Bei der Auszahlung von Schichtzulagen ist analog vorzugehen.
Sollte es zu einer Erhöhung des Mindestbruttoentgelts für Zeiten von COVID-19-Kurzarbeit ab 1. Oktober 2020 kommen ("Dynamisierung"), kann auch das Ausmaß der steuerfreien Bezüge entsprechend erhöht werden.
Umfasst sind sämtliche Dienstverhinderungen wegen der COVID-19-Krise, es muss sich nicht um eine gesetzlich oder behördlich angeordnete Dienstverhinderung bzw. Quarantäne handeln. Voraussetzung ist jedoch, dass das auslösende Moment für die Dienstverhinderung die COVID-19-Krise ist und der Arbeitgeber eine entsprechende Entgeltfortzahlung leistet, in der üblicherweise gemäß § 68 EStG 1988 steuerfreie Zulagen und Zuschläge enthalten sind.
Davon zu unterscheiden sind Entgeltfortzahlungen aufgrund von Urlaub. Die im Urlaubsentgelt enthaltenen Zulagen und Zuschläge sind steuerpflichtig, unabhängig davon, ob sie durch die COVID-19-Krise ausgelöst werden.
Sind vor Beginn einer COVID-19-Kurzarbeit regelmäßig steuerfreie Bezüge gemäß § 68 EStG 1988 angefallen, bestehen keine Bedenken, die steuerfreien Bezüge während der Kurzarbeit im Rahmen einer Durchschnittsbetrachtung (zB Durchschnitt der letzten drei Monate vor der COVID-19-Kurzarbeit) zu ermitteln und diese im Verhältnis zur Reduktion der Entlohnung entsprechend zu berücksichtigen. Auch in diesem Fall sind mit dem laufenden Urlaubsentgelt ausbezahlte Zulagen und Zuschläge steuerpflichtig (vgl. Rz 1132).