2.1.6.1. Allgemeines
Der Begriff der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Sinne des UStG 1994 geht über den Begriff des Gewerbebetriebes nach dem EStG 1988 hinaus. Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit setzt voraus, dass Leistungen im wirtschaftlichen Sinne ausgeführt werden. Betätigungen, die sich nur als Leistungen im Rechtssinne, nicht aber zugleich als Leistungen im wirtschaftlichen Sinne darstellen, werden von der Umsatzsteuer nicht erfasst (BFH 31.V - 94/65, BStBl II 1969, 637). Die bloße Kapitalhingabe durch Private ist daher keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit. Insbesondere vermitteln Geldeinlagen auf Bankkonten oder Sparbüchern dem Inhaber nicht die Unternehmereigenschaft (VwGH 11.88/15/0015; BFH V R 2/70, BStBl II 1973, 172). Dies gilt auch für den Erwerb und das Halten von Beteiligungen, den Erwerb von Wertpapieren, und für die Hingabe von Darlehen oder Krediten. Auch der EuGH verneint die Unternehmereigenschaft des bloßen Kapitalanlegers, wenn er zum Ausdruck bringt, dass die bloße Ausübung des Eigentums, wie sie in der Verwaltung des eigenen Vermögens zum Ausdruck kommt, nicht als wirtschaftliche (= unternehmerische) Tätigkeit anzusehen ist (EuGH 20.C-155/94 Wellcome Trust und EuGH C-80/95 Harnas & Helm). Eine unternehmerische Betätigung kann aber dann vorliegen, wenn jemand durch geschäftsmäßigen An- und Verkauf von Kapital- oder Gesellschaftsbeteiligungen wie ein Händler auftritt und damit eine nachhaltige, auf Einnahmenerzielung gerichtete Tätigkeit entfaltet (BFH 15.V R 3/77, BStBl II 1987, 512).Bei der Überlassung der Nutzung eines Wohnhauses bzw. einer Wohnung durch eine Gesellschaft an den Gesellschafter muss zunächst geprüft werden, ob überhaupt eine unternehmerische Tätigkeit vorliegt. Für diese Beurteilung ist ein Vergleich der Umstände vorzunehmen, unter denen die Immobilie tatsächlich genutzt wird, sowie jener Umstände, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird (vgl. VwGH 7.7.2011, 2007/15/0255; EuGH 26.9.1996, Rs C-230/94 , Enkler). Ausschlaggebend ist die Berücksichtigung aller Gegebenheiten, die für einen Einzelfall charakteristisch sind (vgl. VwGH 10.2.2016, 2013/15/0284). Zu prüfen ist die Fremdüblichkeit des Mietentgeltes, wobei ein moderates Abweichen vom fremdüblichen Entgelt die Unternehmereigenschaft nicht ausschließt (vgl. VwGH 20.10.2021, Ra 2019/13/0041, VwGH 10.2.2016, 2013/15/0284). Zusätzlich sind sämtliche Aspekte der Vertragsbeziehung in diese Prüfung miteinzubeziehen (zB Kündigungsmodalitäten, Vorhandensein bzw. Nichtanwendung von Indexklauseln, fremdunübliche Ausgestaltung des Mietvertrages, usw.). Eine nichtunternehmerische Vermietung liegt jedenfalls dann vor, wenn eine Immobilie an den Anteilsinhaber nicht zum Erzielen von Einnahmen überlassen wird, sondern um diesem einen Vorteil zuzuwenden (vgl. VwGH 16.5.2007, 2005/14/0083). Davon ist bei Zugehörigkeit einer Luxusimmobilie zur außerbetrieblichen Sphäre einer Körperschaft auszugehen. Erfolgt die Überlassung der Immobilien durch eine Privatstiftung an den Stifter oder an andere Begünstigte im Rahmen der Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Zwecke, liegt im Lichte der Rechtsprechung keine unternehmerische Tätigkeit vor (vgl. VwGH 7.7.2011, 2007/15/0255).
Bei Vermietung und Verpachtung in der "Unternehmerkette" ist die Fremdüblichkeit - auch bei Nahebeziehungen zwischen den Parteien - für die Frage des Vorliegens einer wirtschaftlichen Tätigkeit unerheblich, sofern kein offensichtlicher Bezug zur Sphäre der privaten Lebensführung eines der Beteiligten vorliegt (vgl. VwGH 28.5.2019, Ra 2017/15/0062 mVa VwGH 29.6.2016, 2013/15/0308; zur Anwendung des Normalwerts siehe Rz 682).
Ist von einer unternehmerischen Vermietung einer Immobilie durch die Körperschaft auszugehen, muss in einem zweiten Schritt beurteilt werden, ob dieser Vorgang nach ertragsteuerlichen Grundsätzen eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt und daher ein Vorsteuerausschluss gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 zum Tragen kommen kann (siehe dazu Rz 1929 mVa VwGH 27.6.2018, Ra 2017/15/0019).
Zur Unternehmereigenschaft des Betreibers einer Photovoltaikanlage siehe den Erlass des BMF vom 24.BMF-010219/0488-VI/4/2013, BMF-AV Nr. 8/2014.
Nicht maßgebend ist, ob die Tätigkeit gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, strafbar ist oder den guten Sitten widerspricht (§ 23 Abs. 2 BAO). Auch der der 6. MWSt-RL zugrunde liegende Gedanke der Wettbewerbsneutralität der Mehrwertsteuer verbietet eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten und nicht erlaubten Geschäften (EuGH 2.8.1993, Rs C-111/92 "Lange"; EuGH 25.6.1997, Rs C-45/95 , Kommission gegen Italien; EuGH 11.6.1998, Rs C-283/95 , "Fischer"), ausgenommen Fälle, in denen auf Grund besonderer Vorschriften jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen ist (EuGH 5.7.1988, Rs 289/86 , "Happy Family" betreffend Importe von Drogen; EuGH 6.12.1990, Rs C-343/89 , "Witzemann" betreffend Falschgeldimporte).2.1.6.2. Nachhaltigkeit
2.1.6.2.1. Allgemeines
Nachhaltigkeit liegt vor,- bei wiederholter Tätigkeit unter Ausnützung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses (VwGH 12.12.1988, 87/15/0107; VwGH 25.1.1995, 93/13/0084);
- bei einmaliger Tätigkeit, wenn aus den objektiven Umständen des Falles auf Wiederholungsabsicht geschlossen werden kann (VwGH 10.9.1979, 0225/79 mit Hinweisen auf Vorjudikatur; VwGH 25.1.1995, 93/13/0084);
- wenn durch einmaligen Vertragsabschluss ein Dauerzustand zwecks Einnahmenerzielung geschaffen wird (VwGH 25.11.1970, 1538/69 betreffend Vermietung; VwGH 3.5.1968, 1081/66 betreffend Lizenzvergabe);
- wenn eine einmalige Leistung erbracht wird, die längere Zeit in Anspruch nimmt (VwGH 30.5.1958, 1423/57 betreffend Werklieferung einer Arbeitsgemeinschaft).
Es reicht für die Annahme einer unternehmerischen Tätigkeit nicht aus, mit dem bloßen Hinweis auf den Umstand wiederholter Verkäufe eine nachhaltige Tätigkeit zu bejahen. Vielmehr ist auf das Gesamtbild des Marktauftritts der verkaufenden Person abzustellen, wobei etwa Dauer und Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Erlöse, die Beteiligung am Markt durch Werbung, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden oder das Unterhalten eines Geschäftslokals zu würdigen sind (VwGH 30.6.2021, Ro 2019/15/0180 mVa BFH 27.1.2011, V R 21/09).
2.1.6.2.2. Einzelfälle (ABC)
Archäologische Fundgegenstände: Keine Unternehmereigenschaft bei einem Volksschullehrer, der zirka zehn Jahre lang mit einem Metalldetektor nach archäologischen Gegenständen gesucht hat und diese dann - auf Drängen der Museumsdirektoren - in drei Etappen an ein Museum veräußert hat (VwGH 22.03.1993, 91/13/0190 - Grenzfall!).Ausgleichsfinanzierung in einem einzigen Fall: bei Tätigkeit über mehrere Jahre und einer Fülle von Einzelleistungen ist Nachhaltigkeit gegeben (VwGH 14. 10. 1981, 81/13/0050).
Bauauftrag: Keine Nachhaltigkeit bei Vermittlung eines einzigen Bauauftrages ohne Wiederholungsabsicht (VwGH 10.09.1979, 0225/79).
Berufskartenspieler: Nachhaltige Tätigkeit eines Berufskartenspielers, der sich täglich bis zu 14 Stunden in einem Spielsalon aufhält (BFH 26.08.1993, VR 20/91).
Briefmarkensammlung: Nachhaltigkeit bei zahlreichen Einzelverkäufen während eines Zeitraumes von fünf Jahren (VwGH 20.03.1980, 2598/77).
Erben: Nachhaltigkeit, wenn die Erbengemeinschaft nach einem Maler einem Galerieunternehmer 130 Bilder aus dem Nachlass zum Verkauf überlässt (VwGH 25.01.1995, 93/13/0084), oder wenn geerbte Zahngoldvorräte durch einen Zahntechniker über mehrere Jahre Gewinn bringend verwertet werden (VwGH 19.02.1985, 84/14/0112).
Gewerberechtlicher Geschäftsführer: Nachhaltig ist die Tätigkeit eines gewerberechtlichen Geschäftsführers für eine einzige GmbH (VwGH 13. 10. 1993, 91/13/0058).
Goldmünzen: Nachhaltigkeit, wenn en bloc gekaufte Goldmünzen in mehreren Einzelverkäufen wieder veräußert werden; keine Nachhaltigkeit, wenn die Münzen "angespart" wurden (VwGH 12. 12. 1988, 87/15/0107).
Jahreswagen: Keine Nachhaltigkeit bei Verkauf von "Jahreswagen" durch Angehörige von Automobilfabriken (BFH 18.07.1991, VR 86/87).
2.1.7. Erzielung von Einnahmen
Unternehmerisch sind nur (nachhaltige) Tätigkeiten zur Erzielung von Einnahmen.Das Kriterium der Einnahmenerzielung bedeutet, dass
- nachhaltige Tätigkeiten, die nicht auf Einnahmenerzielung gerichtet sind, keine Unternehmereigenschaft begründen und
- Unternehmereigenschaft auch vorliegt, wenn keine Gewinnerzielungsabsicht gegeben ist.
Keine Tätigkeit zur Einnahmenerzielung liegt vor, wenn nur im eigenen Bereich Ausgaben gespart werden oder Dritten ermöglicht werden soll, Ausgaben zu sparen; Tätigkeiten, die nur der Selbstversorgung dienen, begründen daher nicht die Unternehmereigenschaft.
Gewinnerzielungsabsicht ist nach § 2 Abs. 1 UStG 1994 nicht erforderlich. Dies entspricht der MwSt-RL 2006/112/EG , nach der es nicht darauf ankommt, zu welchem Zweck der Steuerpflichtige seine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Selbst wenn das Entgelt für eine Leistung nur in der Weiterverrechnung von Kosten besteht, unterliegt es der Umsatzsteuer (VwGH 15.01.1991, 89/14/0105). Die Einnahmenerzielung muss nicht die primäre Motivation der Tätigkeit sein; auch ideelle, karitative und gemeinnützige Tätigkeiten können unternehmerisch sein (VwGH 12.12.1952, 2757/50). Hinsichtlich der Abgrenzung zur Liebhaberei siehe LRL 2012 Rz 159 ff.