31.1 Allgemeines
Zuziehende Wissenschaftler und Forscher (seit 31.7.1992), Künstler (seit 1.6.2000) sowie Sportler (seit 30.12.2000) können die Zuzugsbegünstigung in Form der Beseitigung steuerlicher Mehrbelastungen (siehe Rz 8201d ff) beantragen. Für Zuzüge ab dem 15.8.2015 (Steuerreformgesetz 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015) besteht gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 auch die Möglichkeit der Zuerkennung eines Zuzugsfreibetrages (siehe Rz 8201i ff), der jedoch Wissenschaftlern und Forschern vorbehalten ist.Eine Kombination dieser beiden Formen ist möglich (Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastungen mit Zuzugsfreibetrag).
Die ZBV 2016, BGBl. II Nr. 261/2016, löste mit Wirkung 15.8.2015 die Zuzugsbegünstigungsverordnung, BGBl. II Nr. 102/2005, ab. Die Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastungen (§ 103 Abs. 1 EStG 1988) erfolgt daher gemäß § 5 Abs. 1 ZBV 2016 durch Anwendung eines pauschalen Durchschnittssteuersatzes (siehe Rz 8201d). Für "Altfälle" (Zuzüge vor dem 15.8.2015) gelten gemäß § 10 Abs. 3 ZBV 2016 Übergangsbestimmungen (siehe Rz 8207).
31.2 Zuzug und Wegzug
Die Zuzugsbegünstigung nach § 103 Abs. 1 und Abs. 1a EStG 1988 knüpft an den Zuzug aus dem Ausland an. Neben der Begründung eines inländischen Wohnsitzes (siehe Rz 21 ff) setzt der Zuzug aus dem Ausland auch die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen (siehe Rz 7593, 7596 und 7597) nach Österreich voraus (vgl. VwGH 26.2.2020, Ro 2017/13/0018; BFG 18.7.2017, RV/7100774/2017).Beispiel:
Frau F lebt in Bulgarien. Verlagern sich sowohl der Wohnsitz als auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Österreich, so liegt ein Zuzug vor.
Ausländische Wohnsitze und die unbeschränkte Steuerpflicht in anderen Staaten sind unschädlich.
Beispiel:
Herr A hat in der Schweiz und in Österreich jeweils einen Wohnsitz. Seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen verlagert er nach Österreich. In Folge der Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensinteressen tritt ein Zuzug ein.
31.3 Beseitigung steuerlicher Mehrbelastungen (§ 103 Abs. 1 EStG 1988)
Die Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastungen erfolgt gemäß § 5 Abs. 1 ZBV 2016 durch Anwendung eines pauschalen Durchschnittssteuersatzes auf die nicht unter § 98 EStG 1988 fallenden Einkünfte (Auslandseinkünfte). Inlandseinkünfte sind gemäß § 103 Abs. 1 EStG 1988 nicht begünstigbar.Der pauschale Steuersatz ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen der ausländischen Steuer der letzten drei Kalenderjahre und dem im Ausland erwirtschafteten Einkommen im selben Zeitraum. Bei der Ermittlung der ausländischen Steuern sind gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 ZBV 2016 auch ausländische Steuern anzusetzen, die das Einkommen mittelbar belasten (zB Solidaritätszuschlag). Die Höhe der ausländischen Einkünfte richtet sich nach österreichischem Steuerrecht, wobei gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 ZBV 2016 auch endbesteuerte Einkünfte zu berücksichtigen sind. Der pauschale Steuersatz beträgt jedoch mindestens 15%.Beispiel:
Frau O ist Opernsängerin. Bis 31. Dezember 2014 lebt sie im Staat A. 2015 übersiedelt sie in den Staat B. Mit 1. Jänner 2016 zieht sie nach Österreich zu. Frau O tritt in allen Jahren in den Staaten A, B und C sowie in Österreich auf. Von den Veranstaltern erhält sie in den Staaten A, B und C sowie in Österreich jährlich jeweils 100.000 Euro für ihre Auftritte. Aus Staat D erhält Frau O jährlich 100.000 Euro aus Dividenden. Die einzigen Ausgaben sind 10% Managementgebühr von den Bruttoeinnahmen und 5.000 Euro Reisekosten für Auftritte außerhalb des jeweiligen Wohnsitzstaates je Staat und Jahr. Auf die Konzerte (selbständige Arbeit) entfallen jährlich Sozialversicherungsbeiträge in der Gesamthöhe von 20.800 Euro.
Unter Berücksichtigung der Managementgebühren (A, B, C und Ö je 10.000 Euro) und Reisekosten (A/B, C und Ö je 5.000 Euro) ergibt sich folgendes Bild:
Einnahmen abzgl. direkt zurechenbare Ausgaben | |||||
KJ | Staat A | Staat B | Staat C | Staat D | Ö |
2013 | 90.000 | 85.000 | 85.000 | 100.000 | 85.000 |
2014 | 90.000 | 85.000 | 85.000 | 100.000 | 85.000 |
2015 | 85.000 | 90.000 | 85.000 | 100.000 | 85.000 |
Das Auslandseinkommen (§ 5 Abs. 1 Z 2 ZBV 2016) in der Höhe von 341.385,51 Euro ermittelt sich in den Jahren 2013 bis 2015 jeweils folgendermaßen: Einnahmen abzüglich direkt zurechenbare Ausgaben (90.000 Euro + 85.000 Euro + 85.000 Euro + 100.000 Euro) minus aliquoten Sozialversicherungsanwendungen (75,36% von 20.800 Euro = 15.675,36 Euro) minus aliquotem Gewinnfreibetrag gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 (75,36% von 3.900 Euro = 2.939,13 Euro) minus aliquoten Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 2 EStG 1988 (75,36% von 60 Euro = 45,22 Euro). Das Auslandseinkommen beträgt also in den drei Jahren insgesamt 1.024.156,53 Euro (341.385,51 Euro + 341.385,51 Euro + 341.385,51 Euro).
Die Aliquotierung (75,36%) erfolgt dabei im Verhältnis zwischen den direkt dem Ausland zurechenbaren Einkünften aus selbständiger Arbeit (90.000 Euro + 85.000 Euro + 85.000 Euro) und den Gesamteinkünften aus selbständiger Arbeit (90.000 Euro + 85.000 Euro + 85.000 Euro + 85.000 Euro).
Auf Grund innerstaatlicher Gesetze und Doppelbesteuerungsabkommen heben die Staaten A, B, C und D folgende Steuern ein, was Frau O durch Einkommensteuerbescheide und Belege zu einbehaltenen Quellensteuern nachweist:
Steuern | |||||
KJ | Staat A | Staat B | Staat C | Staat D | Σ |
2013 | 43.765 | 0 | 25.000 | 10.000 | 78.765 |
2014 | 43.765 | 0 | 25.000 | 10.000 | 78.765 |
2015 | 10.000 | 0 | 25.000 | 26.375 | 61.375 |
Σ | 97.530 | 0 | 75.000 | 46.375 | 218.905 |
Die Auslandssteuern (§ 5 Abs. 1 Z 1 ZBV 2016) summieren sich in den drei Jahren auf 218.905 Euro.
Gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 ZBV 2016 ergibt sich ein Steuersatz von 21,37% (218.905 : 1.024.156,53). Dieser liegt über dem pauschalen Mindeststeuersatz in der Höhe von 15% und ist daher maßgebend.
Beispiel:
Frau R zieht am 1. Februar 2016 nach Österreich. Der pauschale Durchschnittssteuersatz iSd Abs. 1 beträgt 15%. Nach dem zehnten Kalenderjahr, also mit dem 1. Jänner 2026, beginnt die Ausschleifregel zu wirken. Der pauschale Steuersatz erhöht sich gemäß Abs. 3 im Jahr 2026 auf 17% (15% + 2%), 2027 auf 19% (17% + 2%), …, 2041 auf 47% (45% + 2%) und 2042 auf 49% (47% + 2%). Mit Ablauf des Kalenderjahres 2042 - also bevor ein Steuersatz von 50% erreicht wird - läuft die Begünstigung gemäß § 6 Abs. 1 ZBV 2016 automatisch aus.
Beispiel:
Frau Z wurde ab 1.1.2017 ein pauschaler Durchschnittssteuersatz in der Höhe von 20% zuerkannt. 2017 erzielt sie mit ausländischen Aktien Einkünfte in der Höhe von 10.000 Euro und mit der Vermietung einer ausländischen Immobilie 15.000 Euro. Sonst liegen keine Auslandeinkünfte vor. Ob das Aktiendepot in Österreich oder im Ausland liegt, ist im Ergebnis unerheblich. Die Auslandseinkünfte betragen 25.000 Euro (10.000 Euro + 15.000 Euro). Vor Anrechnung ausländischer Steuern beträgt die Steuer für diese Einkünfte 9.500 Euro (25.000 Euro x 20 : 100 + 4.500 Euro). Bei der Ermittlung der Steuer auf die Inlandseinkünfte sind die Auslandseinkünfte nicht mehr zu berücksichtigen.