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22.4.3.1.2 Umfang der Befreiung

BMF2023-0.871.8196.5.2021

Rz 6634
Die Hauptwohnsitzbefreiung stellt grundsätzlich eine Gebäudebefreiung dar, wobei auch der Grund und Boden insoweit einbezogen wird, als der Grund und Boden der Nutzung des Eigenheims oder der Eigentumswohnung als Garten oder Nebenfläche dient. Dies gilt bis zu einem Ausmaß, das "üblicherweise als Bauplatz" erforderlich ist. Die Beurteilung, welche Grundstücksgröße üblicherweise für einen Bauplatz erforderlich ist, erfolgt nach der Verkehrsauffassung (VwGH 29.3.2017, Ro 2015/15/0025). Dies ist bei Grundstücksflächen bis zu 1.000 m² - bezogen auf die Gesamtgrundstücksfläche und nicht auf den reinen Gartenanteil - jedenfalls anzunehmen. Bei größeren Grundstücken ist angesichts der üblichen Mindestbauplatzgrößen der 1.000 m² übersteigende Grundanteil steuerpflichtig. Zur Aufteilung des Veräußerungserlöses auf Grund und Boden und Gebäude siehe Rz 6645.

Von der Hauptwohnsitzbefreiung für das Gebäude nicht umfasst sind grundstücksgleiche Rechte (zB Baurechte). Bei der Veräußerung eines Baurechtes und des dazu gehörenden Gebäudes ist daher der Veräußerungserlös auf Gebäude und Baurecht aufzuteilen (siehe dazu Rz 6645); von der Hauptwohnsitzbefreiung ist nur der auf das Gebäude entfallende Veräußerungserlös erfasst.

Steht ein Grundstück im Miteigentum, steht der steuerfreie Grund und Boden-Anteil jedem Miteigentümer nur im Ausmaß des Miteigentumsanteiles zu. Ein eigenständiges Grundstück im Sinne des § 30 Abs. 1 EStG 1988 stellt auch eine Eigentumswohnung dar. Daher ist auf jede Eigentumswohnung die 1.000 m²-Grenze gesondert zu beziehen.

Der KFZ-Abstellplatz ist bei der Veräußerung eines Eigenheimes oder einer Eigentumswohnung von der Hauptwohnsitzbefreiung miterfasst, soweit maximal zwei Stellplätze mitveräußert werden (unabhängig davon, ob sich der Parkplatz auf einem eigenen Grundstück [eigene Einlagezahl] befindet); die bloße Veräußerung eines Stellplatzes unterliegt nicht der Hauptwohnsitzbefreiung.

Die Hauptwohnsitzbefreiung ist damit weiter als die Herstellerbefreiung und geht dieser daher vor.

Rz 6634a
Als Grundstück im Sinne des § 30 EStG 1988 ist grundsätzlich die einzelne Parzelle (Grundstück im Sinne des Vermessungsgesetzes) anzusehen. Für Zwecke der Hauptwohnsitzbefreiung können aber benachbarte Grundstücke, die gemeinsam mit dem als Hauptwohnsitz genutzten Grundstück genutzt werden (zB weil sie in derselben EZ erfasst sind), als Einheit betrachtet werden. Dabei ist aber die 1.000 m²-Grenze im Wege einer Gesamtbetrachtung auf alle der einheitlichen Hauptwohnsitznutzung unterliegenden Grundstücke anzuwenden, sodass die Flächen der Nachbargrundstücke nur bis zur Erreichung des Gesamtausmaßes von 1.000 m² von der Hauptwohnsitzbefreiung mitumfasst sind. Dies gilt auch für ein Nachbargrundstück, das sich lediglich im Miteigentum des Eigentümers des als Hauptwohnsitz genutzten Grundstücks befindet. In diesem Fall ergibt sich die dem Miteigentumsanteil zuzurechnende Fläche aus der Fläche des Grundstücks dividiert durch den Miteigentumsanteil.

Rz 6634b
Von der Hauptwohnsitzbefreiung mitumfasst sind auch Nebengebäude, wenn diese für die Nutzung für selbständige Wohnzwecke oder betriebliche Zwecke nicht geeignet sind.

Befinden sich auf einem Grundstück zwei Gebäude, die für Wohnzwecke geeignet sind, von denen aber nur eines als Hauptwohnsitz genutzt wird, steht nur für dieses Gebäude die Befreiung zu. In Folge dessen ist der Grund und Boden beiden Gebäuden zuzuordnen. Dabei ist - unabhängig von den Grundstücksgrößen gemäß Grundbuch - das Verhältnis der Grundflächen der beiden Gebäude zu ermitteln und die Aufteilung der Gesamtfläche der Grundstücke in diesem Verhältnis vorzunehmen. Von der Hauptwohnsitzbefreiung mitumfasst ist daher die entsprechend dieser Verhältnisrechnung dem als Hauptwohnsitz genutzten Gebäude zuzuordnende Fläche bis höchstens 1.000 m².

Dies gilt auch dann, wenn sich diese Gebäude auf zwei nebeneinander liegenden und gemeinsam (zB als Garten) genutzten Grundstücken befinden.

Die Hauptwohnsitzbefreiung steht auch dann zu, wenn ein Grundstück mit zwei Gebäuden (wovon eines als Hauptwohnsitz genutzt wurde) im Zuge der Veräußerung geteilt wird und sich auf dem abgetrennten Teilgrundstück ein für selbständige Wohnzwecke geeignetes Nebengebäude befindet, in dem der Veräußerer nunmehr seinen Hauptwohnsitz neu begründet (vgl. auch Rz 6643).

Beispiel:

Grundstück 1 (700 m²) und Grundstück 2 (900 m²) stehen im Eigentum des X und liegen nebeneinander. Beide Grundstücke sind bebaut, allerdings wird nur das Gebäude auf Grundstück 1 von X als Hauptwohnsitz genutzt; beide Grundstücke bilden aber den Garten für X. Die Grundfläche des Hauses auf Grundstück 1 beträgt 120 m², die Grundfläche des Hauses auf Grundstück 2 beträgt 60 m², somit beträgt das Verhältnis der Grundflächen der Gebäude 2:1. Die Gesamtfläche beider Grundstück (1.600 m²) ist in diesem Verhältnis den beiden Gebäuden zuzuordnen. Somit entfällt auf das Gebäude 1 eine Grundfläche von 1.067 m², die bis zu einem Ausmaß von 1.000 m² von der Hauptwohnsitzbefreiung erfasst ist.

Die Hauptwohnsitzbefreiung umfasst auch neben- oder übereinanderliegende parifizierte Wohnungen, die baulich verbunden sind und nachweislich durch den oder die Eigentümer gemeinsam (als Einheit) genutzt werden.

Nicht umfasst ist allerdings eine Einschränkung des Hauptwohnsitzes ohne Aufgabe des Hauptwohnsitzes (zB Abtrennung einer verbundenen Wohnung und Veräußerung des abgetrennten Teils bei weiterhin aufrechtem Hauptwohnsitz in der restlichen Wohnung).

Rz 6634c
Sind Flächen von Nachbargrundstücken, die einheitlich als Hauptwohnsitz genutzt werden (siehe Rz 6634a), sowohl als Bau- als auch als Grünland gewidmet, sind die unterschiedlich gewidmeten Flächen für die Gesamtheit aller Grundstücke in ein Verhältnis zu setzen. In diesem Verhältnis ist sodann die 1.000 m²-Grenze auf die Bau- und Grünlandflächen umzulegen. Dies gilt auch für eine einzige Parzelle, die sowohl als Bau- als auch als Grünland gewidmet ist, und die im Rahmen der Hauptwohnsitzbefreiung die 1.000 m²-Grenze übersteigt.

Beispiel 1:

Es wird ein als Hauptwohnsitz genutztes Grundstück veräußert, welches aus drei Parzellen besteht, die unterschiedlich gewidmet sind. Die Parzellen sind alle unter einer EZ erfasst. Auf der ersten Parzelle steht das als Hauptwohnsitz genutzte Haus, wobei ein Teil der Fläche (rund um das Haus - 300 m²) als Bauland und ein Teil (100 m²) als Freiland gewidmet ist. Die zweite Parzelle (300 m²) ist als Freiland, die dritte Parzelle (500 m2) ist als Bauland gewidmet.

Auf das bebaute Grundstück entfallen 400 m². Diese unterliegen jedenfalls der Steuerbefreiung (300 m2 Bauland, 100 m2 Grünland). Die übrigen 800 m² der beiden anderen Grundstücke sind im Verhältnis der Flächen der beiden Grundstücke aufzuteilen: 300:500=3:5

Grünland: 3/8 von 800 m² = 300 m² von beiden Grundstücken

Bauland: 5/8 von 800 m² = 500 m² von beiden Grundstücken

Bezogen auf alle drei veräußerten Grundstücke sind daher im Bauland 675 m² (300+375) befreit und 125 m² steuerpflichtig und im Grünland 325 m² (100+225) befreit und 75 m² steuerpflichtig.

Alle drei Grundstücke (EZ) werden um gesamt 310.000 Euro verkauft, davon entfallen 120.000 Euro auf das Gebäude und 190.000 Euro auf Grund und Boden. Der Veräußerungserlös für den Grund und Boden ist auf die als Bauland und als Grünland gewidmete Fläche im Verhältnis der Marktpreise aufzuteilen (siehe Rz 6673).

Berechnung:

Die gesamte Grundfläche entfällt zu 400 m2 auf Grünland und zu 800 m2 auf Bauland.

Grünlandpreis: 15 Euro/m2 * 400 m2 = 6.000 Euro

Baulandpreis: 230 Euro/m2 * 800 m2 = 184.000 Euro

Der steuerpflichtige Veräußerungserlös entfällt daher in Höhe von 1.125 Euro auf Grünland (für 75 m²) und in Höhe von 28.750 Euro auf Bauland (für 125 m²).

Beispiel 2:

Es wird eine Liegenschaft (Altvermögen) im Ausmaß von 1.400 m² um 350.000 Euro veräußert. Ein Teil der Liegenschaft ist seit 2001 als Bauland gewidmet (250 m²), der zweite Teil als Grünland (1.150 m²). Für das Gebäude und 1.000 m² Grund und Boden kommt die Hauptwohnsitzbefreiung zur Anwendung.

Die beiden Widmungen sind nun in ein Verhältnis zueinander zu setzen, dies ergibt 18% Bauland und 82% Grünland. 1000 m² Grund und Boden sind von der HWS-Befreiung mit umfasst, das sind 180 m² vom Bauland und 820 m² vom Grünland. Somit bleiben 400 m² steuerpflichtiger GuB übrig, davon sind 72 m² Bauland und 328 m² Grünland.

Im Falle einer unterschiedlichen Widmung eines Grundstückes ist der Veräußerungserlös nach der Verhältnismethode aufzuteilen. Dabei ist der Marktpreis für Bauland bezogen auf die Baulandfläche mit dem Marktpreis für Grünland bezogen auf die Grünlandfläche in ein Verhältnis zu setzen und der Veräußerungserlös in diesem Verhältnis aufzuteilen (siehe Rz 6673).

Der Grünlandpreis beträgt in der betr. Gemeinde 4 Euro/m², der Baulandpreis beträgt laut Immobilienpreisspiegel durchschnittlich 90 Euro/m².

4 x 1.150 m² Grünland = 4.600 Euro

90 x 250 m² Bauland = 22.500 Euro

Das Verhältnis beträgt somit 17% Grünland zu 83% Bauland.

Der Veräußerungserlös für den GuB beträgt entsprechend der GrundanteilV 2016 20% vom gesamten Veräußerungserlös, das sind 70.000 Euro. 17% davon entfallen auf Grünland, das sind 11.900 Euro; 83% davon entfallen auf Bauland, das sind 58.100 Euro. Von diesen Beträgen sind aber nur 72 m² vom Bauland steuerpflichtig sowie 328 m² vom Grünland, das ergibt 16.732,80 Euro für Bauland (58.100/250x72) bzw. 3.394 Euro für Grünland (11.900/1150x328).

Vom anteiligen Veräußerungserlös sind die pauschalen AK abzuziehen: 16.732,80 x 40% (weil die Umwidmung nach dem 31.12.1987 stattfand) = 6.693,12 Euro und 3.394 x 86% = 2.918,84 Euro. Somit ergeben sich insgesamt Einkünfte iHv 10.514,84 (10.039,68 + 475,16), die mit 30% ImmoESt zu versteuern sind (3.154,45 Euro).

Rz 6634d
Für betrieblich genutzte Grundstücke kommt die Hauptwohnsitzbefreiung nicht zur Anwendung; soweit ein Grundstück daher dem Betriebsvermögen zuzurechnen ist, ist es unabhängig von der Grundstücksfläche nicht befreit. Bei einem gemischt genutzten Grundstück, dessen Grundstücksfläche 1.000 m² übersteigt, ist für die 1.000 m²-Grenze aber nur die dem Privatvermögen zuzurechnende Grundstücksfläche relevant. Die "Freifläche" von 1.000 m² ist daher nicht im Verhältnis der privaten und betrieblichen Nutzung aufzuteilen.

Rz 6634e
Befindet sich ein gemischt genutztes Gebäude im Miteigentum, ist entscheidend, ob die betriebliche Nutzung in der Miteigentumsquote Deckung findet (siehe dazu Rz 574). Beträgt die betriebliche Nutzung durch einen Miteigentümer weniger als 1/3 der Gesamtnutzfläche des Gebäudes und findet sie in seiner Miteigentumsquote Deckung, erfasst die Miteigentumsquote bei diesem Miteigentümer den privat und den betrieblich genutzten Teil. Für den privaten Anteil kann zB eine Hauptwohnsitzbefreiung in Anspruch genommen werden, der betriebliche Teil ist allerdings steuerpflichtig. Bei jenem Miteigentümer, bei dem keine betriebliche Nutzung vorliegt, ist die Miteigentumsquote zur Gänze dem Privatvermögen zuzurechnen und kann daher eine allfällige Hauptwohnsitzbefreiung für die gesamte Miteigentumsquote geltend gemacht werden.

Beispiel:

Ein Gebäude befindet sich je zur Hälfte im Miteigentum der Ehegatten A und B. Im EG befindet sich neben Wohnräumen auch das Büro von A, im OG die restliche Privatwohnung. Das Gebäude wird veräußert.

Variante 1: Das Büro macht 15% der Gesamtnutzfläche des Gebäudes aus; die betriebliche Nutzung liegt somit unter 20%, es erfolgt im Rahmen der Veräußerung keine Aufteilung in betriebliche und private Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen; auch kann die Hauptwohnsitzbefreiung für das gesamte Gebäude von A und B entsprechend ihren Miteigentumsanteilen in Anspruch genommen werden, da mehr als 2/3 für private Wohnzwecke genutzt werden.

Variante 2: Das Büro von A macht 23% der Gesamtnutzfläche des Gebäudes aus; im Rahmen der Veräußerung hat A nunmehr betriebliche Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen im Ausmaß von 23% und private im Ausmaß von 27%. Für den privaten Anteil kann A die HWS-Befreiung in Anspruch nehmen. Da B keine betriebliche Tätigkeit auf ihrem Miteigentumsanteil entfaltet, kann sie eine Hauptwohnsitzbefreiung für ihren gesamten Anteil in Anspruch nehmen, da insgesamt die Voraussetzung der Nutzung für Wohnzwecke zu mehr als 2/3 der Gesamtnutzfläche gegeben ist.

Rz 6635
Bei Miteigentumsverhältnissen steht die Hauptwohnsitzbefreiung jenen Miteigentümern zu, welche die Voraussetzungen der Befreiung erfüllen. Die Steuerpflicht besteht in diesem Fall nur für jene Miteigentümer, welche das Hauptwohnsitzerfordernis (bzw. die "Behaltefrist") nicht erfüllen. Dies gilt aufgrund des Transparenzprinzips auch, wenn das betreffende Grundstück zivilrechtlich einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft zugehörig ist.

Beispiel:

Der Steuerpflichtige A hat in 01 ein Eigenheim mit zwei Wohnungen erworben und benutzte seither eine der Wohnungen als Hauptwohnsitz. In 03 erwirbt der Steuerpflichtige B den zweiten Hälfteanteil des Eigenheims und benutzt die andere Wohnung als Hauptwohnsitz. In 04 wird das Gebäude von beiden veräußert. Der auf B entfallende Veräußerungserlös ist bei diesem steuerpflichtig.

Rz 6636
Ist die Nutzung für andere Zwecke als für eigene Wohnzwecke für die 2/3-Grenze unbeachtlich (zB die unentgeltliche Überlassung für Wohnzwecke an nahe Angehörige), steht die Befreiung für das gesamte Grundstück zu.

Rz 6637
Werden in einem Eigenheim oder in einer Eigentumswohnung Nutzflächen bis maximal ein Drittel der Gesamtnutzfläche nicht für eigene Wohnzwecke genutzt (sondern für die Erzielung von Einkünften; zB betriebliche Nutzung oder Vermietung), erstreckt sich die Steuerbefreiung auch auf diese zur Einkünfteerzielung genutzten Flächen (ausgenommen der betrieblich genutzte Teil stellt auf Grund der 80/20-Regel Betriebsvermögen dar). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Eigenschaft als Eigentumswohnung oder Eigenheim gewahrt bleibt (die eigenen Wohnzwecken dienende Nutzung muss mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche ausmachen) und das Fristerfordernis erfüllt ist.

Beispiel 1:

Ein Freiberufler nutzt 15% seiner Eigentumswohnung betrieblich und den Rest privat (Hauptwohnsitz, Fristerfordernis erfüllt). Im Falle der Veräußerung der Eigentumswohnung tritt (auch für den betrieblich genutzten Teil) keine Steuerpflicht nach § 30 EStG 1988 ein.

Beispiel 2:

Ein Freiberufler nutzt 25% seiner Eigentumswohnung betrieblich und den Rest privat (Hauptwohnsitz, Fristerfordernis erfüllt). Im Falle der Veräußerung der Eigentumswohnung tritt keine Steuerpflicht nach § 30 EStG 1988 ein, allerdings liegen hinsichtlich des betrieblich genutzten Anteils betriebliche Einkünfte vor, weil es sich auf Grund der 80/20-Regel um Betriebsvermögen handelt.

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