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12.2.3 Voraussetzungen für den Verlustabzug

BMF2023-0.871.8196.5.2021

12.2.3.1 Allgemeines

Rz 4508
Der Verlustabzug ist auf Verluste aus betrieblichen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988), die auf Grund ordnungsgemäßer Buchführung (siehe Abschnitt 12.2.3.2) oder ordnungsgemäßer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (Rechtslage ab 2016; siehe Abschnitt 12.2.4.2; zur Rechtslage davor siehe Abschnitt 12.2.4.1) ermittelt worden sind, beschränkt.

12.2.3.2 Ordnungsmäßige Buchführung im Jahr der Verlustentstehung

12.2.3.2.1 Allgemeines

Rz 4509
Das Recht des Verlustabzuges ist gemäß § 18 EStG 1988 von einer ordnungsmäßigen Buchführung bzw. einer ordnungsgemäßen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (VwGH 29.01.2015, 2013/15/0166) abhängig. Es ist gleichgültig, ob eine Verpflichtung zur Buchführung besteht oder Bücher freiwillig geführt werden. Die Versagung des Verlustabzuges für Steuerpflichtige, die den Gewinn nicht auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung oder Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelt haben, ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich (zur Buchführung: VfGH 3.3.1987, G 170/86; VfGH 10.12.1992, B 227/91).

Rz 4510
Die ordnungsmäßige Buchführung muss in dem Jahr gegeben sein, in dem der Verlust entstanden ist (VwGH 2.6.1992, 88/14/0080). Ordnungsmäßig iSd § 18 Abs. 6 EStG 1988 bedeutet, dass eine materiell ordnungsmäßige Buchführung bzw. eine materiell ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung gegeben sein muss (zur Buchführung: VfGH 3.3.1987, G 170-172/86).

Rz 4511
Der Verlustvortrag ist immer dann zulässig, wenn der Verlust seiner Höhe nach errechnet werden kann und das Ergebnis auch überprüfbar ist, auch wenn eine Korrektur der Buchhaltung durch den Steuerpflichtigen oder auf Grund einer Betriebsprüfung erforderlich ist. Mängel einer ihrer Art nach tauglichen Buchhaltung können den Verlustvortrag nur dann hindern, wenn sie sich nach Art und Umfang auf das ganze Rechenwerk auswirken und auch nach einer Richtigstellung und Ergänzung (einschließlich allfälliger Sicherheitszuschläge) eine periodengerechte Erfassung der maßgeblichen Daten insgesamt nicht möglich erscheinen lassen (VfGH 28.9.1993, B 2006/92).

Rz 4512
Das Erfordernis der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung bezieht sich nur auf den "Verlustbetrieb"; unterhält ein Steuerpflichtiger mehrere Betriebe, muss die Buchführung nur im Verlustbetrieb ordnungsmäßig sein.

Randzahl 4513: derzeit frei

Rz 4514
Übergangsverluste sind generell vortragsfähig. Die Voraussetzungen des § 18 EStG 1988 gelten für Übergangsverluste nicht. Die Vortragsfähigkeit von Übergangsverlusten folgt aus dem Grundsatz, dass kein Vorfall doppelt zu erfassen ist und keiner unberücksichtigt bleiben darf (VfGH 7.3.1990, B 232/89).

Rz 4515
Verluste aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit iSd § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 (zB Verluste aus dem Ausfall von Forderungen) sind auch ohne "ordnungsmäßige Buchführung" vortragsfähig.

12.2.3.2.2 Schätzung und Verlustvortrag

Rz 4516
Zuschätzungen auf Grund formeller Buchführungsmängel sind unschädlich. Strahlen materielle Mängel der Buchhaltung nach Art und Umfang auf das gesamte Rechenwerk aus, geht das Recht auf Verlustabzug verloren (VwGH 25.6.1997, 94/15/0083).

Rz 4517
Ist die Richtigstellung von Fehlbuchungen möglich oder kann die unterlassene Buchung nachgetragen oder der unterlaufene Mangel durch Schätzung behoben werden, so darf einer ihrer Art nach auf periodengerechte Erfassung der Geschäftsvorgänge angelegten Buchführung nicht die Eignung abgesprochen werden, einen vortragsfähigen Verlust auszuweisen. Auch ein Sicherheitszuschlag schließt den Verlustvortrag nicht aus (VfGH 26.2.1996, B 370/95).

Rz 4518
Von einem seiner Höhe nach errechneten und auch nachprüfbaren Verlust kann dann keine Rede sein, wenn der Gewinn weitgehend durch griffweise und pauschale Schätzung ermittelt worden ist (VwGH 14.4.1994, 92/15/0169). Ist eine griffweise Zuschätzung in nicht unbedeutendem Ausmaß durch die Abgabenbehörde zur Ermittlung des Betriebsergebnisses notwendig, ist ein Verlustvortrag ausgeschlossen (VwGH 12.12.1995, 92/14/0031).

Rz 4519
Im Falle von formellen und materiellen Buchführungsmängeln, die auf das gesamte Rechenwerk ausgestrahlt haben, und die zu Um- und Nachbuchungen in den Hauptabschlussübersichten geführt haben, die nicht auf die Kontoblätter übertragen worden sind, ist die Buchhaltung als nicht abgeschlossen anzusehen. Solcherart ermittelte Verluste können weder der Höhe nach errechnet werden noch ist das Ergebnis überprüfbar (VwGH 12.9.1996, 92/15/0035).

Rz 4520
Der Verlustabzug ist - trotz erheblicher Mängel in der Buchhaltung - möglich, wenn nur bestimmte, abgegrenzte Teilbereiche der betrieblichen Tätigkeit betroffen sind, diese durch die behördlichen Hinzurechnungen als ausgeglichen angesehen werden können und die durch Schätzung ermittelten Erlöse den anhand des Rechenwerks ermittelten Verlust nur zu einem verhältnismäßig kleinen Teil schmälern (VfGH 10.12.1992, B 227/91, VwGH 12.12.1995, 92/14/0031.

Rz 4521
Für das Vorliegen der Schätzungsberechtigung und in der Folge für die Beurteilung, ob der Verlustabzug zusteht, kommt es nicht darauf an, warum die Bücher und Aufzeichnungen mangelhaft sind (Einwand eines Steuerpflichtigen, dass "Schlamperei" im Büro des Steuerberaters bestehe; VwGH 12.8.1994, 93/14/0214), bzw. wer die Bücher geführt hat (VwGH 12.9.1996, 92/15/0035).

12.2.3.2.3 Zeitpunkt der Entscheidung über die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung

Rz 4522
Grundsätzlich ist über die Verlustvortragsfähigkeit nicht bei der Veranlagung des Ergebnisses des Verlustjahres zu entscheiden, sondern in dem Jahr, in dem der Verlustvortrag als Sonderausgabe berücksichtigt werden soll. Erst bei dieser Veranlagung sind daher die Mängel der Buchführung des Verlustjahres festzustellen und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Vortragsfähigkeit zu beurteilen (VwGH 5.5.1992, 92/14/0018).

Rz 4523
Die Einkommensteuerfestsetzung für das Verlustjahr präjudiziert die Entscheidung über die Vortragsfähigkeit des Verlustes im Vortragsjahr auch dann nicht, wenn sie erklärungsgemäß auf Grund der vom Abgabepflichtigen vorgelegten Ergebnisermittlung erfolgte und nach wie vor dem Rechtsbestand angehört (VwGH 19.4.1988, 88/14/0001).

Rz 4524
Ist die Behörde auf Grund einer abgabenbehördlichen Prüfung in der Lage, die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung hinsichtlich bestimmter Jahre zu beurteilen, kann sie dies in einem auf § 92 Abs. 1 BAO gestützten Feststellungsbescheid tun. Damit wird vermieden, dass in großen zeitlichen Abständen zum Entstehungsjahr des Verlustes - und mit den dadurch bewirkten Beweisschwierigkeiten - über die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung im Entstehungsjahr entschieden werden muss (VwGH 28.10.1998, 97/14/0086).

Rz 4525
Werden Verluste im Zusammenhang mit Feststellungsbescheiden gemäß § 188 BAO festgestellt, können solche Bescheide auch eine spruchmäßige Feststellung über die Abzugsfähigkeit der Verluste enthalten (VwGH 28.10.1998, 97/14/0086).

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