Bei Umsatzgeschäften, die von mehreren Unternehmern über denselben Gegenstand abgeschlossen werden und bei denen dieser Gegenstand im Rahmen der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangen, ist zu beachten, dass die Umsätze (gedanklich) zeitlich hintereinander stattfinden, der Ort der einzelnen Umsätze jeder für sich bestimmt werden muss und nur für einen Umsatz in der Reihe der Ort der Lieferung gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 bestimmt werden kann.
Beispiel 1:
Der Hersteller W in Wien verkauft eine Ware an den Großhändler K in Köln und dieser wiederum an seinen Kunden M in Deutschland. K holt die Ware von W ab und befördert sie zu seinem Kunden M.
Auch bei Beförderung oder Versendung durch den Abnehmer K gilt die Lieferung des W an den Abnehmer K gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 mit dem Beginn der Beförderung (das ist in Wien) als ausgeführt. Für die nachfolgende Lieferung kommt - da die Beförderung bereits der ersten Lieferung zugerechnet wurde - nur mehr die Ortsbestimmung gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1994 in Frage. Die Ware befindet sich in dem Zeitpunkt, in dem M die Verfügungsmacht verschafft wird, in München. Der Ort der zweiten Lieferung ist daher nicht in Österreich, sondern in Deutschland. Die so genannte bewegte Lieferung findet daher zwischen W und K statt.
Beispiel 2:
Der Hersteller M in München verkauft eine Ware an den Großhändler S in Salzburg und dieser wiederum an seinen Kunden W in Wien. S holt die Ware von M ab und befördert sie zu seinem Kunden W.
Die Lieferung des M an den Abnehmer S gilt gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 mit dem Beginn der Beförderung als ausgeführt (Lieferort daher München). Für die nachfolgende Lieferung kommt - da die Beförderung bereits der ersten Lieferung zugerechnet wurde - nur mehr die Ortsbestimmung nach § 3 Abs. 7 UStG 1994 in Frage. Die Ware befindet sich in dem Zeitpunkt, in dem W die Verfügungsmacht verschafft wird, in Wien. Der Ort der zweiten Lieferung ist daher Wien. Die bewegte Lieferung findet daher zwischen M und S statt.
3.8a. Einfuhr-Versandhandelsumsätze (ab 1.7.2021)
Mit 1.7.2021 wird in § 3 Abs. 8a UStG 1994 eine Lieferortregel für Einfuhr-Versandhandelsumsätze eingeführt. Der Begriff "Einfuhr-Versandhandel" bezeichnet Lieferungen aus einem Drittland ins Gemeinschaftsgebiet, wobei der Abnehmer ein Nichtunternehmer oder eine andere in Art. 3 Abs. 4 UStG 1994 genannte Person ist. Die Beförderung oder Versendung hat durch den Lieferanten oder auf dessen Rechnung zu erfolgen. Hierfür genügt es, wenn der Lieferant indirekt an der Beförderung oder Versendung beteiligt ist (siehe hierzu Rz 3715). Lieferungen neuer Fahrzeuge oder Lieferungen verbrauchsteuerpflichtiger Waren an juristische Personen fallen nicht unter die Regelungen für Einfuhr-Versandhandelsumsätze.Nach § 3 Abs. 8a UStG 1994 liegt der Lieferort bei Einfuhr-Versandhandelsumsätzen abweichend von § 3 Abs. 8 oder 9 UStG 1994 an jenem Ort, an dem die Warenbewegung endet. Diese Lieferortregel gilt in zwei Fällen:
- bei Waren, die in einem anderen Mitgliedstaat eingeführt werden als jenem, in dem die Warenbewegung endet;
- wenn der Unternehmer die Umsätze über den IOSS (§ 25b UStG 1994) erklärt.
In beiden Fällen schuldet der Unternehmer die Umsatzsteuer somit im Bestimmungsland. Zur Einfuhrumsatzsteuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 4 Z 9 UStG 1994 im Einfuhrland bei Verwendung des IOSS siehe Rz 1024 und Rz 3434.
Beispiel 1:
Der chinesische Unternehmer CN verkauft Waren mit einem Einzelwert von 80 Euro aus China an Privatpersonen in Österreich. Die Waren werden in Luxemburg dem Zoll gestellt und anschließend zu den Privatpersonen in Österreich befördert. CN nimmt die Anmeldung zur Überführung in den freien Verkehr vor. CN ist nicht im IOSS registriert.
Lösung:
Nach Art. 221 Abs. 4 UZK-IA erfolgt die zollrechtliche Abfertigung von Waren zum freien Verkehr mit einem Einzelwert bis 150 Euro in dem Mitgliedstaat, in dem die Warenbewegung endet. Die Waren werden auf Grund der zollrechtlichen Vorgaben in einem "Versandverfahren" von Luxemburg nach Österreich befördert und von der zuständigen Zollstelle in Österreich zum freien Verkehr abgefertigt. Daher kommt nicht die spezielle Lieferortregelung in § 3 Abs. 8a lit. a UStG 1994, sondern § 3 Abs. 9 UStG 1994 zur Anwendung (vgl. Rz 466). Zusätzlich wird eine Einfuhr in Österreich verwirklicht.
Variante:
Wie Beispiel 1, nur, dass der Einzelwert der Sendung 180 Euro beträgt. CN lässt die Waren in Luxemburg zum freien Verkehr abfertigen und anschließend zu den Privatpersonen in Österreich befördern.
Lösung:
Da der Einzelwert der Sendung 150 Euro überschreitet, kommt Art. 221 Abs. 4 UZK-IA nicht zur Anwendung. Der Lieferort liegt nach § 3 Abs. 8a lit. a UStG 1994 am Ende der Beförderung. Die Lieferung des CN ist somit in Österreich steuerbar. CN muss sich in Österreich zur Umsatzsteuer registrieren lassen. Zusätzlich wird eine Einfuhr in Luxemburg verwirklicht
Beispiel 2:
Der chinesische Unternehmer CN verkauft Waren mit einem Einzelwert von 80 Euro an Privatpersonen in Österreich. Die Waren werden in Österreich eingeführt. CN ist über einen Vertreter im IOSS registriert. CN lässt die Waren in Österreich zum freien Verkehr abfertigen und anschließend zu den Privatpersonen in Österreich befördern.
Lösung:
Der Lieferort liegt nach § 3 Abs. 8a lit. b UStG 1994 am Ende der Beförderung. Die Lieferung des CN ist in Österreich steuerbar und über den IOSS zu erklären.
Aufgrund der Inanspruchnahme des IOSS ist die Einfuhr gemäß § 6 Abs. 4 Z 9 UStG 1994 steuerfrei. Erfolgt die (zollrechtliche) Abfertigung zum freien Verkehr in einem anderen Mitgliedstaat, wird die Einfuhr in diesem Mitgliedstaat verwirklicht und die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer richtet sich nach dem Recht dieses Mitgliedstaates.
Randzahlen 452 bis 465: derzeit frei.