vorheriges Dokument
nächstes Dokument

3.3a. Handel über Plattformen und andere elektronische Schnittstellen

BMF2021-0.835.98330.11.2021

Rz 382
Ab 1.7.2021 werden Plattformen und andere elektronische Schnittstellen (in weiterer Folge: "Plattformen"), die Umsätze gemäß § 3 Abs. 3a UStG 1994 unterstützen, für umsatzsteuerliche Zwecke selbst zum Steuerschuldner. Dh. die Plattform wird behandelt, als hätte sie die Gegenstände vom Lieferanten selbst erworben und im eigenen Namen weiter geliefert (siehe § 3 Abs. 3a UStG 1994).

Bei Umsätzen iSd § 3 Abs. 3a UStG 1994 handelt es sich um folgende Lieferungen:

Beispiel 1:

Ein kanadischer Händler verkauft ein Paar Ohrringe über eine in Irland niedergelassene und zum IOSS (vgl. § 25b UStG 1994) registrierte Plattform um 120 Euro (brutto, inkl. Umsatzsteuer) an eine Privatperson in Österreich. Die Ware gelangt direkt von Kanada nach Österreich.

Lösung:

Ab 1.7.2021 wird gemäß § 3 Abs. 3a Z 1 UStG 1994 fingiert, dass der kanadische Unternehmer (nur) für umsatzsteuerliche Zwecke an die Plattform liefert und die Plattform wiederum eine Lieferung an den Endverbraucher durchführt. Damit wird ein Reihengeschäft begründet.

Da die Warenbewegung gemäß § 3 Abs. 15 Z 2 UStG 1994 der Lieferung durch die Plattform zugeordnet wird (bewegte Lieferung), befindet sich der Lieferort für die Lieferung durch den kanadischen Unternehmer (ruhende Lieferung) gemäß § 3 Abs. 15 Z 3 UStG 1994 in Kanada (vgl. auch Rz 474g). Dieser Umsatz ist somit in Österreich nicht steuerbar.

Die Lieferung der Plattform an den Endverbraucher gilt als Einfuhr-Versandhandelsumsatz gemäß § 3 Abs. 8a lit. b UStG 1994 in Österreich als ausgeführt. Die Plattform hat die österreichische Umsatzsteuer (20 Euro) über den IOSS in Irland zu erklären und abzuführen. Die Einfuhr ist bei Vorlage der IOSS-Identifikationsnummer der Plattform steuerfrei (§ 6 Abs. 4 Z 9 UStG 1994).

Beispiel 2:

Der chinesische Händler CN, ohne Niederlassung in der EU, lagert Waren in einem Fremdlager in Deutschland. Später veräußert er die Waren über eine Plattform eines anderen Unternehmers an einen Nichtunternehmer in Österreich.

Lösung (ab 1.7.2021):

Gemäß § 3 Abs. 3a Z 2 UStG 1994 liegt eine Lieferung von CN an die Plattform und eine Lieferung der Plattform an den Nichtunternehmer in Österreich vor. Damit wird ein Reihengeschäft begründet, bei dem die bewegte Lieferung der Lieferung der Plattform zuzurechnen ist (§ 3 Abs. 15 Z 2 UStG 1994). CN hat eine iSd Art. 136a MwSt-RL 2006/112/EG (entspricht Art. 6 Abs. 4 UStG 1994) echt steuerbefreite Lieferung in Deutschland. Die Plattform hat einen innergemeinschaftlichen Versandhandel nach Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 im Inland zu versteuern. Die Plattform kann den EU-OSS (Art. 369a bis 369k MwSt-RL 2006/112/EG , entspricht Art. 25a UStG 1994) in Anspruch nehmen. Andernfalls muss die Plattform sich in Österreich steuerlich erfassen lassen.

Rz 383
§ 3 Abs. 3a UStG 1994 findet nur bei Lieferungen an Nichtunternehmer bzw. bei Einfuhr-Versandhandelsumsätzen bei Lieferungen an Nichtunternehmer oder andere der in Art. 3 Abs. 4 UStG 1994 genannten Personen (Schwellenerwerber, siehe Rz 3626) Anwendung.

Die Plattform hat im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3a UStG 1994 davon auszugehen, dass der Lieferant ein Unternehmer und der Empfänger ein Nichtunternehmer ist, wenn ihr keine gegenteiligen Informationen (zB UID des Empfängers) bekannt sind (siehe Art. 5d VO (EU) 282/2011 ).

Rz 384
Wann die Plattform eine Lieferung "unterstützt", um gemäß § 3 Abs. 3a UStG 1994 als Lieferant fingiert zu werden, ergibt sich aus Art. 5b VO (EU) 282/2011 :

Der Begriff "unterstützen" bezeichnet die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, um es einem Erwerber und einem Lieferer, der über eine elektronische Schnittstelle Gegenstände zum Verkauf anbietet, zu ermöglichen, in Kontakt zu treten, woraus eine Lieferung von Gegenständen über die elektronische Schnittstelle an diesen Erwerber resultiert.

Ein Unternehmer unterstützt die Lieferung von Gegenständen jedoch dann nicht, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. a) Der Unternehmer legt weder unmittelbar noch mittelbar irgendeine der Bedingungen für die Lieferung der Gegenstände fest;
  2. b) der Unternehmer ist weder unmittelbar noch mittelbar an der Autorisierung der Abrechnung mit dem Erwerber bezüglich der getätigten Zahlung beteiligt;
  3. c) der Unternehmer ist weder unmittelbar noch mittelbar an der Bestellung oder Lieferung (Zustellung) der Gegenstände beteiligt.

§ 3 Abs. 3a UStG 1994 findet auch keine Anwendung auf Unternehmer, die lediglich eine der folgenden Leistungen anbieten:

  1. a) Der Unternehmer legt weder unmittelbar noch mittelbar irgendeine der Bedingungen für die Lieferung der Gegenstände fest;
  2. b) der Unternehmer ist weder unmittelbar noch mittelbar an der Autorisierung der Abrechnung mit dem Erwerber bezüglich der getätigten Zahlung beteiligt;
  3. c) der Unternehmer ist weder unmittelbar noch mittelbar an der Bestellung oder Lieferung (Zustellung) der Gegenstände beteiligt.
  4. a) die Verarbeitung von Zahlungen im Zusammenhang mit der Lieferung von Gegenständen;
  5. b) die Auflistung von Gegenständen oder die Werbung für diese;
  6. c) die Weiterleitung oder Vermittlung von Erwerbern an andere elektronische Schnittstellen, über die Gegenstände zum Verkauf angeboten werden, ohne dass eine weitere Einbindung in die Lieferung besteht.

Rz 385
Die Steuerschuld der Lieferung entsteht im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3a UStG 1994 mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Zahlung angenommen wurde (siehe § 19 Abs. 2 Z 1a UStG 1994). Wann eine Zahlung als "angenommen" gilt, ergibt sich aus Art. 41a VO (EU) 282/2011 . Dies gilt sowohl für die Lieferung der Plattform als auch - sofern steuerbar - für die Lieferung an die Plattform.

Der Zeitpunkt, zu dem die Zahlung angenommen wurde, ist der Zeitpunkt, zu dem die Zahlung bestätigt wurde oder die Zahlungsgenehmigungsmeldung oder eine Zahlungszusage des Erwerbers beim Lieferer, der die Gegenstände über eine elektronische Schnittstelle verkauft, oder für dessen Rechnung eingeht, und zwar unabhängig davon, wann die tatsächliche Zahlung erfolgt, je nachdem, welcher Zeitpunkt der frühere ist.

Rz 386
Erklärt eine Plattform im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3a UStG 1994 einen zu niedrigen Steuerbetrag, weil der Lieferant ihr gegenüber falsche Angaben gemacht hat, schuldet sie den Mehrbetrag nicht, wenn sie auf diese Informationen für die korrekte Erklärung der Steuer angewiesen war und nachweisen kann, dass sie weder wusste, noch nach vernünftigem Ermessen wissen konnte, dass diese Informationen unrichtig waren (siehe Art. 5c VO (EU) 282/2011 ).

Randzahlen 387 bis 390: derzeit frei.

Stichworte