2.3.1. Transparenz- und Intransparenzprinzip
Nach österreichischem Steuerrecht werden Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) nicht als eigenes Steuersubjekt behandelt, sondern es werden die von ihnen erwirtschafteten Gewinne anteilig in den Händen der Gesellschafter besteuert (Transparenzprinzip). Aus dieser auf der Bilanzbündeltheorie fußenden Sichtweise folgt, dass nicht die Personengesellschaft als solche ein Unternehmen betreibt, sondern es betreibt jeder einzelne Gesellschafter ein eigenständiges Unternehmen (VwGH 15.12.1992, 88/14/0093; BFH 8.1.1969, I - 158/64, BStBl II 1969, 466 und BFH 26.2.1992, I R 85/91, BStBl II 1992, 937). Das Unternehmen der Personengesellschaft wird abkommensrechtlich daher als Unternehmen der Gesellschafter behandelt, wobei jeweils so viele Unternehmen bestehen, wie Gesellschafter vorhanden sind. Alle Betriebsstätten einer betrieblich tätigen Personengesellschaft stellen damit Betriebsstätten der einzelnen Gesellschafter dar (ständige deutsche Rechtsprechung siehe zB BFH 29.1.1964, I 153/61 S, BStBl III 1964, 165 oder BFH 23.8.2000, I R 98/96, BStBl II 2002, 207; EAS 3303, EAS 3403). Dieser Grundsatz gilt für doppelstöckige Personengesellschaften sinngemäß; Betriebsstätten der Untergesellschaft sind abkommensrechtlich Betriebsstätten der Obergesellschaft (BFH 16.10.2002, I R 17/01, BStBl II 2003, 631; siehe auch EAS 3308 für doppelstöckige Personengesellschaften mit operativer und vermögensverwaltender Gesellschaft).Bei grenzüberschreitenden Beteiligungen an operativen Personengesellschaften kommt daher Art. 7 OECD-MA zur Anwendung - und zwar im Falle von inländischen Mitunternehmerschaften sowohl für die Einkünfte, die sich aus der einheitlichen Gewinnermittlung auf Gesellschaftsebene ergeben, als auch für jene, die die einzelnen Mitunternehmer aus Sonderbetriebsvermögen, Leistungsvergütungen oder Ergänzungsbilanzen erzielen. Einer besonderen Personengesellschaftsklausel, die Art. 7 ausdrücklich als für Personengesellschaften anwendbar erklärt und die noch in zahlreichen österreichischen DBA enthalten ist (zB Art. 7 Abs. 7 DBA-Deutschland) bedarf es dafür nicht. Solchen Bestimmungen kann daher insoweit keine normative, sondern nur eine klarstellende Bedeutung beigemessen werden. Die Gewinnzuordnung zu einer Personengesellschaftsbetriebsstätte richtet sich nach dem AOA light (siehe im Detail auch Rz 394 ff).Zahlreiche Staaten behandeln Personengesellschaften in ihrem innerstaatlichen Recht allerdings als selbständiges Steuersubjekt, sei es zwingend (zB Ungarn, Kroatien, Slowenien, Spanien, Belgien) oder auf Grund einer ausgeübten Option (zB USA, Deutschland). Ob eine Gesellschaft bei der Abkommensanwendung als transparent oder intransparent zu behandeln ist, wird im DBA nicht geregelt. Diese Frage ist daher auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 DBA nach dem Recht des jeweiligen Anwenderstaates und unabhängig von der Behandlung der Gesellschaft im DBA-Partnerstaat zu entscheiden.Auf österreichischer Seite fallen ausländische Personengesellschaften nicht unter den DBA-Begriff "Gesellschaft" im Sinn von Art. 3 Abs. 1 lit. b DBA. Denn für die Beurteilung der Frage, ob eine ausländische Gesellschaft bei Anwendung des österreichischen Steuerrechts als Personengesellschaft oder als Körperschaft zu behandeln ist, wird der deutschen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis folgend (Urteile des RFH 12.2.1930, RFHE 27, 73 und des BFH 17.7.1968, I 121/64, BStBl II 1968, 695 und BFH 23.6.1992, IX R 182/87, BStBl II 1992, 972) in erster Linie darauf abgestellt, ob die ausländische Gesellschaft sich mit einer Gesellschaft des österreichischen Rechts vergleichen lässt (KStR 2013 Rz 133 ff). Ist eine ausländische Gesellschaft hinsichtlich ihres Aufbaues und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung einer österreichischen Personengesellschaft vergleichbar, dann ist sie nach diesen Grundsätzen in Österreich als Personengesellschaft zu behandeln (Typenvergleich, siehe zB EAS 303, EAS 493, EAS 1151, EAS 1159, EAS 1828, EAS 2375). Nicht entscheidend ist dabei die steuerliche Behandlung der Gesellschaft bzw. ihrer Gesellschafter in dem ausländischen Staat (EAS 1454).Wird im ausländischen Staat das Intransparenzprinzip (Trennungsprinzip) angewendet und der Gewinn der Personengesellschaft nicht in den Händen der Gesellschafter, sondern davon getrennt in den Händen der Gesellschaft besteuert, dann fällt im ausländischen Staat die Personengesellschaft abkommensrechtlich unter den Begriff "Gesellschaft" im Sinn von Art. 3 Abs. 1 lit. b OECD-MA und gilt als ansässig im Sinn von Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Hat eine solche im Ausland als intransparent (als Körperschaft) besteuerte Personengesellschaft in Österreich eine Betriebsstätte, dann werden die Betriebsstättengewinne der österreichischen Betriebsstätte dessen ungeachtet in den Händen der Personengesellschafter besteuert. Der ausländische Staat ist bei der Besteuerung der in seinem Gebiet errichteten Personengesellschaft zur Körperschaftsteuerfreistellung der österreichischen Betriebsstättengewinne oder - bei Anwendung des DBA-Anrechnungsverfahrens - zur Anrechnung der in Österreich erhobenen Steuer auf seine Körperschaftsteuer verpflichtet; diese Anrechnungsverpflichtung besteht ungeachtet dessen, dass in Österreich nicht die Gesellschaft, sondern die Gesellschafter besteuert wurden und dass im Fall von natürlichen Personen als Personengesellschafter in Österreich keine Körperschaftsteuer, sondern Einkommensteuer vorgeschrieben worden ist.Führt eine im nationalen Recht der beiden DBA-Partnerstaaten vorgegebene unterschiedliche Qualifikation von Personengesellschaften zu positiven oder negativen Qualifikationskonflikten, können diese in der Regel auf der Grundlage von Art. 23A Abs. 1 OECD-MA aufgelöst werden. Denn Art. 23A Abs. 1 OECD-MA verpflichtet den Ansässigkeitsstaat einerseits dazu, die Doppelbesteuerung zu beseitigen, wenn die Einkünfte "nach diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden dürfen", bindet ihn andererseits jedoch nicht daran, Einkünfte freizustellen oder Quellensteuern anzurechnen, wenn diese Einkünfte nicht "nach diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden dürfen" (OECD-MK Art. 23 A und 23 B Z 32.1 ff).Beispiel:
Ein in Staat X ansässiger Gesellschafter einer österreichischen Personengesellschaft veräußert seinen Gesellschaftsanteil. Aus der Sicht Österreichs liegt eine Veräußerung des in den österreichischen Betriebsstätten der Personengesellschaft befindlichen Betriebsvermögens des ausländischen Teilhabers vor; hierfür teilt Art. 13 Abs. 2 OECD-MA das Besteuerungsrecht Österreich zu. Aus der Sicht des ausländischen Steuerrechts ist dieser Vorgang allerdings nicht als Veräußerung von in Österreich belegenem Betriebsvermögen, sondern als Veräußerung der Beteiligung an einer österreichischen Gesellschaft zu sehen, weil Staat X Personengesellschaften wie Körperschaften besteuert. Staat X subsumiert daher den Veräußerungsvorgang nicht unter Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, sondern unter Art. 13 Abs. 5 OECD-MA und gewährt daher keine Steuerfreiheit, sondern besteuert ebenfalls die mit dem Veräußerungsvorgang realisierten stillen Reserven (positiver Qualifikationskonflikt). Da sonach infolge von Art. 3 Abs. 2 OECD-MA beide Staaten durch ihr voneinander abweichendes innerstaatliches Steuerrecht das Besteuerungsrecht zugewiesen erhalten, ist der Ansässigkeitsstaat (Staat X) auf Grund von Art. 23 OECD-MA verpflichtet, die Doppelbesteuerung zu beseitigen. Denn die Einkünfte dürfen nach dem OECD-MA in Österreich besteuert werden.
Im umgekehrten Fall (ein in Österreich ansässiger Steuerpflichtiger verkauft seine Beteiligung an einer Personengesellschaft des Staats X) wäre Österreich nicht zur Steuerfreistellung verpflichtet, weil in diesem Fall Staat X durch sein nach Art. 3 Abs. 2 OECD-MA für die Abkommensauslegung maßgebendes innerstaatliches Steuerrecht zur Anwendung von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA genötigt und deshalb "auf Grund des Abkommens" an der Besteuerung gehindert wird. Weil in diesem Fall die Einkünfte daher nicht "nach diesem Abkommen im anderen Staat besteuert werden dürfen", verpflichtet Art. 23 Abs. 1 OECD-MA den Ansässigkeitsstaat Österreich nicht zur Freistellung oder Anrechnung.
Eine Verpflichtung zur Beseitigung der Doppelbesteuerung besteht jedoch nicht, wenn das Abkommen die Besteuerung durch den anderen Staat allein aufgrund dessen gestattet, dass das Einkommen auch von einer dort ansässigen Person bezogen wird (vgl. OECD-MK Art. 23 A und 23 B Z 11.1).
Die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Personengesellschaften als transparent oder intransparent ist auch Schwerpunkt des OECD Berichts zu Personengesellschaften (OECD Partnership Report). Die darin enthaltenen Grundsätze fanden im Zuge der Anti-BEPS-Maßnahmen der OECD Eingang in Art. 1 Abs. 2 OECD-MA 2017. Nach dieser Regelung gelten Einkünfte, die durch Rechtsträger oder Gebilde bezogen werden, die von (zumindest) einem Vertragsstaat als ganz oder teilweise steuerlich transparent behandelt werden, als Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, jedoch nur soweit, als diese Einkünfte in diesem Vertragsstaat für Steuerzwecke als Einkünfte einer ansässigen Person behandelt werden. Die Bestimmung gilt nicht nur für Personengesellschaften, sondern für alle hybriden Rechtsträger oder Gebilde (zB Investmentfonds oder Trusts).Beispiel:
Eine in Staat X errichtete Personengesellschaft wird in Staat X als steuerlich intransparent behandelt, während die Gesellschaft für Österreich als transparent gilt. Das mit dem Staat X abgeschlossene DBA enthält eine Art. 1 Abs. 2 OECD-MA 2017 entsprechende Bestimmung. Bezieht die Personengesellschaft Zinsen aus Österreich, so ist Art. 11 DBA vollständig anzuwenden, da der Staat X die Zinsen als Einkünfte der in Staat X ansässigen Personengesellschaft behandelt. Österreich hat den reduzierten Quellensteuersatz gemäß Art. 11 DBA unabhängig davon zu gewähren, wo die Gesellschafter der Personengesellschaft ansässig sind.