Das Wesen der indirekten Gewinnaufteilungsmethode besteht darin, dass der Gesamtgewinn des Unternehmens nach einem bestimmten Aufteilungsschlüssel auf das Stammhaus und seine ausländischen Betriebsstätten aufgeteilt wird (
UFS 10.1.2012, RV/1638-W/08). Diese Gewinnaufteilung beruht auf der Annahme, dass alle Teile des Unternehmens entsprechend dem angewendeten Aufteilungsschlüssel zur Rentabilität des Gesamtunternehmens beigetragen haben (OECD-MK Art. 7 Z 54 idF vor 2010). Obgleich die Anwendung dieser Methodik vom AOA abgelehnt wird, ist sie nach wie vor zulässig, wenn das Abkommen die dem Art. 7 Abs. 4 OECD-MA idF vor 2010 entsprechende Klausel enthält. Sie ist aber nur einsetzbar, wenn
- a) sie im DBA-Anwendungsstaat üblich ist und
- b) ihr Ergebnis mit den Grundsätzen des Artikels 7 übereinstimmt.
Das Üblichkeitskriterium wird auf österreichischer Seite nicht eng ausgelegt. Es wird immer dann als erfüllt anzusehen sein, wenn die Aktivitäten der Betriebsstätte so eng mit denen des Stammhauses verflochten sind, dass es nicht möglich ist, sie durch eine Betriebsstättenbuchführung auseinanderzuhalten (zB bei gewissen Auslandsbauvorhaben, siehe aber Rz 360). In vielen Fällen wird auch der Aufwand für eine direkte Gewinnermittlung in keinem vernünftigen Verhältnis zu den involvierten Steuerbeträgen stehen. Die indirekte Gewinnaufteilungsmethode stellt sich dann als eine Schätzmethode der Betriebsstättengewinnermittlung dar.
Die indirekte Gewinnaufteilungsmethode ist ausgeschlossen, wenn sie nicht in der Lage ist, ein Ergebnis zu erzielen, das dem Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 7 OECD-MA entspricht. Dies könnte der Fall sein, wenn die Funktionen des Stammhauses und der Betriebsstätte zu unterschiedlich sind.
Beispiel:
Zur Aufgabe der Betriebsstätte zählt es, neben der Beratung von landwirtschaftlichen Betrieben neue Saatzuchtprodukte mit ungewissen Erfolgschancen zu entwickeln, während das Stammhaus ausschließlich mit dem Vertrieb von profitablen landwirtschaftlichen Produkten befasst ist. Hier ist die Annahme nicht zutreffend, dass sich der Rentabilitätsbeitrag der Betriebsstätte durch Anwendung eines Aufteilungsschlüssels aus dem Gesamtergebnis des Unternehmens ableiten lässt.
Nach der österreichischen Verwaltungspraxis kann das indirekte Gewinnaufteilungsverfahren auch in Jahren angewendet werden, in denen das Gesamtergebnis des Unternehmens einen Verlust ergibt. Nach Art. 7 Abs. 5 DBA-Schweiz ist einer inländischen Versicherungsbetriebsstätte jener Teil des Gesamtgewinns des schweizerischen Versicherungsunternehmens zuzuweisen, der dem Verhältnis der Rohprämieneinnahmen dieser Betriebsstätte zu den gesamten Rohprämieneinnahmen des Unternehmens entspricht. Auch wenn sich diese Bestimmung nur auf Gewinne eines Versicherungsunternehmens bezieht, gilt sie nicht nur für positive, sondern auch für negative Unternehmensgewinne, also für Verluste (EAS 89,
EAS 3410). Allerdings ist zu beachten, dass der nach dem Rohprämienschlüssel aufzuteilende Gesamtgewinn (Gesamtverlust) nach österreichischem Recht zu ermitteln ist.
Im Fall einer Veräußerung der Betriebsstätte berührt der Umstand, dass die bisherigen laufenden Gewinne unter Anwendung der indirekten Gewinnaufteilungsmethode aus dem Gesamtgewinn des Unternehmens herausgeschält worden sind, nicht die Ermittlung des Veräußerungsgewinns.
Beispiel:
Veräußert eine schweizerische Lebensversicherungs-AG ihre österreichische Niederlassung, dann ist der hierbei erzielte Veräußerungsgewinn gemäß Art. 13 Abs. 2 DBA-Schweiz in Österreich auch dann der Besteuerung zu unterziehen, wenn auf der Grundlage des Rohprämienschlüssels eine indirekte Betriebsstättengewinnermittlung vorgenommen wurde (EAS 943).
Es ist zwar nicht ausdrücklich gefordert, dass die indirekte Gewinnaufteilungsmethode von beiden DBA-Partnerstaaten angewendet wird. Da die indirekte Gewinnaufteilungsmethode aber nur subsidiär zur Anwendung kommen soll, ist sie nicht zulässig, wenn der Betriebsstättengewinn durch eine Betriebsstättenbuchhaltung ermittelt wird, und diese in einem der beiden Staaten als Grundlage der Anwendung der direkten Gewinnaufteilungsmethode dient.
Wenden beide DBA-Partnerstaaten die indirekte Gewinnaufteilungsmethode an, dann muss der Aufteilungsschlüssel in beiden Ländern korrespondierend angewendet werden. Die Höhe des aufzuteilenden Gewinns ist aber in den beiden Staaten nach deren innerstaatlichem Recht zu ermitteln. Dies folgt für den Ansässigkeitsstaat des Unternehmens bereits aus den Grundsätzen der unbeschränkten Steuerpflicht. Für den Betriebsstättenstaat bedeutet dies allerdings, dass er genötigt ist, sein Steuerrecht auf Besteuerungsgrundlagen anzuwenden, die außerhalb seiner territorialen Besteuerungsreichweite liegen. Da die Methodenwahl primär vom betroffenen internationalen Unternehmen ausgeht, muss ein ausländisches Unternehmen mit österreichischer Betriebsstätte dafür sorgen, dass auch in diesem Fall der Unternehmensgesamtgewinn dem österreichischen Steuerrecht entsprechend adaptiert wird.
Das DBA legt nicht fest, in welcher Weise der Gewinnaufteilungsschlüssel zu ermitteln ist. Dies wird den Anwendern der Methode überlassen, wobei ihnen aber die Pflicht auferlegt wird, jenen Schlüssel zu wählen, der nach Lage des Falls ein fremdübliches Aufteilungsergebnis erwarten lässt. Die allgemein angewendeten Schlüssel lassen sich in drei Hauptgruppen einteilen, je nachdem, ob sie auf den Umsatz des Unternehmens, auf den Aufwand (idR Lohnaufwand) oder sein Vermögen abstellen.
Es ist auch eine Mischmethode zulässig: Diese Methode geht vorrangig von der direkten Methode aus und wendet das indirekte, auf Aufteilungsschlüsseln basierende Aufteilungssystem auf nicht direkt zuordenbare Restgrößen der Gewinnermittlung an, zB Kosten der Geschäftsleitung.
Ein Wechsel in der Methodenwahl, um ein günstigeres steuerliches Ergebnis zu erreichen, ist unzulässig. Ein Methodenwechsel bedarf daher ausreichender wirtschaftlicher Gründe (Art. 7 Abs. 6 OECD-MA idF vor 2010).