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1.1.2. Internationale Rechtsgrundlagen

BMF2021-0.586.6167.10.2021

1.1.2.1. Verbundene Unternehmen

Rz 6
Art. 9 OECD-MA sieht das Erfordernis einer fremdverhaltenskonformen Gewinnaufteilung zwischen verbundenen Unternehmen vor. Der Begriff des Unternehmens im Sinne des Art. 9 OECD-MA bezieht sich gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. c OECD-MA auf die Ausübung einer Geschäftstätigkeit; unabhängig davon, um welche Einkünfte es sich nach österreichischem Recht handelt und in welcher Rechtsform die Geschäftstätigkeit ausgeübt wird. Eine fremdverhaltenskonforme Gewinnaufteilung ist insbesondere für Kapitalgesellschaften innerhalb eines Konzerns erforderlich. Art. 9 OECD-MA ist so auszulegen, dass sich daraus für die Vertragsstaaten eines DBA nicht nur die Berechtigung ergibt, fremdverhaltenswidrig ermittelte Gewinne eines verbundenen Unternehmens auf das fremdübliche Maß zu erhöhen, sondern dass daraus für den anderen DBA-Partnerstaat die Verpflichtung resultiert, eine korrespondierende Gegenberichtigung vorzunehmen. Art. 9 Abs. 2 OECD-MA wird auf österreichischer Seite eine bloß klarstellende Funktion beigemessen.

Rz 7
Art. 9 OECD-MA entfaltet eine Sperrwirkung, die dazu verpflichtet, den inländischen Gewinn einer zu einem multinationalen Konzern gehörenden Gesellschaft höchstens im fremdüblichen Ausmaß zu besteuern. Das bedeutet, Art. 9 OECD-MA beschränkt das nach innerstaatlichem Recht bestehende Besteuerungsrecht auf den fremdüblichen Gewinn, kann jedoch keine zusätzlichen Besteuerungsrechte begründen. Im Fall von Abkommensmissbrauch tritt die Sperrwirkung hingegen nicht ein.

Beispiel:

Die österreichische A-GmbH erhält von ihrer in Staat X ansässigen Muttergesellschaft (X-GmbH) ein Darlehen und diese verzichtet darauf, hierfür fremdübliche Zinsen von 100 zu verrechnen. Staat X wird durch Art. 9 DBA berechtigt, den Gewinn der X-GmbH um 100 zu erhöhen. Korrespondierend dazu entsteht für Österreich die Verpflichtung, den Gewinn der A-GmbH um 100 zu kürzen. Sollte allerdings Staat X keine Besteuerung der fremdüblich anzusetzenden Zinsen vornehmen, sollte weiters die X-GmbH einer anderen österreichischen Konzerngesellschaft gehören und sollte die Vermutung einer missbräuchlichen und künstlichen Gestaltung nicht entkräftet werden, dann legt Art. 9 DBA Österreich nicht die Verpflichtung auf, den Gewinn der A-GmbH um 100 herabzusetzen.

Rz 8
Die Grundsätze des Art. 9 OECD-MA haben auch in Art. 4 Abs. 1 des EU-Schiedsübereinkommens (Übereinkommen vom 23.7.1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen [90/436/EWG ], ABl. Nr. L 225 vom 20.08.1990 S. 10, idF des Übereinkommens vom 21.12.1995 [1996/C 26/01], des Protokolls vom 25.5.1999 [1999/C 202/01] und des Übereinkommens vom 8.12.2004 [2005/C 160/01]) Eingang gefunden. Treten zwischen den EU-Mitgliedstaaten Konflikte bei der steuerlichen Gewinnaufteilung zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften auf und werden Verständigungs- oder Schiedsverfahren auf der Grundlage des EU-Schiedsübereinkommens geführt, sind ebenfalls die in den OECD-VPL festgehaltenen Grundsätze zu berücksichtigen. Das EU-BStbG (Bundesgesetz über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union, BGBl. I Nr. 62/2019), durch welches die EU-StreitbeilegungsRL (Richtlinie 2017/1852/EU über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union, ABl. Nr. L 265 vom 14.10.2017 S. 1) in Österreich umgesetzt wurde, enthält keine eigenständige materielle Rechtsgrundlage für die Gewinnaufteilung. Es verweist dafür auf die jeweils anwendbaren DBA und auf das EU-Schiedsübereinkommen. Daher sind auch im Rahmen der Verfahren nach dem EU-BStbG die OECD-Grundsätze anzuwenden.

1.1.2.2. Betriebsstätten

Rz 9
Art. 7 OECD-MA legt fest, dass im grenzüberschreitenden Verhältnis zwischen den Betriebsstätten bzw. den Betriebsstätten und dem Stammhaus eines Unternehmens die Gewinnaufteilung ebenfalls nach Fremdverhaltensgesichtspunkten zu erfolgen hat. Hierbei sind die Grundsätze des "Authorized OECD Approach", sofern diese vom Wortlaut des OECD-MA idF vor 2010 gedeckt sind, ("AOA light") zu beachten (Rz 280). Nach diesen Grundsätzen soll im grenzüberschreitenden Verhältnis jede Betriebsstätte im Grundsatz stets so behandelt werden, als wäre sie ein selbständiges und unabhängiges Unternehmen ("separate entity approach"). Daher sind auch für Betriebsstätten die OECD-VPL analog anwendbar.

Rz 10
Allerdings bedarf der AOA zu seiner vollständigen Umsetzung eines neugefassten Art. 7 idF OECD-MA 2010, der noch in keinem österreichischen DBA enthalten ist (zu Österreichs Vorbehalt siehe Rz 280). Derzeit ergeben sich daher aus dem OECD-Kommentar zu Art. 7 gewisse Einschränkungen in der Umsetzung des AOA, die darauf zurückzuführen sind, dass Betriebsstätten - anders als Tochtergesellschaften - keine eigenen Steuerpflichtigen sind; Stammhaus und Betriebsstätte bilden vielmehr zusammen einen einzigen Steuerpflichtigen (siehe hierzu Rz 281).

Rz 11
Da die Gewinne von Personengesellschaften nach der Transparenzmethode in den Händen der Gesellschafter besteuert werden, bildet Art. 7 OECD-MA auch die Rechtsgrundlage für die internationale Gewinnaufteilung, wenn ein Steuerpflichtiger grenzüberschreitend an einer ausländischen Personengesellschaft beteiligt ist; denn die Betriebsstätten der ausländischen Personengesellschaft bilden Betriebsstätten des Gesellschafters (siehe hierzu Rz 375).

Rz 12
Die Grundsätze des Art. 7 OECD-MA (idF vor 2010) haben auch in Art. 4 Abs. 2 des EU-Schiedsübereinkommens Eingang gefunden. Treten daher zwischen den EU-Mitgliedstaaten Konflikte bei der steuerlichen Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätten auf und werden Verständigungs- oder Schiedsverfahren nach dem EU-Schiedsübereinkommen geführt, dann sind diese OECD-Grundsätze zu berücksichtigen (siehe Rz 525). Durch den Verweis auf das jeweils anwendbare DBA gilt Gleiches auch für Verfahren nach dem EU-BStbG.

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