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29. Übergangs- und Sonderbestimmungen (§ 35 GebG)

BMFBMF-010206/0094-IV/9/201812.2.2019

Rz 922
Gebührenbefreiungen, die in österreichischen Gesetzen vorgesehen waren, die vor dem 13. März 1938 erlassen wurden, finden sinngemäß Anwendung, sofern diese Gesetze in Kraft stehen oder wieder in Kraft gesetzt werden;

Rz 923
Bis zur Neuregelung der Arbeitsvermittlung sind weiters alle Rechtsgeschäfte, Schriften und Amtshandlungen gebührenbefreit, die mittelbar oder unmittelbar zur Begründung und Abwicklung der Rechtsverhältnisse zwischen den Behörden der Arbeitsvermittlung einerseits und den Arbeit(Dienstgebern) und Versicherten andererseits erforderlich sind;

Rz 924
Die durch die Europawahlordnung, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Wählerevidenzgesetz 2018, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 und das Volksbegehrengesetz 2018 unmittelbar veranlassten Schriften sind von den Stempelgebühren befreit; dies gilt auch für jene Schriften, die durch gleichartige landesgesetzliche Vorschriften veranlasst sind.

Die im Volksanwaltschaftsgesetz 1982 enthaltene Gebührenbefreiung ist auch auf jene Schriften anzuwenden, die durch gleichartige landesgesetzliche Vorschriften veranlasst sind.

Rz 925
Nach Einführung der verpflichtenden Selbstberechnung der Bestandvertragsgebühren (siehe Rz 714 ff) haben die Bescheide, mit denen die Bewilligung zur Selbstberechnung der Hundertsatzgebühren gemäß § 3 Abs. 4 GebG erteilt worden sind, ihre Wirkung verloren.

Rz 926
Eine weitere Gebührenbefreiung für Opfer von Katastrophenschäden besteht auf Grund des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 112/2005 und ist auf alle Sachverhalte anzuwenden, die nach dem 30.6.2005 verwirklicht werden:

1. Die durch die Folgen eines durch Katastrophenschäden (insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden) ausgelösten Notstandes veranlassten Schriften, die der Ersatzausstellung von gebührenpflichtigen Schriften oder der Schadensfeststellung, Schadensabwicklung oder der Schadensbereinigung dienen, sind von den Gebühren befreit.

2. Die im Zusammenhang mit einer Katastrophe iSd Z 1 zur Finanzierung der Beseitigung des eingetretenen Schadens durch den Geschädigten selbst oder seinen den Schaden wirtschaftlich tragenden Rechtsnachfolger abgeschlossenen Darlehens- und Kreditverträge (einschließlich Prolongationen, Aufstockungen und Vertragsübernahmen) sowie die damit verbundenen Sicherungs- und Erfüllungsgeschäfte sind gebührenbefreit. Dies gilt auch für Bestandverträge, mit denen eine Ersatzbeschaffung vorgenommen wird.

3. Die Gebührenbefreiungen der Z 1 und 2 stehen nur zu, wenn

a) im Falle der Z 1 der Antrag auf Ausstellung der Schrift innerhalb eines Jahres ab Schadenseintritt bei der die Schrift ausstellenden Stelle einlangt und dieser ein entsprechender Nachweis des Schadens vorgelegt wird,

b) im Falle der Z 2 die Rechtsgeschäfte innerhalb von zwei Jahren ab Schadenseintritt abgeschlossen werden und der Eintritt sowie die Höhe des Schadens bei Selbstberechnung dem gemäß § 3 Abs. 4 und 4a GebG zur Selbstberechnung Befugten, bei Selbstberechnung gemäß § 33 TP 5 Abs. 5 Z 1 und 5 GebG dem zur Selbstberechnung Verpflichteten und im Übrigen den für die Erhebung der Gebühren zuständigen Finanzämtern nachgewiesen wird.

4. Auf den Schriften und Urkunden über Rechtsgeschäfte, die nach Z 1 bis 3 befreit sind, ist der Vermerk "Gebührenfrei gemäß § 35 Abs. 5 GebG" anzubringen. Ist die Anbringung des Vermerkes nicht möglich, hat die die Schrift ausstellende Stelle die Gebührenfreiheit im bezughabenden Verwaltungsakt festzuhalten.

Rz 927
Dokumente, die unmittelbar durch die Geburt eines Kindes veranlasst sind, sowie die dazugehörigen Anträge sind von den Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben unter der Voraussetzung befreit, dass diese Dokumente innerhalb von zwei Jahren ab der Geburt des Kindes ausgestellt werden. Die Befreiung gilt auch im Falle einer Totgeburt.

Für die Einhaltung der Zwei-Jahresfrist ist die Ausstellung und nicht die Zustellung der Dokumente maßgeblich. Die Befreiung gemäß § 35 Abs. 6 GebG steht auch noch zu, wenn die betreffende Schrift am zweiten Geburtstag ausgestellt wird.

Nicht unmittelbar durch die Geburt eines Kindes veranlasst und daher nicht gebührenfrei sind:

Die Befreiung des § 35 Abs. 6 GebG bezieht sich nicht auf die Landesverwaltungsabgaben. Eine solche ist nur gegeben, wenn auch das jeweilige Bundesland entsprechende Maßnahmen setzt.

Auf dem ausgestellten Dokument ist ein Vermerk "Gebührenfrei gemäß § 35 Abs. 6 GebG 1957" anzubringen und auf allfällig vorhandenen Antragsunterlagen die gebührenfreie Ausstellung festzuhalten. Kann der Vermerk aus technischen Gründen nicht vorgenommen werden (Reisepass oder Personalausweis), erfolgt dieser im Identitätsdokumentenregister (Pass- bzw. Personalausweisregister) und auf der vom Bürger zu unterfertigenden Niederschrift (Antrag).

Bei Verlust oder Diebstahl eines kostenlos ausgestellten Dokumentes eines Kindes ist die Ausstellung eines neuen Dokumentes nicht mehr unmittelbar durch die Geburt des Kindes veranlasst und daher nicht von den Gebühren befreit.

Wird ein Dokument nach erfolgter Änderung des Namens des Kindes ausgestellt, ist das Dokument nur dann gebührenbefreit, wenn für das Kind noch kein derartiges Dokument gebührenfrei ausgestellt wurde. Dies bezieht sich auf Fälle, in denen vor der Änderung des Namens des Kindes noch kein unmittelbar durch die Geburt des Kindes veranlasstes und somit gebührenfreies Dokument ausgestellt wurde. In diesen Fällen soll die Namensänderung des Kindes nicht schädlich für die Befreiung sein.

Wird ein gemäß § 35 Abs. 6 GebG gebührenfrei ausgestelltes Dokument einer gebührenpflichtigen Eingabe beigelegt oder nachgereicht, unterliegt dieses als Beilage der Gebühr nach § 14 TP 5 GebG.

Wurden Gebühren entrichtet, obwohl eine Gebührenschuld nicht entstanden ist, ist die entrichtete Gebühr auf Antrag vom Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zurückzuzahlen. Ein solcher Antrag kann bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Jahr folgt, in dem die Gebühr zu Unrecht entrichtet wurde, gestellt werden (§ 241 Abs. 2 und 3 BAO).

Rz 928
Befreit im Sinne des § 35 Abs. 6 GebG sind zB folgende Dokumente

a) Reisedokumente

Darunter fallen alle in § 14 TP 9 Abs. 1 und 2 GebG angeführten Dokumente. Das sind zB der gewöhnliche Reisepass, Expresspass, Reisepass für Minderjährige ohne Papillarlinienabdrücke, Personalausweis und sonstige Passersatz. Die gebührenfreie Ausstellung kommt nicht nur alternativ für eines dieser Reisedokumente, sondern kumulativ für mehrere der genannten Reisedokumente zum Tragen.

Beispiel:

Es wird die Ausstellung eines Notpasses (für ein Kind) und sechs Monate später erstmals die Ausstellung eines Reisepasses mit Chip beantragt. Sowohl der Notpass als auch der Reisepass mit Chip sind gebührenbefreit. Wird innerhalb von zwei Jahren ab der Geburt des Kindes nochmals die Ausstellung eines dieser Reisedokumente beantragt, ist die Ausstellung dieses nicht mehr von der Gebühr befreit.

Die genannten Reisedokumente sind jedes für sich nur dann gebührenbefreit, wenn sie erstmals ausgestellt werden.

Wird für ein Kind innerhalb von zwei Jahren ab der Geburt erstmals ein Reisedokument ausgestellt, ist eine Gebührenbefreiung auch dann gegeben, wenn das Kind im Zeitpunkt der Geburt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft hatte, sondern diese erst nach der Geburt durch Verleihung oder Erstreckung erworben hat.

b) Sonstige Dokumente

Unter die sonstigen Dokumente fallen vor allem:

Die in Frage kommenden Dokumente sind in der im Regelfall üblichen Anzahl gebührenfrei auszustellen.

Die nach der Legitimation des Kindes ausgestellte neuerliche Geburtsurkunde fällt nicht unter die Befreiungsbestimmung, da diese (neuerliche) Ausstellung nicht mehr als unmittelbar durch die Geburt veranlasst anzusehen ist.

Erwirbt ein Kind durch Legitimation die Staatsbürgerschaft, so ist die (erstmalige) Ausstellung des Staatsbürgerschaftsnachweises gebührenbefreit. Nicht befreit ist hingegen die Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises nach einer Verleihung der Staatsbürgerschaft, weil diese nicht unmittelbar durch die Geburt (sondern durch den behördlichen Akt der Verleihung der Staatsbürgerschaft) veranlasst ist.

Die Gebührenbefreiung gilt auch für Aufenthaltstitel (Erstanträge bzw. Verlängerungen und Dokumentationen), sofern diese innerhalb von zwei Jahren ab der in Österreich erfolgten Geburt des Kindes ausgestellt bzw. erteilt werden. Bei Geburt des Kindes im Ausland und nachfolgender Zuwanderung (Familiennachzug) ist die Gebühr für die genannten Dokumente in jedem Fall zu entrichten.

Die Apostille (diplomatische Beglaubigung), die innerhalb von zwei Jahren ab Geburt des Kindes auf gemäß § 35 Abs. 6 GebG gebührenfreien Urkunden zur Verwendung im Ausland angebracht wird, ist ebenfalls gebührenfrei.

c) Ausländische Dokumente

Ausländische Dokumente, die aus Anlass der Geburt eines Kindes bei einer inländischen Behörde vorgelegt werden (amtlicher Gebrauch gemäß § 8 GebG), sind nach § 35 Abs. 6 GebG ebenfalls von den Gebühren befreit. Solche sind zB ausländische Personenstandsurkunden, Reisepässe. Auf diesen Dokumenten ist kein Vermerk über die Gebührenfreiheit (siehe Rz 927) anzubringen.

Rz 929
Von den Gebühren gemäß § 33 TP 5 und 9 GebG sind Rechtsgeschäfte befreit, die die Grundlage für die Erzielung von Einkünften in Zusammenhang mit dem einem Infrastrukturbetreiber eingeräumten Recht, Grund und Boden zur Errichtung und zum Betrieb von ober- oder unterirdischen Leitungen im öffentlichen Interesse zu nutzen, darstellen (§ 107 des Einkommensteuergesetzes 1988 bzw. § 24 Abs. 7 des Körperschaftsteuergesetzes 1988), sind.

Diese Befreiung tritt mit 1. Jänner 2019 in Kraft und ist auf alle nach dem 31. Dezember 2018 verwirklichten Sachverhalte anzuwenden.

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