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10.2.1.1. Erteilung einer Befugnis, Anerkennung einer Befähigung oder sonstigen gesetzlichen Voraussetzung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit

BMFBMF-010206/0094-IV/9/201812.2.2019

Rz 201
Bei der gebührenrechtlichen Beurteilung des Bestellungsaktes ist zu prüfen, ob der Zweck der Bestellung sich nur auf die Erteilung einer Befugnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder die Anerkennung einer Befähigung oder sonstigen gesetzlichen Voraussetzung richtet oder ob der Zweck einer Befugniserteilung in erster Linie ein anderer ist und die Erwerbstätigkeit eine bloß damit verbundene Nebenwirkung.

Beispiel:

Die Bestellung eines Gerichtsdolmetschers durch das Oberlandesgericht hat den Zweck, den Gerichten vertrauenswürdige, die in Frage kommende Sprache völlig beherrschende ständige Übersetzer zur Verfügung zu stellen. Der Bewilligungsakt unterliegt nicht der Gebühr nach § 14 TP 2 GebG.

Rz 202
Gemäß § 333a Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) sind Schriften und Zeugnisse, die auf Grundlage dieses Bundesgesetzes erstellt und ausgestellt werden, sowie Eingaben, die auf das Erstellen und das Ausstellen von Schriften auf Grundlage dieses Bundesgesetzes gerichtet sind, von den Stempelgebühren und Verwaltungsabgaben des Bundes befreit. Diese Bestimmung ist mit 18.07.2017 in Kraft getreten; betreffend die Ausstellung von Auszügen aus dem Gewerbeinformationssystem Austria ist die Befreiung von Stempelgebühren und Verwaltungsabgaben des Bundes frühestens ab 1. Mai 2018 anzuwenden.

Für die Vollziehung des § 333a GewO 1994 ist ausschließlich die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zuständig, nicht jedoch der Bundesminister für Finanzen.

Die Ausführungen in den Rz 203 bis 219 gelten nur dann, wenn § 333a GewO 1994 nicht zur Anwendung kommt.

Rz 203
Wird dem Antragsteller über die erfolgte Eintragung in das Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) ein Auszug aus diesem als Bestätigung über die Gewerbeanmeldung übermittelt (§ 340 Abs. 1 GewO 1994), ist dieser Auszug nicht nach § 14 TP 2 GebG, sondern nach § 14 TP 4 Abs. 1 Z 2 GebG zu vergebühren (siehe Rz 243 f).

Rz 204
Über Anmeldungen von den in § 95 GewO 1994 genannten reglementierten Gewerben oder des Rauchfangkehrergewerbes (§ 94 Z 55 GewO 1994) spricht die Behörde mit Bescheid (§ 340 Abs. 2 GewO 1994) ab, der nach § 14 TP 2 Abs. 1 Z 1 GebG gebührenpflichtig ist.

Beispiele:

Reglementiertes Gewerbe der Elektrotechnik, Gas- und Sanitärtechnik, des Sicherheitsgewerbes, Sprengungsunternehmens, der gewerblichen Vermögensberatung, des Waffengewerbes, der Herstellung von Arzneimitteln usw.

Rz 205
Bei einer Standortverlegung oder -erweiterung der in Rz 204 genannten und bei standortgebundenen Gewerben darf der Betrieb erst nach Erlassung eines gemäß § 14 TP 2 GebG gebührenpflichtigen Bewilligungsbescheides aufgenommen werden.

Rz 206
Für amtliche Ausfertigungen nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 besteht Gebührenpflicht.

Beispiel:

Erlaubnis für die Sammlung oder Behandlung von Abfällen (§ 25a Abs. 1 AWG 2002), Bestellung eines abfallrechtlichen Geschäftsführers (§ 26 Abs. 1 AWG 2002)

10.2.1.1.1. Erteilung, Verleihung und Anerkennung

Rz 207
Der Gebühr unterliegen behördliche Akte (amtliche Ausfertigungen), mit denen eine persönliche Befugnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit erteilt oder eine bestehende Befähigung bzw. sonstige gesetzliche Voraussetzung zur Ausübung einer solchen Tätigkeit anerkannt wird. Aus den Begriffen "Erteilung", "Verleihung", "Bewilligung" und "Anerkennung" ist erkennbar, dass es sich um eine nach außen sichtbare Aktivität der Behörde handeln muss. Erwerbstätigkeiten, zu deren Ausübung kein nach außen erkennbarer behördlicher Anerkennungsakt für die Befähigung (Bescheid, Dekret, Eintragung in eine Liste) erforderlich ist, zu deren Anmeldung die Behörde also schweigen kann, fallen nicht unter diese Bestimmung. Anmeldungen solcher Erwerbstätigkeiten unterliegen auch nicht der Eingabengebühr nach § 14 TP 6 Abs. 2 Z 1 GebG (siehe Rz 309), wenn über die Eingabe keine schriftliche oder automationsunterstützte oder sonst technisch mögliche abschließende Erledigung zugestellt wird (siehe Rz 161).

10.2.1.1.2. Befähigung und Befugnis

Rz 208
"Befähigung" und "Befugnis" sind personenbezogene Merkmale. Für die Befähigung ergibt sich dies bereits aus dem Begriff selbst. Nicht jede erteilte Befugnis schlechthin, sondern nur eine solche ist gebührenpflichtig, die zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch eine bestimmte Person berechtigt.

Beispiele für gebührenpflichtige Bewilligungen:

Befugniserteilung zur Führung von Hausapotheken durch Ärzte, Bescheid bei Anzeige betreffend weitere Betriebsstätte, Standort-/Betriebsstättenverlegung (§ 46 GewO 1994) eines Waffengewerbes, Pyrotechnik- und Sprengungsunternehmens und Rauchfangkehrers (entfällt bei Einstellung der Ausübung in der Betriebsstätte), Bescheid bei Anmeldung für die Ausübung (§ 340 GewO 1994) eines § 95 GewO 1994 Gewerbes (insbesondere Waffengewerbe, Pyrotechnik- und Sprengungsunternehmen) sowie Rauchfangkehrergewerbes.

Rz 209
Ausschließlich sachbezogene Befugniserteilungen begründen keine Gebührenpflicht nach § 14 TP 2 GebG.

Beispiel:

Die Genehmigung einer Betriebsanlage nach § 77 GewO 1994 stellt keine persönliche Befugnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit dar, sondern beinhaltet sachbezogene Befugnisse, weil eine solche zur Vermeidung von Gefahren im öffentlichen Interesse ergeht und daher gebührenfrei ist (VwGH 11.2.1953, 1950/51).

Rz 210
Hat ein Bescheid oder eine Bescheinigung ausschließlich ordnungspolitischen Charakter, so fällt dafür keine Gebühr nach der § 14 TP 2 Abs. 1 Z 1 GebG an.

Beispiele:

Bescheid über die Anzeige betreffend weiterer Betriebsstätten, Standort-/Betriebsstättenverlegungen (§ 46 GewO 1994) bei Gewerben gemäß § 95 GewO 1994 außer Waffengewerbe, Pyrotechnik- und Sprengungsunternehmen

Bescheid oder Bescheinigung über die Anzeige des Ausscheidens des Geschäftsführers (§ 39 Abs. 4 GewO 1994), Filialgeschäftsführers (§ 47 Abs. 3 GewO 1994), der Gewerbeeinstellung (§ 85 GewO 1994) mit Antrag auf Bescheid oder Ausfertigung einer Bescheinigung.

10.2.1.1.3. Anerkennung einer sonstigen gesetzlichen Voraussetzung

Rz 211
Neben den personenbezogenen Tatbestandsmerkmalen der "Erteilung einer Befugnis" und der "Anerkennung einer Befähigung" stellt die Anerkennung einer "sonstigen gesetzlichen Voraussetzung" keine ausschließlich sachbezogene Alternative dar, sondern der Gegenstand der Anerkennung muss das Vorliegen subjektiver in der Person des Antragstellers gelegener gesetzlicher Voraussetzungen sein. Ergeht beim Anmeldungsverfahren eines freien Gewerbes bloß ein Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA), so stellt diese Erledigung keine amtliche Ausfertigung iSd § 14 TP 2 GebG dar. Sollte in diesen Fällen dennoch eine amtliche Ausfertigung ausgefolgt werden, unterliegt diese der Gebühr nach dieser Tarifpost. Aus dem Merkmal der "Erteilung", "Verleihung" bzw. "Anerkennung" folgt, dass damit eine neue Berechtigung zukommt.

Beispiel:

Die Bewilligung der zuständigen Fernmeldebehörde erster Instanz zum erwerbsmäßigen Vertrieb (oder Betrieb) von Funkeinrichtungen stellt eine solche Anerkennung einer sonstigen gesetzlichen Voraussetzung dar und unterliegt der Gebühr nach § 14 TP 2 GebG (VwGH 24.3.1994, 93/16/0173).

Rz 212
Sondergenehmigungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, welche nicht über den materiellen Umfang der ursprünglichen Berechtigung hinausgehen, stellen keine gebührenpflichtigen amtlichen Ausfertigungen dar.

Beispiel:

Eine Sondergenehmigung im Rahmen einer schon erteilten Bewilligung über eine verlängerte Sperrstunde ist demnach gebührenfrei.

Rz 213
Der Tatbestand des § 14 TP 2 Abs. 1 Z 1 GebG ist in jenen Fällen nicht erfüllt, wo die in der Gewerbeordnung vorgesehenen Anzeigen an die Bezirksverwaltungsbehörde kein neuerliches Prüfungsverfahren zur Erteilung einer Befugnis, Anerkennung einer Befähigung oder sonstigen gesetzlichen Voraussetzung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit erfordern, dh. somit keine Verleihung einer neuen Berechtigung vorliegt (VwGH 9.11.2000, 2000/16/0616).

10.2.1.1.4. Erwerbstätigkeit

Rz 214
Tatbestandsmerkmal des § 14 TP 2 GebG ist weiters die Ausübung einer Erwerbstätigkeit, dh. die erteilte Befugnis muss in irgendeiner Art zur Sicherung oder Förderung der wirtschaftlichen Existenz des Ausübenden dienen. Keinen Unterschied macht es, ob die Ausübung der Erwerbstätigkeit auf Dauer, vorübergehend oder überhaupt nur einmalig beabsichtigt ist.

Rz 215
Eine Erwerbstätigkeit ist auch anzunehmen, wenn ein Entgelt nur dem Grunde, aber nicht der Höhe nach festgesetzt ist, die jeweilige Höhe also dem Willen des Besuchers überlassen bleibt.

Beispiel:

Bewilligungen von Veranstaltungen mit "Eintritt frei, freiwillige Spenden" sind daher gebührenpflichtig.

Rz 216
Unter "Erwerbstätigkeit" ist jede auf Einnahmenerzielung gerichtete selbständige wie unselbständige Tätigkeit zu verstehen. Die Ausübung der Erwerbstätigkeit muss allerdings nicht mit einem Gewinn verbunden sein (VwGH 25.2.1976, 0544/74).

Beispiele:

Eine Berechtigung zur bloß vorübergehenden oder auch nur einmaligen Ausübung des Gast- und Schankgewerbes außerhalb der genehmigten Betriebsstätte ist gebührenpflichtig (VwGH 10.11.1954, 1976/52).

Rz 217
Befugnissen zur Jagdausübung oder zur Ausübung eines Sportes fehlt das Merkmal "zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit". Diese sind daher nicht gebührenpflichtig.

Rz 218
Bei der von einer Behörde auszustellenden Giftbezugslizenz handelt es sich um keine Befugnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, weshalb die Voraussetzung für eine Gebührenpflicht derartiger Lizenzen ebenfalls nicht vorliegt.

10.2.1.1.5. Höhe der Gebühr

Rz 219

Amtliche Ausfertigungen § 14 TP 2 Abs. 1 GebG (Z)

1. Erteilung einer Befugnis oder Anerkennung einer Befähigung oder sonstigen gesetzlichen Voraussetzung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit

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